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Studia austriaca XXVI

 

Hermann Broch • Erwin Hanslik

Elfriede Jelinek • Arthur Schnitzler

Hugo von Hofmannsthal

Robert Musil

 

 

 

 

 

 

Editor-in-chief: Fausto Cercignani

Co-Editor: Marco Castellari

Editorial Board

Achim Aurnhammer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
Alberto Destro (Università degli Studi di Bologna)
Konstanze Fliedl (Universität Wien)
Hubert Lengauer (Universität Klagenfurt)
David S. Luft (Oregon State University)
Patrizia C. McBride (Cornell University)
Marie-Thérèse Mourey (Université Paris-Sorbonne)
Marisa Siguan (Universitat de Barcelona)
Ronald Speirs (University of Birmingham)

 

 

 

 

 

 

 

 


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Studia austriaca
An international journal devoted to the study
of Austrian culture and literature
Published annually in the spring
Hosted by Università degli Studi di Milano under OJS
ISSN 2385-2925

Vol. XXVI

Year 2018

Editor-in-chief: Fausto Cercignani

Co-Editor: Marco Castellari

Editorial Board:

Achim Aurnhammer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
Alberto Destro (Università degli Studi di Bologna)
Konstanze Fliedl (Universität Wien)
Hubert Lengauer (Universität Klagenfurt)
David S. Luft (Oregon State University)
Patrizia C. McBride (Cornell University)
Marie-Thérèse Mourey (Université Paris-Sorbonne)
Marisa Siguan (Universitat de Barcelona)
Ronald Speirs (University of Birmingham)

 

Founded in 1992

Published in print between 1992 and 2011 (vols. I-XIX)

On line since 2012 under http://riviste.unimi.it

Online volumes are licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Unported License.

 

 

 

 

 

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Studia austriaca
Vol. XXVI – Year 2018

Table of Contents

Jennifer Jenkins – Edition und Kommentar zu K. L. Hib (Hermann Broch) «Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur» (1918)

[Edition and Commentary of K. L. Hib (Hermann Broch) «An Officious Busybody of Culture» (1918)]

Jennifer Jenkins – «Ein Fiasko des Geistes». Hermann Broch’s Redis­covered Early Critique «Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur» (1918)

[«A Fiasco of the Mind». Hermann Broch’s Rediscovered Early Critique «An Officious Busybody of Culture»]

Rebecca Schönsee – Strahlende Geiselhaft. Jelineks Lärmblendung «Kein Licht»

[Splendid Captivity. Jelinek’s Noise Blinding «No Light»]

Gregor Babelotzky – Der «vacirende Gott». Arthur Schnitzlers Re­flexionen auf die eigenen Schaffens(un)möglichkeiten

[The «Unemployed God». Arthur Schnitzler’s Reflexions on his own Creative (In)Capabilities]

Panagiota Varvitsioti – Der Blick als literarischer Ausdruck der Wiener Moderne. Hugo von Hofmannsthals Klytämnestra

[The Gaze as Literary Expression in Viennese Modernism. Hugo von Hofmannsthal’s Clytemnestra]

Simona Vanni – Robert Musil. La guerra nelle parole: tra sogno, redenzione e “altro stato”

[Robert Musil. The War in his Words: through Dream, Redemption and “the Other Condition”]

Call for Papers

 

 

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Jennifer Jenkins

(Tacoma)

Edition und Kommentar zu K. L. Hib (Hermann Broch)
«Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur» (1918)

[Edition and Commentary of K. L. Hib (Hermann Broch)
«An Officious Busybody of Culture» (1918)
]

abstract. Edition and commentary of a rediscovered polemic from the year 1918, titled «Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur [An Officious Busybody of Culture]», published by Hermann Broch under the pseudonym K. L. Hib in Die Wage. Eine Wiener Wochenschrift, Vol. 21, Issue 27 of July 6, 1918, pp. 433-8. The text is a biting critique of the anthropoge­ographer Erwin Hanslik (1880-1940), co-founder and director of the Institut für Kultur­wissenschaft in Vienna.

K. L. Hib – Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur

Ein Mensch, der mit 30 Jahren entdeckte, daß er einen Nabel besitzt, könnte sich nicht inniger freuen, als der Professor Erwin Hanslick [sic!][1], ausrufend: «Heureka, wir haben die Menschheit gefunden!»[2].

 

Cover of Die Wage. Eine Wiener Wochenschrift
Vol. 21, Issue 27 of July 6, 1918
Image supplied by The University of Chicago Library

Dieser Professor schürft nämlich tief. Das Kardinalproblem aller Ge­schichtsphilosophie, die Frage nach der Gesetzmäßigkeit des geschichtli­chen Geschehens und nach der wissenschaftlichen Aufgabe der Ge­schichtsforschung löst er mit einem Griff. Dieser Griff ist, soviel aus den Schriften zu ersehen ist, vor allem ein biologischer und dürfte sich beiläufig mit den Milieutheorien decken: Abhängigkeit der Kulturentstehung von ge­ographischen, botanischen, klimatischen Vorbedingungen. Auf diese Art wird in 30 Tafeln gezeigt[3], wie die fünf oder richtig sechs Gesellschaftsper­sonen entstanden sind, wo die Wiegen der Menschheit geschaukelt haben, und [man] ist froh, so unbekümmert apodiktisch über diese Dinge orientiert zu werden.

Doch nicht nur die Wichtigkeit der Entdeckung empfiehlt den Entdecker selbst zu hören: «Bisher hatte [in Hansliks Originaltext: «hat», JJ] man Ge­schichte und Gesellschaftsverhältnisse immer nur oberflächlich beschreiben müssen. Seit die sechs Gesellschaftspersonen der Erde gefunden worden [«worden» steht nicht im Original, JJ] sind, drei großen der weißen, indischen und gelben Rassen [im Original: «Rasse», JJ], [434] und die drei Teilpersonen der weißen Welt, der Westen, Osten und Orient, ist es möglich, tiefer zu drin­gen und endlich Völker und Staaten zu erklären». Pedanten könnten finden, daß es nur fünf Personen sind, wenn sich von den drei großen eine in drei kleinere spaltet, aber das tut nichts zur Sache. Das Wesentliche und wissen­schaftlich Bedeutsame ist: «Erde und Seele sind die beiden Elemente, aus de­nen sich alles historische Leben national und politisch bildet. Es gibt kein drittes Element. Die Heimat und die Zeit sind die beiden Grundfaktoren im Leben der Völker» … was, da es kein drittes Element gibt, eine schließlich zu vertretende Identifikation von Seele und Zeit involviert …; «man kann Völ­ker erklären, ihr Schicksal, wie es durch ihre feste Heimat und durch den Wechsel der Zeiten gegeben ist, in seiner ganzen Gesetzmäßigkeit und Har­monie klarlegen. Nicht Willkür ist, was die Völker treibt, sondern eine unge­heure Gesetzmäßigkeit waltet in der Geschichte».

Aber diese Entdeckungen sind nur Mittel zum Zwecke. «Nicht um der Entdeckung der Bazillen willen forscht der Mediziner, er will eine Krank­heit behandeln. Ebenso der Kulturforscher. Dort handelt es sich um kör­perliche Leiden, hier um geistige, um den Völkerhaß und die Vergiftung zwischen den Nationen». Ein hohes Ziel! Aber ist derjenige, der guten Wil­lens an ein Krankenbett tritt, schon sacrosankt? Ist der Kurpfuscher ein Arzt, wenn er die Sentenz «Gesundheit ist das höchste Gut» im Munde führt?

Um es endlich zu sagen: Hier wird mit Kulturpfuschermethoden gear­beitet!

Nämlich: «Lieber Leser, Du siehst eine kleine Zeitung … sicher die kleinste Zeitung der Welt und doch soll sie alles, ein Bild der ganzen Welt bringen. Jede Angst vor dem Leben ist unbegründet. Du wirst sehen, es wird nichts Wesentliches auf den paar Seiten fehlen»[4] (die Angst vor dem Leben scheint wirklich unbegründet zu sein) «… Du bist nur ein Blatt am Baume der Menschheit und [im Original: «Du», JJ] hast 1600 Millionen Blattbrüder … und Dir Armen wird angst und bange … faß hin mit der Seele und Du umfängst alles Menschliche … Du umfängst das Gesetz und trinkst ewige Gesundheit, Glück und Klarheit. Du trinkst am Brunnen der Erkenntnis … darum heißt diese Zeitschrift “Erde”[5] und [im Original: «sie», JJ] ist eine Zeitung für Geistesarbeit …»

In dieser sicherlich nicht professoralen Sprache wird das Organ des In­stituts für Kulturforschung empfohlen. Von diesem Organ berichtet man, es habe zu bestehen aufgehört; aber – wie steht es mit dem Institut selbst?

Das Institut für Kulturforschung, aus öffentlichen oder privaten Mitteln (was immerhin zu fragen wäre[6]) errichtet, befindet sich – noch? – in Wien, I. Mölkerbastei 10, oder wie es in dem dort eben gebräuchlichen Idiom heißt, «auf den Höhen der alten Mölkerbastei, angesichts des Denkmals des tapferen Bürgermeisters Liebenberg, der gegen die Türken kämpfte, an ei­ner Stelle, [435] wo die Erde mit deutschem, slawischem und orientali­schem Blut [im Original: «in gleicher Weise», JJ] getränkt ist – extra muros, jenseits der Mauern der staatlich organisierten Wissenschaft und Kunst»[7]. Trotz dieser unzweifelhaft günstigen Lage erschien es aber auch noch not­wendig, außerdem für besonders intensive geistige Arbeit, beispielsweise für jene, bis fünf zu zählen, kurzum für Arbeit, «die unbedingt Ruhe erfordert [im Original: «Arbeiten, die unbedingt Ruhe brauchen», JJ]»[8], ein Atelier im Grünen (Grinzing) zu mieten.

Die Entdeckungen des Institutes werden mit großer Ausdrücklichkeit als wissenschaftliche bezeichnet. Allerdings besonderer Art. «Keine ge­wappneten neuen Ritter treten mit den scharfen Waffen modernster Wis­senschaft auf den Plan, mit Gasmasken zur Abwehr der giftigen Dünste der Vergangenheit, mit Maschinengewehren einer alles zerschmetternden Dia­lektik, mit den Riesengeschützen einer mächtigen wissenschaftlichen Fabrik, wie sie etwa in Paris, London, New-York [im Original: «Neuyork», JJ], Berlin, Washington und überall sonst errichtet wird. In Wien gibt es solche wissenschaftliche Fabriken nicht, am allerwenigsten ist das Insti­tut für Kulturforschung eine solche. Es soll auch nie eine solche werden»[9]. Das kann Wort für Wort unterstrichen werden. Auch die dialektische Ent­haltsamkeit ist durch die fortgesetzte Verwechslung von Singular und Plural ja sehr hübsch exemplifiziert …: welche Position ist aber in solch starker Negation enthalten?

Hier setzt die dritte Idee des Professors Hanslick ein. Beiläufig folgen­dermaßen: Mittelpunkte sind immer leer, daher nennt man Städte ohne In­dustrie Industriezentren. Wien ist die einzige Stadt ohne wissenschaftliche Fabriken – selbst Berlin muß diese Schmach (eine feine Spitze) mit der En­tente teilen –, folglich ist Wien zum geistigen Zentrum der Welt auserkoren. Positiv beweist sich aber dies in doppelter Weise: Erstens durch Gottes Fü­gung in dreierlei Offenbarung (Preisfrage: in wie vielerlei Formen wird also der Beweis erbracht?) und zwar a) indem Wien die Musikstadt Haydns, Beethovens, Mozarts, Schuberts war, b) indem Gustav Klimt hier nicht etwa Bilder gemalt hat, sondern «die bildende Weltkunst begründete»[10], c) was bescheidener Weise erst an dritter Stelle angeführt wird, indem sich in Wien, eben wegen der Industriereinheit, das Institut für Kulturforschung auftat. Diesem stringenten Beweis in dreifacher Entfaltung folgt die Über­legung: die Menschheit wäre gefunden und ist alles in allem ein übernatio­nales Gebilde. Österreich ist ebenfalls ein übernationales Gebilde, wenigs­tens seiner Idee nach, und könnte daher als Paradigma einer übernationalen Staatlichkeit gelten, was ein vollkommen akzeptabler Gedanke ist, den Ren­ner[11] in einem jedenfalls ernsten Buche[12] im Jahre 1902 systematisch darge­legt hatte. Man könnte natürlich auch auf die Schweiz hinweisen, in welcher das Prinzip der Übernationalität des Staates in ungleich glücklicherer Weise gelöst erscheint, aber immerhin wäre es möglich, daß ein derartiger Zustand auch einmal für Österreich eintreten könnte. Für Hanslick ist aber die Sache ausgemacht, umsomehr [436] als er entdeckt, daß Wien eine Ostmarkgrün-dung und daher notwendig an der Grenze zwischen seiner Ost- und West­welt, slawischem und deutschem Gebiet liegen muß. Er hat dies in einer eigenen Schrift niedergelegt[,] «Österreich als Naturforderung»[13], der Ver­trautheit mit der österreichischen Ethnographie sicherlich nicht abzuspre­chen ist. Die Zuordnung Polens, Rumäniens, Serbiens und sogar Bulgariens zum «österreichischen Raum»[14], und zwar aus geographischen Gründen, sieht zwar für den Augenblick recht annexionistisch aus, kann aber mit Hin­blick auf die Irredenta aller dieser Nationen immerhin einmal zur Ausfüh­rung kommen, wenn Österreich als ökonomisches Ganzes diesen Nationen ein föderalistisches Heim gewährt. Andererseits ist aber der Entente-Ge­danke, daß aus entgegengesetzten Gründen der Gesamtstaat eben in diese einzelnen Nationalstaaten zerfallen müsse, zumindest nicht fernerliegend. Jedenfalls dürfte es vielleicht etwas voreilig sein, gleich den kategorischen Schluß zu ziehen, daß es «Österreichs große welthistorische Aufgabe sei, die Menschheit von der Vielheit zu erlösen, ihr den Weg zur Einheit zu weisen [im Original: «zeigen», JJ]»[15], doch muß es wohl akzeptiert werden, wenn man bedenkt, daß sich daraus der weitere Schluß auf die Errichtung einer «Weltkulturgesellschaft» in dem Zentrum Wien als historische Not­wendigkeit ergibt.

Damit wäre man aber wieder in Wien, wo es sich freilich sehr fragt, was hier und jetzt geschehen solle. Aber das ist für Professor Hanslick keine Frage mehr: «Wir in Wien können nicht viel mehr machen, als mit Anspan­nung aller Kräfte neue Erkenntnisse produzieren»[16] – eine Aufgabe, die bei­spielsweise in Königsberg nie und nimmer zu leisten gewesen wäre – das übrige, «die Verbreitung und Auswirkung dieser Erkenntnisse» muß anderen überlassen werden, wo die Gründung einer Weltkulturgesellschaft unbedingt erforderlich erscheint. Daß es ein Verein werden mußte, ist nur selbstver­ständlich: das alte Österreich Kraliks[17] gipfelt in einem Veteranenverein, das neuentdeckte Hanslicks muß sich folgerichtig als Kulturverein etablieren.

Das Verfahren selbst ist von großer Einfachheit. Ebenso wie die Ent­deckungen des Institutes als Welt-Kulturwissenschaft zu gelten haben, wird alles, was in Wien geschieht oder geschehen sollte, mit dem Epitheton Welt – oder Menschheit – versehen. Es ist gleich einer von Kindern angezettelten Kulturverschwörung, bei der nun die Rollen verteilt werden sollen: Der Knabe Kokoschka[18] muß Welt-Malerei mimen, der Knabe Strnad[19] be­kommt den Welt-Menschheitstempel zu bauen, ein glücklich aufgefundener Musiker, Hauer[20], wird mit der «internationalen»[21] Musik betraut, einem, der angeblich chinesisch versteht, wird die Ostkultur in Bausch und Bogen übertragen (ob die Betreffenden von den ihnen zugeteilten Rollen nicht ein wenig überrascht sind, steht allerdings noch dahin), das Schönste aber ist, wenn die Großen mitspielen, und da jedes Spiel so tut, «als ob» es «Wirk­lichkeit» wäre, so tritt diese Struktur hier besonders deutlich zutage: ein of­fener Brief an [437] «Professor Woodrow Wilson, Präsidenten der Verei­nigten Staaten, Washington, Weißes Haus»[22], wird verfaßt, der seine Inhalt­losigkeit und wohl selbstgefühlte Lächerlichkeit durch die Präzision der Ad­resse wettzumachen sucht[23], und mit Ernsthaftigkeit wird uns mitgeteilt, daß nicht nur der k. k. Statthalter in Mähren, Exzellenz Dr. Karl Freiherr von Heinold-Udynski[24], sondern auch Major Nybläus[25] sich für die Arbeiten des Institutes interessieren; Selma Lagerlöf[26] «kennt die Arbeiten»[27] und ebenso Ellen Key[28], die «allerdings nicht im Recht [im Original: «mit ihrer Meinung», JJ] ist, daß diese Arbeit Zeit hätte»; Harry Torczyner[29] hilft wa­cker mit und dem holländischen Außenminister wurde die Sache durch un­seren Gesandten «vorgetragen», wohingegen sowohl Svante Arrhenius[30] und Sven Hedin[31] hiefür Verständnis haben. Von Huysmans[32] und Romain Rolland[33], Charles Moor[34] und Gorki[35], Bertrand Russel[l][36] (der im übrigen ein Industriesklave mit Gasmaske sein dürfte!) und Bernard Shaw[37] gar nicht zu sprechen, die zwar die Sache nicht kennen, die aber als Mitarbeiter zu haben, ja sehr erwünscht wären. Man wird ihnen offene Briefe schreiben und ihnen in Referenzen andere Mitarbeiter, die auch nicht mitarbeiten, an den Kopf werfen. Denn Hauptsache ist, – man ist ja schließlich doch in Wien – daß Namen genannt werden. Im übrigen darf man nicht ungerecht sein: es gibt wirklich Leute, die «mitarbeiten», beispielsweise Hofrat Alfred Roller[38], dessen Hofratstitel niemals vergessen wird, oder zumindest die un­ter seiner Leitung stehende Kunstgewerbeschule. Inwieferne er an den her­gestellten Mittelschulbildln – die Menschheit in Mercato[r]projektion, wo die Kultur sitzt, ist’s schraffiert – beteiligt ist, kann nicht ermessen werden: daß jedes jener primitiven Kärtchen den Vermerk: «Ausführung k. k. Kunstgewerbeschule, Wien» trägt, besagt nichts gegen die Kunstgewerbe­schule, die unter anderem auch eine Jugendklasse besitzt.

Es wäre einzuwenden, daß es heute ohnehin vielleicht schon abgebro­chene, harmlose Spielereien und Unarten wären, und daß man die Blattbrü­der als Gründer, Stifter, ordentliche, ausübende und außerordentliche Mit­glieder der Weltkultur auf ihre Fasson selig werden lassen möge. So ge­schmackvoll die revolutionäre Pose dieses Professors «mit dem anderen Forschungstrieb in der Brust»[39] auch ist, der doch über alle Maßen glücklich ist, wenn er sich auf einen k. k. Hofrat berufen kann, so könnten einem diese Dinge letzten Endes gleichgiltig bleiben und fast zu billig mag es uns dünken, sich gegen sie zu wenden[40]. Ja, besonders Wohlwollende dürften sogar sagen, daß man sich nicht gegen einen Idealisten wenden dürfe, weil er etwa weltfremd ist – denn nur das Weltfremde hat die Welt vorwärtsge­bracht –, daß es platt sei, das Pathos einer Jugend zu verhöhnen, das sich nur allzubald in das Pathos der Alterserfahrung wandle. Aber darum han­delt es sich hier gar nicht. Hier wird die Weltfremdheit des Idealisten als eine Allüre angenommen, die in gleicher Weise den Regenschirm stehen läßt, um die Wissenschaft zu markieren, und hier wird mit einer salbungs- [438] vollen Ausruferstimme das Pathos eines Weltbeglückertums mar­kiert, das jetzt die Friedenskonjunktur in der gleichen Weise ausnützt wie einst der Schlachtendichter die Kriegskonjunktur[41]. Und all dies mag noch dahin gehen: wenn man aber hört, daß die «philosophische» Basis der Ar­beiten des Institutes «das geisteswissenschaftliche System des verstorbenen Berliner Professors Wilhelm Diltheys»[42] und nicht das Berlitz’s[43] oder Le­schitzkys [sic!][44] sei, wenn man von der famosen «Entdeckung» hört, «daß alle Kultur gebunden ist an bestimmte Träger, an die größten, sozialen Ein­heiten, deren Umriß und Gestalt bisher noch nicht in dieser Klarheit erfaßt worden ist», und wenn man bedenkt, daß solch ein Kohl Dilthey in die Schuhe geschoben werden soll, dann mag man über diesen als Philosophen wie immer denken, mag überzeugt sein, daß sein System eigentlich kein Sys­tem ist, aber man wird sich verpflichtet fühlen, die Blattbrüder von den Blättern dieses wirklichen Baumes deutscher Geschichtsschreibung abzu­räumen.

Hanslick glaubt mit seiner Vereinsmeierei die Internationale des Geistes gegen die materialistische des Proletariates aufrichten zu können[45] und fühlt sich durch das Stockholmer Fiasko[46] hierin bestärkt. Wäre aber dieses noch zehnmal größer gewesen, so ist es noch immer verschwindend gegenüber dem Fiasko des Geistes, das durch Hanslick statuiert wäre, wenn überhaupt das, was er expliziert, mit Geist identisch sein soll. Gerade dies aber ist die Gefahr. Immer war es das Prärogativ der Schwätzer, vom Geiste und von der Kultur zu reden, ohne zu wissen, was darunter zu verstehen ist.

Der Göttinger Professor Johann Christian Lichtenberg[47] sagte einmal: «Wer vom Geiste schwätzt, ohne ihn definieren zu können, versündigt wi­der ihn».



[1] Erwin Hanslik (1880-1940), österreichisch-polnischer Geograph und Kulturhistoriker, Vorstand des Instituts für Kulturforschung (Wien) und Privatdozent an der Universität Wien. Hanslik wurde 1940 Opfer des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms «Aktion T4». Vgl. Erich Zöllner, «Erwin Hanslik (1880-1940). Ein deutsch-polnischer Kulturhistoriker, Anthropogeograph und Publizist, Opfer der nationalsozialistischen Euthanasieaktion». Be­richt über den achtzehnten österreichischen Historikertag in Linz, Bd. 27 (1990), 114-15; hier: 114 und Franz Smola, «Vom “Menschenbewusstsein” zum neuen Menschenbild – Egon Schiele und der Anthropogeograph Erwin Hanslik». Die ästhetische Gnosis der Moderne. Hrsg. Leander Kai­ser und Michael Ley. Wien: Passagen, 2008. 123-46; hier: 123-4.

[2] Erde. Organ der Weltkulturgesellschaft. Zeitung für Geistesarbeit der gesamten Menschheit, Nr. 1-2 (6. März 1918), S. 2.

[3] Erwin Hanslik, Die Menschheit in 30 Weltbildern. Bd. 6, Schriften des Instituts für Kul­turforschung. Wien: Institut für Kulturforschung, 1917.

[4] Erde, Nr. 1-2, S. 8.

[5] Erde. Organ der Weltkulturgesellschaft, Zeitung für Geistesarbeit der gesamten Menschheit. Wien: Institut für Kulturforschung (erschien 1918-19, Nr. 1-6. Vgl. Markus Flatscher und Richard Hörmann, Hrsg. Ferdinand Ebner. Tagebuch 1918. Wien: LIT Verlag, 2014. 236-7).

[6] In einem Artikel über das Institut für Kulturforschung («Bei den Kulturforschern») im Neuen Wiener Journal vom 25.12.1917 heißt es diesbezüglich: «Kein Nationalitätengegen­satz, keine politische Schranke soll [die Arbeit des Instituts für Kulturforschung] aufhalten – es ist eine ideale Arbeit, die hier gepflegt wird: die Einheit des Geistes. Und deshalb durfte die Anstalt auch kein österreichisches Staatsinstitut, keine Universitätslehrkanzel werden, mußte auf ihre Subventionen verzichten und von den 500 Mitgliedern der Kultur­gesellschaft leben» (8). Nach Franz Smola fand Hanslik «[i]n der Person des Zuckerfabri­kanten Dr. Victor Ritter von Bauer […] den notwendigen Finanzier für das Institut» («Vom “Menschenbewusstsein” zum neuen Menschenbild – Egon Schiele und der Anthropoge­ograph Erwin Hanslik», in Die ästhetische Gnosis der Moderne, Hrsg. Leander Kaiser und Mi­chael Ley, Wien: Passagen, 2008, 124). Bauer habe sich «von Hanslik von der Notwendig­keit der Forschungen auf [dem Gebiet der Anthropogeographie] überzeugen [lassen] und kam für etwa drei Jahre für die gesamten Kosten des Instituts auf» (125).

[7] Erde, Nr. 1-2, S. 3.

[8] Erde, Nr. 1-2, S. 5.

[9] Erde, Nr. 1-2, S. 3.

[10] Erde, Nr. 1-2, S. 4.

[11] Karl Renner (1870-1950), österreichischer sozialdemokratischer Politiker; Kanzler Österreichs (1918-20), erster Bundespräsident der 2. Republik (1945-50).

[12] Es handelt sich hier vermutlich um den von Renner unter dem Pseudonym Rudolf Springer veröffentlichten Band Der Kampf der österreichischen Nationen um den Staat. Band 1: Das nationale Problem als Verfassungs- und Verwaltungsfrage. Wien und Leipzig: Deuticke, 1902.

[13] Erwin Hanslik, Österreich als Naturforderung: Mit 15 Karten. Bd. 4, Schriften des Instituts für Kulturforschung. Wien: Institut für Kulturforschung, 1917.

[14] Vgl.: «Der Tscheche, Pole, Ukrainer, Slowake, Madjare, Rumäne, Slowene, Serbe, Bulgare, und Albanese, sie alle sind als Glieder der österreichischen West-Ostgemeinschaft neu aufzufassen. Wien, Budapest, Konstantinopel, Prag, Lemberg, Krakau, Warschau, Ag­ram, Belgrad, Triest, Sarajewo, Sofia und Skutari sind als Träger des werdenden österrei­chischen Geistes vorzuführen» (Hanslik, Österreich als Naturforderung 9).

[15] Erde, Nr. 1-2, S. 4.

[16] Erde, Nr. 1-2, S. 1.

[17] Richard Ritter Kralik von Meyrswalden (1852-1934), deutschnationaler, erzkatholi­scher österreichischer Schriftsteller und Kulturphilosoph.

[18] Oskar Kokoschka (1886-1980) gehörte zu den von Broch nach van Gogh am höchst­geschätzten bildenden Künstlern: «Die l’art pour l’art-Bewegung […] ist ein Klischeeismus mit logischen Krücken. Abseits von all dem stehen Erkenner, die die Kunst im Wiedersu­chen der Ursensation suchen: solch ein Mächtiger ist van Gogh; auf diesem Wege ist Ko­koschka» (Hermann Broch. Kommentierte Werkausgabe [im Folgenden: KW]. 13 Bde. Hrsg. Paul Michael Lützeler, Frankfurt 1974-81, hier: KW 10/1, 13); auch: «[I]m Portrait war [van Gogh] der einzige, der optische Psychologie trieb und aus seiner Gesamtanlage treiben mußte (nur Kokoschka ist hier auf dieser Linie nach ihm zu nennen)» (KW 10/2, 57). Im pseudonym veröffentlichten Aufsatz «Über die Möglichkeit des modernen Porträts» in Der Friede (Bd. 1, Nr. 19 vom 31.05.1918) schrieb Broch ferner: «[Das] Irrationale ist sowohl bei van Gogh als auch bei Kokoschka, der “Dämon”, das absolut “Nackte” des Anderen und ist erfüllt von der tiefen nackten Groteskheit des Menschlichen. Nichts aber fürchtet der Bürger mehr, als etwas und sich nackt zu sehen, und darum lehnt er hier glattwegs ab. Niemals werden van Gogh oder Kokoschka populär werden, während [Felix Albrecht] Harta und [Egon] Schiele immerhin ihren Weg machen dürften» (458). Schiele hatte phrenologische Zeichnungen für Hansliks Wesen der Menschheit (1917) geliefert.

[19] Oskar Strnad (1879-1935), österreichischer Architekt und Gründungsmitglied des Österreichischen Werkbunds.

[20] Josef Matthias Hauer (1883-1959), österreichischer Komponist, entwickelte vor Schönberg eine Variante der Zwölftonmusik.

[21] Erde, Nr. 1-2, S. 6.

[22] Erde, Nr. 1-2, S. 1.

[23] Auch andere nahmen Anstoß an diesem Schreiben, vor allem was den Adressaten betrifft: In einer Ankündigung zur ersten Nummer der Erde in Heft 19: 9/10 (1918) des Geographischen Anzeigers (Gotha) schrieben dessen Herausgeber Hermann Haack und Albert Müller: «Die Eröffnungsnummer bringt an einführender Stelle einen offenen Brief “An Professor Woodrow Wilson, Präsidenten der Vereinigten Staaten, Washing­ton, Weißes Haus”, der mit den Sätzen beginnt: “Ihre Reden, besonders die letzten, sind so getragen vom Geiste der Menschlichkeit, daß wir uns heute genötigt sehen, noch einmal das Wort an Sie zu richten. Wir haben bereits vor einem Jahre die Empfindung gehabt, daß Sie der Vertreter des [hier fehlt das im Original stehende «amerikanischen», JJ] Idealismus sind, und aus diesem Grunde haben wir die ersten Blätter der großen Aus­gabe des Menschheitswerkes in Ihre Hände gelangen lassen”. Diesen schlechten Witz, Herrn Wilson einen Vertreter des Idealismus zu nennen, wagt eine deutsche Zeitschrift ihren Lesern zu bieten noch dazu in ihrer Eröffnungsnummer und das glaubt ihr Schrift­leiter, Dr. Erwin Hanslik unbeschadet seiner Stellung als Dozent an der Wiener, also einer deutschen, Universität vertreten zu können» (212).

[24] Karl Freiherr von Heinold-Udyński (1862-1943), österreichischer Politiker.

[25] Generalmajor Gustaf Adolf Nyblæus (1853-1928), schwedischer Kavallerieinspek­tor, hatte 1882-83 im Dragoner-Regiment Nr. 4 («Erzherzog Albrecht») der österreichi­schen Armee gedient.

[26] Selma Lagerlöf (1858-1940), schwedische Schriftstellerin.

[27] Erde, Nr. 1-2, S. 6.

[28] Ellen Key (1849-1926), schwedische Reformpädagogin.

[29] Naftali Herz Tur-Sinai (1886-1973), österreichischer (später israelischer) Semitist und Bibelübersetzer.

[30] Svante August Arrhenius (1859-1927), schwedischer Physiker und Nobelpreisträger für Chemie (1903).

[31] Sven Anders Hedin (1865-1952); schwedischer Geograph und Schriftsteller.

[32] Camille Huysmans (1871-1968), belgischer sozialistischer Politiker, Premierminister Belgiens 1946-47.

[33] Romain Rolland (1866-1944), französischer Schriftsteller.

[34] Nicht eindeutig ermittelt; es könnte sich hier um den amerikanischen Urbanisten Charles Moore (1855-1942) handeln.

[35] Maxim Gorki (1868-1936), russischer Schriftsteller.

[36] Bertrand Russell (1872-1970), britischer Philosoph und Mathematiker.

[37] George Bernard Shaw (1856-1950), irischer Dramatiker.

[38] Alfred Roller (1864-1935), österreichischer Bühnenbildner; Mitbegründer der Wie­ner Sezession. Der junge Adolf Hitler war ein Bewunderer Rollers (vgl. Wolfram Pyta, Hitler: Der Künstler als Politiker und Feldherr. Eine Herrschaftsanalyse. München: Siedler, 2015, 50-1).

[39] Erde, Nr. 1-2, S. 3.

[40] Ähnlich drückt sich Benno Imendörffer, Mittelschullehrer und Erdkundeforscher in Wien, in seinem Verriss des Hanslikschen Projekts («Weltkultur?». Ostdeutsche Rundschau. Wiener Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft, Kunst und Literatur, 14. März 1918, 5) aus: «Im Vorausgehenden wurde der Ton tändelnder Ironie gewählt. Der Leser fühlt aber vielleicht, daß er nur notgedrungene Maske ist. Wollte man nämlich die Entrüstung sprechen lassen, die in uns aufsteigen muß, wenn wir dieses Gemenge von, gelinde gesagt, unberechtigtem Selbstbewußtsein und Phrase, von Unklarheit und völliger Unfähigkeit, die Dinge zu se­hen, wie sie sind, von Weltfremdheit und verschwommenem Weltbürgertum, von Lehr­haftigkeit und Berauschung am eigenen Worte usw. betrachten, so wäre man genötigt, harte Worte zu gebrauchen, und die Gefahr läge nahe, einer verfehlten Sache eine Bedeu­tung zu geben, die ihr in keiner Weise zukommt».

[41] Hier klingt der Begriff der «Kollektivberauschung» an, der Jahrzehnte später in Brochs Massenwahntheorie (KW 12) theoretisch ausgearbeitet wird. In einem Brief an seinen Freund Volkmar von Zühlsdorff schrieb Broch 1948 in diesem Sinne: «[I]ch nehme, wo immer ich [Stefan] George begegne, gegen ihn Stellung. Er war für vieles in Deutschland verantwortlich, weit mehr als Nietzsche, dessen gesunde Skepsis ihm gefehlt hat. Er hat sich an Monumentalworten berauscht und damit auch die andern» (KW 13/3, 270).

[42] Erde, Nr. 1-2, S. 5. Wilhelm Dilthey (1833-1911), deutscher Philosoph.

[43] Maximilian Berlitz (1852-1921), deutsch-amerikanischer Sprachpädagoge; Gründer der «Berlitz-Methode» für den Sprachunterricht.

[44] Theodor Hermann Leschetizky (1830-1915), polnischer Pianist und Musikpädagoge; Gründer der «Leschetizky-Methode» für den Klavierunterricht. Berlitz und Leschetizky werden von Broch in diesem Zusammenhang pejorativ als Vertreter bzw. Verbreiter einer rein mechanistischen Methode zur Aneignung von Wissen genannt.

[45] Vgl. hierzu Monika Platzer: «[Hansliks] anmaßende Idee von der Schaffung einer Weltkultur unter der Führung Österreichs ist als Gegenkonzept zum Sozialismus im Sinne einer Restauration einer (monarchistischen) Donauföderation zu interpretieren» («Kinetis­mus = Pädagogik – Weltanschauung – Avantgarde», in: Kinetismus: Wien entdeckt die Avant­garde. Hrsg. Monika Platzer und Ursula Storch. Ostfildern: Hatje Cantz, 2006, 8-59; hier: 25).

[46] Mit dieser Formulierung weist Broch auf das Scheitern der sozialistischen Stockhol­mer Friedenskonferenz im Sommer 1917 hin.

[47] Vermutlich meint Broch stattdessen Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799), Aphoristiker und Mathematiker an der Universität Göttingen. Der hier zitierte Spruch konnte Lichtenberg jedoch nicht eindeutig zugeordnet werden.

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Jennifer Jenkins

(Tacoma)

«Ein Fiasko des Geistes». Hermann Broch’s
Rediscovered Early Critique
«Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur» (1918)

[«A Fiasco of the Mind». Hermann Broch’s Rediscovered Early Critique
«An Officious Busybody of Culture»
]

abstract. In 1918, writing under a pseudonym, Hermann Broch (1886-1951) published a biting critique of the anthropogeographer Erwin Hanslik (1880-1940). This short text, which takes aim at what Broch perceived to be Hanslik’s deterministically reductive and essentialist claims, provides depth and nuance to our current understanding of this early phase of Broch’s critical oeuvre, while also offering more broadly a unique view onto the contemporary debates that played out in the fields of anthropology, cultural studies, his­tory, and philosophy during the first decades of the twentieth century.

Hermann Broch (1886-1951) first achieved prominence as a writer of fiction following the publication of the first volume of his Schlafwandler tril­ogy, Pasenow oder die Romantik, in 1930[1]. In the preceding decades, he had immersed himself in the study – initially self-directed and then later at the University of Vienna from 1925-30 (Lützeler, Hermann Broch. Eine Biographie 96) – of the philosophy of history (Geschichtsphilosophie) and wrote his own scholarly treatises and critiques on the subject, a number of which were first published after his death[2]. In the last and most ambitious of these critical works, «Theorie der Geschichtsschreibung und der Geschichtsphilosophie» (1919-20), the figure of the dilettantish «Schwätzer» is invoked as one front in what Broch framed as a two-front attack on Geschichtsphilosophie, with the other comprising the academic historians («Fachhistoriker») who viewed the field with contempt as speculative and unserious. Broch’s treatments of the topic are thus undertaken from a defensive standpoint, motivated by a desire to rescue the field from its enthusiastic, uninformed hangers-on on the one hand and its skeptical academic detractors on the other by way of a precise definition of and accounting for what exactly Geschichtsphilosophie is (or should be): «Es wird unsere Aufgabe sein, […] nach den Möglichkeiten einer eigenen, sozusagen wirklichen Geschichtsphilosophie zu suchen» (KW 10/2, 103).

As early as 1908, Broch deployed the use of the pejorative «Geschwätz» in a work of cultural criticism: «Daß diese Kultur ihrem Ende entgegeneilt, zeigt ihre senile Geschwätzigkeit» («Kultur 1908», KW 10/1, 13)[3]. Five years later, in «Cantos 1913» – an early iteration of «Stimmen 1913», which Broch integrated much later into the novel Die Schuldlosen (1950) – he warns, on the eve of the first World War, of the dangers inherent in «Geschwätz»:

Denn Dummheit ist Vorstellungslosigkeit; / sie schwatzt Abstrakta, schwatzt vom Heiligen, / schwatzt vom Heimatboden und von der Landesehre, / schwatzt von irgendwelchen Frauen und Kindern, / die’s zu verteidigen gilt. Aber wo’s konkret / wird, da wird sie stumm, und die zerfetzten / Gesichter, Leiber und Glieder der Männer / sind ihr unvorstellbar. (Durzak 8)

In «Theorie der Geschichtsschreibung und der Geschichtsphilosophie», Broch condemns those who feel drawn to expound on the topic of the philosophy of history «mit einem Minimum von Fachkenntnissen und ei­nem Maximum von Schwatzhaftigkeit» (KW 10/2, 95) and who in so doing have dragged the entire subject into disrepute. Broch locates the reasons for the field’s attraction for such amateurish blowhards in the ostensible acces­sibility of its subject matter («Daß es an solchen Schwätzern nicht fehlt, ist durch die leichte Zugänglichkeit der geschichtsphilosophischen Probleme – die speziell in Zeiten politischer Bewegtheit sozusagen ungeschützt auf allen Gassen und in allen Zeitungen liegen – reichlich gesorgt» [KW 10/2, 94])[4] and as a consequence of the academic taxonomy of Geschichtsphilosophie and the innate weaknesses of human thought itself:

Nirgends nun zeigt sich der Boden günstiger für eine solche [positi­vistische, JJ] Auffassung der Philosophie als in jenen Grenzgebieten, die wir “Philosophien des Empirischen” nennen dürfen, in den Phi­losophien des Rechtes, der Natur, der Mathematik etc., vor allem aber in der der Geschichte. Denn während die anderen doch gewisse nä­here Beziehungen zur reinen Philosophie unterhalten, die Rechtsphi­losophie zur Ethik, die der Natur zur Erkenntnistheorie, die der Ma­thematik zur Logik usf., steht die Geschichtsphilosophie – vom He­gelschen Versuche abgesehen – nahezu vollkommen isoliert, ja will […] über das Empirische gar nicht hinaus. Und wenn wir – allerdings vorwegnehmend – die empirische Behandlung des Philosophischen als “laienhaft” empfinden, so kann es uns jetzt auch nicht mehr Wun­der nehmen, daß gerade die Geschichtsphilosophie Denkfehler und Unklarheiten, die dem menschlichen Erkennen im allgemeinen, nicht weniger aber dem philosophischen Erkennen einmal eigentümlich sind, krasser denn anderwärts sichtbar werden läßt, daß sie, unterstützt von der leichten Zugänglichkeit der geschichtsphilosophischen Probleme, dem Schwätzer eher denn jede andere Disziplin Eingang gewährt und daß sie, die in solchem Sinne selber “laienhaft” ist, das, was der Laie in der Philosophie überhaupt sieht, nämlich ein Konglomerat unbe­wiesener Meinungen, zur vollen Entfaltung zu bringen vermochte. (KW 10/2, 101)

(As the two most thorough studies to date[5] of Broch’s initial forays into Geschichtsphilosophie have pointed out, Broch’s own early theoretical writings on the history of philosophy are on the contrary anything but «leicht zugänglich» as a result of their fragmentary nature[6] and dearth of clear ar­ticulation[7].)

While Broch does not shy away from naming and criticizing the work of those scholars with whose methods and conclusions he disagrees but whom he nevertheless respects as serious thinkers, the precise target of Broch’s accusations of «Geschwätz» in his defense of Geschichtsphilosophie has until now remained unknown. A rediscovered polemic from the year 1918 how­ever, titled «Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur» and published under the pseudonym K. L. Hib[8] in Die Wage. Eine Wiener Wochenschrift (Vol. 21, Issue 27 of July 6, 1918, pp. 433-8)[9], reveals the most egregious Schwätzer in Broch’s eyes and the chief object of his ire: The anthropogeographer Erwin Hanslik (1880-1940), co-founder and director of the Institut für Kulturwis­senschaft in Vienna. This polemic constitutes the fourth in a series of biting critiques of Broch’s contemporaries published in 1917-18 either semi-anon­ymously (i.e. identified only by his initials or at most as «Hermann B».) or under the pseudonym K. L. Hib[10]. In the following, I will provide an over-view of Hanslik’s project, as well as further elucidation of Broch’s own work in the areas of culture and ethics at this time, in order to allow for a deeper understanding of Broch’s polemic in its contemporary context.

Erwin Hanslik and the Institut für Kulturforschung in Vienna

Hanslik’s work has been all but forgotten in the century since Broch pub­lished his polemic and is most often treated in humanities scholarship, when it is treated at all, as it relates to the Austrian painter Egon Schiele (1890-1918)[11]. Following Schiele’s attendance at one of Hanslik’s lectures in Stock-holm in the autumn of 1917 and their subsequent acquaintance (Smith 128-9; Smola 127-8), Schiele became enamored of Hanslik’s anthropogeograph­ical ideas to such an extent that he produced phrenological illustrations for Hanslik’s 1917 monograph Wesen der Menschheit, a collaboration that came to light only in 1998[12]. Erwin Hanslik’s biography has been treated elsewhere[13]; perhaps the most striking aspect of his life was the manner of his death as a victim of the National Socialist «T4» euthanasia program: In 1910 (a year prior to his habilitation), while travelling in the Mediterranean, Hanslik suf­fered «einen schweren Unfall mit physischen und psychischen Folgen» (Zöllner 114). He retired from his position as Mittelschulprofessor in 1921, but continued to teach seminars as a Privatdozent at the University of Vienna through the 1933-4 winter semester (Svatek 116). Hanslik’s «psychische Probleme mehrten sich» in the years following his retirement, and he was treated by Nobel-prize-winning psychiatrist Julius Wagner-Jauregg (Zöllner 114) but ultimately admitted to the Viennese psychiatric clinic «Am Steinhof», from where he was deported on July 15, 1940 and murdered sometime shortly thereafter in Hartheim (Oberösterreich) (Smola 123-4)[14].

Hanslik co-founded the Institut für Kulturforschung[15] in Vienna in 1915 with Edmund Küttler and Victor Ritter von Bauer, the latter of whom fi­nanced the institute for the first three years of its existence[16]. The Institute, established in the throes of the first World War, was founded with the aim of cultivating «die wissenschaftliche Erforschung der Kultur aller Völker» in or­der to scientifically establish the contours of a «Weltkultur […], durch die die Gegensätze beseitigt werden können, die den heutigen Kampfzustand in der Welt verursachen» («Im Institut für Weltkulturforschung» 2). This pacifistic objective is articulated in Hanslik’s introduction to the second volume of Die neue Weltkultur-Gemeinschaft («Durch Weltkrieg zur neuen Weltkultur»), in which he lays out the desired practical effect of the Institute’s work:

Nach dem Krieg gilt es, das neue Leben der Völker aufzubauen. Vor allem wird eine Verständigung der entzweiten Völkergemeinschaften erfolgen müssen. Nur auf Grundlage der Objektivität wird eine solche möglich sein. Darum wird die objektive Kultur- und Völkerforschung in den Mittelpunkt des praktischen Interesses der ganzen Welt rücken. Nur den gemeinsamen Bemühungen aller Geistesforscher der Erde und der willigen Zusammenarbeit aller, denen daran liegt, auf Basis des Guten eine neue Ordnung des Lebens herbeizuführen, wird das Werk gelingen. Freilich ist in allen Ländern viele Umformung der Kul­turarbeit, namentlich der Forschungsorganisation der Anfang aller Tä­tigkeit. Überall ist in den letzten Jahren die universale Kulturforschung ebenso zurückgetreten wie der universale Kulturgedanke. Ihn gilt es wieder zu beleben. Ihn im Weltkrieg wirkend zu zeigen, ist die Auf­gabe des Folgenden. (Die neue Weltkultur-Gemeinschaft II 8) (All empha­ses, here and in the following, in original.)

Hanslik’s commitment to establishing peace between the warring na­tions is underscored by his authorship of a series of «Weltaufrufe» published in various newspapers and journals at the turning of the year 1917-18, e.g. «zur geistigen Abrüstung»[17] and «zur Schaffung von Stätten für Arbeit am Frieden»[18]. His moral stance on the war did not, however, prevent Hanslik from viewing it as a boon for the field of cultural geography[19].

The Institute was conceived from the outset as a center for interdiscipli­nary research, several decades before the term «interdisciplinar(it)y» was coined (Hanslik calls it «kombinierte Forschung») and before such an ap­proach became an established feature of the German-speaking academic landscape (Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung [ZiF], the first uni­versity-based interdisciplinary institute in Europe, was founded in Bielefeld in 1968)[20]. The founding of Hanslik’s Institute could accordingly be viewed as a realization of the Modernist «dream» of interdisciplinarity described by Penka Angelova:

In Wien, der wasserkopfartig wirkenden Megalopolis des Vielvölker­staates, die nun eine zu einem Zwerg zusammengeschrumpfte Repub­lik zu verwalten hatte, die von Joseph Roth als “der Rest” (“und der Rest hieß Österreich”) bezeichnet wurde – der Rest der nationalen Abspaltungsprozesse –, in diesem Wien entstand ein typischer Habi­tus: Auf der einen Seite wurden die politischen Nationalismen akut, auf der anderen Seite wurde das geistige Erbe der Moderne, der Traum von der Interkulturalität und Interdisziplinarität weitergeträumt. (An­gelova 155-6).

Hanslik’s plea for scholarly collaboration between academic fields pre­figures modern-day calls for interdisciplinary solutions to problems that cannot be sufficiently addressed or solved with the tools and approaches of a single discipline:

Was allen Völkern gemeinsam ist, und was sie von einander unter­scheidet, kann nicht von einer einzelnen Fachwissenschaft festgestellt werden. Ein ganzer Wissensbund ist notwendig, um das Ziel zu errei­chen. Deswegen ist das neugegründete Institut nicht nach Art eines spezialistischen Forschungsinstitutes eingerichtet, das sich dem Stu­dium einer Einzelheit widmet, sondern es stellt einen neuen Typus dar. Sein Hauptzweck ist, die kombinierte Forschung zu er­möglichen und zu erleichtern. Alles was die Verbindung verschiedener Fächer, die heute in getrennten Instituten betrieben werden, fördert, wird besonders gepflegt. Kurz, die Forschung auf Grenzgebieten er­hält eine eigene Stätte. (Wesen der Menschheit 190)[21]

The origins of Hanslik’s anthropogeographical ideas have been traced to the work of the historian Karl Lamprecht[22] (Henniges 1318) and to the ge­ographer Friedrich Ratzel (Henniges 1317-18 and Smola 125-6), although Hanslik actively sought to distinguish his work from Ratzel’s. In a short treatise included at the end of Wesen der Menschheit (1917) entitled «Die Ein­heit des Geistes. Kulturforschung und Völkerverständigung», Hanslik at­tempts to position his work as broader in scope than that of his anthropo­geographical predecessor:

[E]s [handelt] sich auch hier nicht um die heute herrschende Anthropo­geographie, die auf den Deutschen F. Ratzel zurückgeht. Wie fast alle Einzelwissenschaften der Kultur, ist auch diese einseitig eingestellt. Sie geht vom Außen der Erscheinungen aus und sucht auf Phänomen[e] der Geschichte Gesetze der Naturwissenschaft anzuwenden. Gesetze des Naturlaufes aber gelten nicht im Laufe des Geistes. Im Gegensatz dazu knüpft die hier beschriebene Forschungsrichtung an die Arbeiten Herders, [Alexander von] Humboldts und [Carl] Ritters an. (Wesen der Menschheit 193)

Hanslik understood human culture (and, indeed, individual human char­acteristics)[23] to be determined primarily by geography and the environment. To name just one example, Sub-Saharan Africans and indigenous Australi­ans are excluded from Hanslik’s «Gesellschaftspersonen» model and denied the status of agents of/in world history on the basis of telluric principles:

Die Oasenländer in allen Rassenreichen wurden die Ursprungsstätten des neuen weltgeschichtli­chen Lebens. Von diesen Quellen höheren Geistes aus entfaltete sich das Leben der historischen Menschlichkeiten. Es gibt Ras­senreiche, in denen sich solche Wiegenländer der Kultur nicht vor­finden. Solche sind Afrika und Australien. Dort kommen zwar Wüsten vor, aber diese sind nirgends von Oasenländern unterbrochen. Darum ist weder die afrikanische, noch die australi­sche Rasse in den Zustand des historischen Geis­tes aufgestiegen. Wo hätte die Entwicklung einsetzen sollen? In welchem Lande Afrikas oder Australiens hätte sich durch Verdichtung der Urvölker die Geburt weltgeschichtlichen Geistes vollziehen sol­len? (Österreich als Naturforderung 11-12).

Hanslik distinguishes between «[wir] Kulturmenschen» and the «Urmen­schen» – the latter, to whom he paternalistically refers as «unsere Brüder», are characterized primarily by the way they «verharren in der Ungemein­schaft und stehen abseits von der Weltgeschichte. […] Sie haben die Menschheit nicht in sich, fühlen infolgedessen auch keine Verantwortung gegenüber ihr» (Wesen der Menschheit 45). Hanslik concludes from this claim: «Nichts ist irriger als anzunehmen, es gäbe eine Urmenschheit. Es gibt nur ein urmenschliches Geschlecht, das sich nicht zur Menschheit verbindet»[24]. (As essentialist, fundamentally rac-ist[25] and, sometimes, anti-Semitic[26] as his anthropogeographical ideas were, it should be noted that not all of the positions taken by Hanslik in socio-cultural questions fell on the proverbial «wrong side of history», for ex­ample his relatively advanced views for his time regarding women’s suf­frage[27].) While Hanslik’s publications were received positively in some quar­ters[28], criticism of his work ranged from the questioning of his scientific methods (which according to one reviewer demand «weniger Kritik als Gläubige» [B. 166]; others seem to take aim at Hanslik’s basic knowledge of geography[29]) to insinuations of cultural chauvinism («[I]n Fußnoten wird bemerkt, wir [Österreicher] hätten bisher nur nicht gewußt, wie talentiert wir wären, aber das müßte nun anders werden, denn nun “besännen wir uns endlich” darauf, Oesterreicher zu sein» [Liebstoeckl 1]) and accusations of megalomania («Aus einem Chaos politischer Geographie, in dem allerdings System liegt, läßt Herr Hanslik vor aller Welt ein groteskes Bild empor­steigen: Oesterreich, wie es die Welt verschlingt» [«Ein bedenklicher Staatsroman» 2]).

Content aside, Hanslik’s bombastic writing style alienated many of his contemporaries, who remarked upon it in their reviews of his work[30]; his texts «klingen wie Reden, die zwischen schwärmerischer Euphorie und ag­itatorischer, pamphlethafter Deklamation wechseln» (Smola 139). To wit:

Der Österreicher muß sein Vaterland erobern. Nicht bloß mit Mör-sern, mit physischer Gewalt, er muß es auch noch im Geiste er­zwingen. Denn wenn er den Raum gerettet hat, dann gilt es, den Geist aus der Umzingelung zu befreien, in die ihn die so ganz anders geartete übrige Welt gebracht hat.

Österreich ist eine Insel und wer die heiligen schwarzgelben Pfähle überschreitet, der wisse, daß er aus den Ländern der Vergangenheit ringsum in ein Reich der Zukunft tritt; in einen künftigen großen Staat und in die Region eines Geistes, dem dereinst die ganze Welt gehören wird. […] Wie mancher hat schon gezweifelt, daß die wilden Wogen der Völker Österreichs sich je still vereinigen könnten. Aber das ist ja das Gesetz aller geschichtlichen Entwicklung. Ein mächtiger Zwang der Natur verwandelt sich wunderbar im Innern des Menschen in ein erha­benes Ziel und Ideal. So wird der Geist Österreichs aus dem Körper seiner Erde geboren. (Österreich. Erde und Geist 30-1)

The Austrocentricity of Hanslik’s anthropogeography is one of its most striking features: deep knowledge of Austria’s landscapes and cultural tradi­tions is presented as the key to deciphering all natural topography and world cultures[31]. Had it not been for the Western schism dividing the hard sciences from the humanities, he argues, the fact of Austria («de[r] österreichisch[e] Raum») as a «Natureinheit» (Österreich als Naturforderung 27) would be self-ev­ident[32]. As it stands, however, the important work of excavating the geo-cul­tural markers that will aid in re-establishing the lost harmony between «Erde» and «Geist» falls to Hanslik and his colleagues at the Institut für Kul­turforschung. (The production of maps was essential to their efforts in this undertaking; these were reproduced in great number in the Institute’s publi­cations and displayed prominently around the Institute itself [Dietrichstein 3].) By virtue of its geographical location at the frontier between East and West, Austria is posited as ideally placed to serve as the unifying entity be­tween both worlds («In Europa gibt es keine Mitte, sondern nur Westen und Osten. […] Uns ist es vorbehalten, Westen und Osten zu einigen, zu verbin­den» [Österreich als Naturforderung 28]): «Denn nichts gibt so sichere Gewähr für ein freies Fortschreiten der Zusammenarbeit von Ost und West in einem neuen größeren Österreich als das aus der Gesamtlage der Welt geborene neue Reich der Mitte» (29). Vienna, the beating heart of this new Austria, unsurprisingly featured prominently in Hanslik’s work:

Der österreichische Raum hat einen Mittelpunkt: Wien. Großes steht dieser Stadt bevor. Das Ineinandergreifen Europas, das sie zur einzi­gen Zentrale von West und Ost als Hauptstadt Österreichs machen wird, schwebt unsichtbar als Fatum über diesem Gemeinwesen. Wien wird zu einer Höhe der Bedeutung kommen, wie wenige andere Welt­hauptstädte. (Österreich. Erde und Geist 28)

The city, «Tor des Westens» (Österreich als Naturforderung 20), was to form the center of the emerging «Weltkulturgesellschaft» as envisioned by Hans­lik – a compensatory move in reaction to Vienna’s loss of stature following the dissolution of the monarchy: «Das von [Hanslik] gegründete Institut für Kulturforschung war ein Versuchsprojekt, mit dem die durch die Beendi­gung der Monarchie verlorene Vormachtstellung Wiens zurückerlangt wer­den sollte» (Platzer 24).

Hermann Broch’s Polemic against Hanslik: «Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur»

Hermann Broch was much less positively disposed to the city of his birth. In Hanslik’s insistence on the namedropping of prominent and pow-erful personalities in promoting the work of his Institute, Broch saw a con­firmation of the worst stereotypes associated with the former Habsburg capital’s denizens, among them superficiality of character and a clownish subservience to authority, and pointedly ridiculed it in «Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur»: «Hauptsache ist, – man ist ja schließlich doch in Wien – daß Namen genannt werden […] [E]s gibt wirklich Leute, die mit­arbeiten”, beispielsweise Hofrat Alfred Roller, dessen Hofratstitel niemals vergessen wird» (Hib [Broch] 437). As Lützeler notes, Broch’s admiration for the Austrian writer and editor Karl Kraus was bolstered by the Anti-Wienerismus inherent in Kraus’s work and which Broch shared: «Während Hofmannsthal sich in und mit Wien entwickelt hätte, habe Kraus “gegen Wien” mit “rastloser Angriffslust sein satirisches Werk vollbracht” (KW 9/1, 271)» («Broch als Kulturkritiker» 316). Broch’s antipathy towards Vi­enna finds further articulation in his ethical-aesthetic theory, especially in the context of ornament and «Epochen-Stil». In «Die Kunst und ihr Un-Stil am Ende des 19. Jahrhunderts» from Broch’s study «Hofmannsthal und seine Zeit», for example, Vienna is disparaged as the «Zentrum des europä­ischen Wert-Vakuums» (KW 9/1, 153) and as the «Metropole des Kitsches» (175). That Broch understood the disintegration of values, as he conceived it («Zerfall der Werte»), to be one of history’s greatest socio-cultural catas­trophes («die Selbstzerfleischung der Welt in Blut und Not» [KW 1, 734]), and saw in Kitsch no less than «das Böse im Wertsystem der Kunst», (KW 9/2, 119-57) leaves little doubt as to the intended weight behind these epi­thets.

Hanslik’s breathless veneration of Vienna serves merely as a side note for contextualizing Broch’s allergic reaction to Hanslik’s writings and the promotion of his Institute, however. Broch’s damning assessment and de­nunciation of the work of the «Kulturpfuscher» Hanslik[33] and his institute in Vienna in «Ein offiziöser Gschaftlhuber der Kultur» must be viewed pri­marily in light of the near-absolute antitheticality of Hanslik’s biologically and geographically deterministic ideas to elements of Broch’s own work in the areas of Geschichtsphilosophie and cultural criticism, first and foremost the explicit ethical grounding e.g. of his «Werttheorie» as articulated in his early philosophical writings[34]. Broch posits the concept of «Wertwirklichkeit» as an integral element of his criticism of positivism, by which «die empirische Wirklichkeit so zu nehmen [ist], als ob sie Resultat eines ethischen Wollens sei» (KW 10/2, 33). Implicit in Broch’s conceptualization of «Wertwirklich­keit», which he defines as «Ich-Setzung» (36), is the categorical differenti­ation between Ich and Non-Ich, with the two poles conditioned by «die Absolutierung des Ichs als wert-setzende Aktion auf der einen Seite, die Absolutierung des Non-Ichs als in sich geschlossene Wertwirklichkeit auf der anderen» (38). Broch cautions that such differentiations are not to be understood in ontological terms, but are rather always functions of histori­cal experience: «Jede Antinomie ist hoffnungslos, wenn sie ontisch-metaph­ysisch aufgefaßt wird. Auch hier handelt es sich nicht darum, die Wirklich­keit aus ihrer funktionellen Abhängigkeit vom aktiven, wert-setzenden Er­leben ontologisch abzulösen, wohl aber um die ideelle Ablösung innerhalb der reaktiven Kausalierung» (36). How this component of Broch’s Ges­chichtsphilosophie overlaps with his cultural criticism, and how the latter is grounded in the former, is laid out by Monika Ritzer:

Brochs Wertphilosophie ist […] von ihrer Aufgabenstellung her eine Kulturphilosophie. Denn in der südwestdeutschen Schule des Neu­kantianismus[35] geht es nicht um eine Theorie naturwissenschaftlicher Erkenntnis, sondern um die Kulturfaktoren im geistigen Weltverhält­nis des Menschen: um die Subjektivität einer jenseits von passiver Wahrnehmung wie intellektueller Sachlichkeit stehenden Erkenntnis und um die Objektivierbarkeit dieses Wirklichkeitsbezugs. (79)

Ritzer continues: «Es geht Broch um das Verständnis der geschichtlich gegebenen Kultur unter dem Aspekt des Wertes, der sie […] notwendig bedingt[.] […] Prinzipiell […] stellt der Wertbegriff eine Kulturkategorie dar» (97-8). Vollhardt similarly emphasizes this nexus of culture and ethics in summarizing Broch’s «wertbeziehende Methode» as it pertains to his un­derstanding of culture:

Versteht man unter Kultur das reale geschichtliche Leben, an dem wertbestimmter Sinn haftet, der es zur Kultur macht, dann erscheint es denkbar, diesen unwirklichen Sinn von seinen realen Trägern zu lösen und so – in umgekehrter Richtung – die geschichtliche Wirk­lichkeit mit Rücksicht auf die (Kultur-)Werte wertbeziehend zu interpre­tieren. (144)

It follows, given his theoretical framework, that Broch would be hyper­sensitive to anything presenting itself as Kulturwissenschaft that lacked a for­mal grounding in ethical considerations beyond the good intentions articu­lated in Hanslik’s «Weltaufrufe» and his desire to eradicate hate between peoples («Ein hohes Ziel! Aber ist derjenige, der guten Willens an ein Kran­kenbett tritt, schon sacrosankt? Ist der Kurpfuscher ein Arzt, wenn er die Sentenz Gesundheit ist das höchste Gut” im Munde führt?» [Hib (Broch) 434])[36].

That Hanslik had little use for questions of ethics in his theoretical mod­els has emerged in the brief outline of his deterministic positions above. That he claimed Wilhelm Dilthey as an intellectual forebear further in­flamed Broch’s ire. To be sure, Broch was no adherent of the positions articulated in Dilthey’s largely historicist work[37], which he viewed as reduc-tively positivistic[38] and overly psychologized (KW 10/2, 27)[39]. Broch dis­tances himself in his own writings on the history of philosophy from Dilthey’s methods from the outset, for example on the first page of «Zur Erkenntnis dieser Zeit»:

Die Frage “Wie begreift der historische Mensch seine Wirklichkeit?” sucht die historische Erkenntnis in eine bestimmte Richtung einzu-stellen. Aufgabe der Untersuchung wird es sein, die Berechtigung die­ser Einstellung zu erweisen. Vorwegnehmend sei bemerkt, daß sie mit der scheinbar nämlichen, welcher der Diltheyschen Historik zu Grunde liegt, nicht identifiziert werden darf. (KW 10/2, 11)

Where Broch did owe a debt to Dilthey’s thinking, however, was in his work on epistemology, specifically in relation to Kant, as Michael P. Stein­berg notes:

Dilthey’s idea of Verstehen as the epistemological foundation of the human sciences helped form, or rather reform, Broch’s own idea of Geist. The first source of Broch’s idea of Geist as opposed to ratio […] had been Schopenhauer, but it was through Dilthey’s thought that he modified it to fit his Kantian, object-directed and ethically motivated perspective. (Steinberg 13)

Further, Broch’s concept of «Epochenstil» Vollhardt argues, also relies on Dilthey[40], specifically concerning the question of the relationship between the mindset of the individual and the overarching «style» of his or her era: «Broch orientierte sich hier offensichtlich an jenen Entwürfen zu einer geschichtlichen Typenlehre[41], die die Dilthey-Schule entwickelt hatte» (Vollhardt 152). Broch’s estimation of Dilthey is thus ambivalent – while he was on the one hand clearly influenced by Dilthey, his characterization of the historian/philoso­pher/philologist is on the other that of a keen intellect who arrived at «Ein­sichten von höchster wissenschaftlicher Gültigkeit» (KW 10/1, 118) despite, rather than as a result of, his chosen scholarly approach.

For Hanslik, the appeal of Dilthey’s «Lebensphilosophie» similarly seems to have lain foremost in its structural orientation around «Typen»[42], which in Hanslik’s mind, and echoing his calls for interdisciplinary work on the subject, allowed for groundbreaking scientific investigation into the entirety of the human spirit. What differentiates his scholarly engagement with Dilthey from Broch’s is foremost its apparent lack of any critical scrutiny of Dilthey’s ideas, which Hanslik presents as the key (once they have been sufficiently understood) to unlocking the mysteries of human existence: «Es ist Diltheys Verdienst, die ganze Menschnatur der Kulturforschung als Grundlage gegeben zu haben» (Die neue Weltkultur-Gemeinschaft I 22). Re­calling his scholarly journey to identify a system that could serve as the foundation for his own work, Hanslik writes:

Es hat lange gedauert, bis der Verfasser sein neues Forschungsziel er­reichte. Der Weg durch die metaphysischen Systeme, die, losgelöst von dem festen Boden des Einzelwissens, mit dem speziellen Namen von Philosophie heute zumeist bezeichnet werden, war nicht zu umgehen. Endlich ergab es sich aber, daß es doch eine philosophische Richtung gab, die in allen in Betracht kommenden Fragen Hilfe und letzte Sicher­heit bot: das Gedankensystem Wilhelm Diltheys, der als Professor an der Berliner Universität kürzlich gestorben war. Der Zusammenschluß der beiden so ganz getrennt erwachsenen Forschungsergebnisse von Kulturgeographie und Kulturphilosophie führte zu dem überraschen­den Ergebnis, daß hüben und drüben von gänzlich verschiedenen Aus­gangspunkten aus die gleichen Auffassungen gewonnen worden waren. Nun erst war aber ein jahrelanges Arbeiten nötig, um die ganz verstreu­ten und ungemein schwer verständlichen Darstellungen Diltheys zu ei­nem geschlossenen Bilde seiner Anschauungen über den Geist des Menschen zu vereinigen. (Österreich. Erde und Geist 74)[43]

Broch’s ambivalence vis-à-vis Dilthey is on full display in «Gschaftlhu­ber», where he critiques the philosopher («mag man über diesen als Philo­sophen wie immer denken, mag überzeugt sein, daß sein System eigentlich kein System ist» [Hib (Broch) 438]) while simultaneously defending him – in an echo of his defense of Geschichtsphilosophie detailed above – against those, like Hanslik, who he felt misappropriated Dilthey’s work[44]:

[W]enn man […] hört, daß die «philosophische» Basis der Arbeiten des Institutes [für Kulturforschung in Wien, JJ] «das geisteswissen­schaftliche System des verstorbenen Berliner Professors Wilhelm Dil­theys» und nicht das Berlitz’s oder Leschitzkys [sic!] sei, wenn man von der famosen «Entdeckung» hört, «daß alle Kultur gebunden ist an bestimmte Träger, an die größten, sozialen Einheiten, deren Umriß und Gestalt bisher noch nicht in dieser Klarheit erfaßt worden ist», und wenn man bedenkt, daß solch ein Kohl Dilthey in die Schuhe geschoben werden soll, […] wird [man] sich verpflichtet fühlen, die Blattbrüder[45] von den Blättern dieses wirklichen Baumes deutscher Geschichtsschreibung abzuräumen.

(It should be noted that in «Zum Begriff der Geisteswissenschaften», Broch assigns at least partial blame for the proliferation of perceived illegiti­mate hangers-on and their degradation of the field of cultural studies to mere «Essayismus» to Dilthey himself: «[D]aß dieser Vorwurf die Diltheysche Me­thode, oder richtiger deren Voraussetzungen, immerhin mit Berechtigung trifft, kann an all dem Feuilletonismus ersehen werden, der, und manchmal nicht einmal grundlos, sich auf Dilthey zu berufen erlaubt» [KW 10/1, 129].)

It would not be a stretch to read Broch’s criticism of the unscientific, lebensschwärmerischer dilettante (i.e. Hanslik and his ilk) voiced in «Gschaftl-huber» and in «Theorie der Geschichtsschreibung und der Geschichtsphi­losophie» as a final reckoning with some of his own earlier positions, for example his vitalistic theories from a decade earlier such as the «Rhyth­musästhetik» (cf. Ritzer 32-7) he had conceptualized in «Kultur 1908» (KW 10/1, 11-27). Ritzer has shown that Broch’s understanding of «historische Erkenntnis» that emerges in «Zur Erkenntnis dieser Zeit» (1917-19) reveals how fundamentally his thinking had evolved by this time: It is «in der Auf­gabenstellung den Frühschriften vergleichbar, doch mit werttheoretischer statt vitaler Basis» (97).

Broch writes towards the end of «Gschaftlhuber» of the «Fiasko des Geistes, das durch Hanslick statuiert wäre, wenn überhaupt das, was er ex­pliziert, mit Geist identisch sein soll. Gerade dies aber ist die Gefahr. Immer war es das Prärogativ der Schwätzer, vom Geiste und von der Kultur zu reden, ohne zu wissen, was darunter zu verstehen ist» (438). It is precisely this type of «Schwätzer», here clearly (and mercilessly) identified, that Broch would go on to denounce a year later – without naming names – in «Theorie der Geschichtsschreibung und der Geschichtsphilosophie». In attacking Hanslik’s work, with its inconsistencies and overblown claims, for what he viewed as a fraudulent lack of scientific integrity, and in satirizing the deter­ministically reductive, overly simplistic solutions Hanslik proposed for complex cultural-philosophical problems, Broch produced in «Gschaftlhu­ber» a companion piece to «Zum Begriff der Geisteswissenschaften» and a Vorarbeit to «Theorie der Geschichtsschreibung und der Geschichtsphilos­ophie» that will not only serve to provide further depth and nuance to our current understanding of this early phase of Broch’s critical oeuvre, but also offers more broadly a unique view onto the contemporary debates playing out in the fields of anthropology, cultural studies, history, and philosophy during the first decades of the twentieth century.

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[1] I would like to thank Eva Zimmermann and Christa Bader-Reim at the Öster­reichische Nationalbibliothek (Austrian National Library) in Vienna for their archival as­sistance with this project, as well as Christoph Weber for his careful reading and his insights during my work on this article.

[2] Cf. «Zum Begriff der Geisteswissenschaften» (Kommentierte Werkausgabe [KW] 10/1, 115-30), written 1917, first published in Summa 2/3 (1918), not «1/3 (1917)» as cited in KW 10/2, pg. 305 and in Kessler/Lützeler, Hermann-Broch-Handbuch, pg. 629; «Zur Erkenntnis dieser Zeit» (KW 10/2, 11-80), written 1917-19 (of the four sections that com­prise this work, only «Konstruktion der historischen Wirklichkeit» was published during Broch’s lifetime, in Summa 2/4 [1918]); «Theorie der Geschichtsschreibung und der Ges­chichtsphilosophie» (KW 10/2, 94-155), written 1919-20, conceived as a book but never finished (cf. Lützeler, Die Entropie des Menschen 136, 138), first published posthumously in the Kommentierte Werkausgabe in 1977.

[3] Decades later, soon after the end of the Second World War and during one of his increasingly frequent bouts of authorial self-doubt in exile, Broch would turn the epithet «Geschwätzigkeit» on himself and his art: «Der [Tod des Vergil] ist glücklicherweise ver­gessen. […] Das Ästhetische ist einfach unmoralisch geworden, weil es nicht mehr existent ist. Wenn je die Musen zu schweigen hätten, so in dieser Grauensepoche; was sie noch äußern, ist schiere Geschwätzigkeit» (KW 13/3, 35).

[4] Broch adds the caveat: «Ob diese Probleme wirklich geschichtsphilosophische sind, oder, was uns wichtiger sein wird, ob sie überhaupt philosophische Probleme genannt wer­den dürfen, kann sich für uns selbstverständlich auch erst im Verlaufe unserer Arbeit er­geben» (KW 10/2, 94-5). He later concludes: «Wir sind […] überzeugt, daß der […] ge­schichtsphilosophische Bestand, wie er sich in den Begriffen der “historischen Allgemein­heit” oder des “historischen Gesetzes” usf. zeigt, alles andere denn Geschichtsphilosophie ist, und daß die Frage nach der Zugehörigkeit dieses Fragekomplexes, sei es ins Gebiet der Empirie, sei es in das einer als Philosophie verkleideten Soziologie, mit eigentlicher Philo­sophie überhaupt nichts zu tun hat» (KW 10/2, 104).

[5] Friedrich Vollhardt’s Hermann Brochs geschichtliche Stellung: Studien zum philosophischen Frühwerk und zur Romantrilogie Die Schlafwandler (1914-1932) (Tübingen: Niemeyer, 1986) and Monika Ritzer’s Hermann Broch und die Kulturkrise des frühen 20. Jahrhunderts (Stuttgart: Metzler, 1988).

[6] Broch’s «philosophisch[e] und erkenntnistheoretisch[e] Entwürf[e] [lassen] zwar den Umriß eines (formalen) wert- und geschichtsphilosophischen Systems erkennen […], [sind] selbst aber Fragment geblieben» (Vollhardt 3).

[7] «Brochs Exkursionen in die Wissenschaftsgeschichte entbehren der klaren Artikula­tion» (Ritzer 102); his early philosophical works are characterized by «oft mißverständ­lich[e] Aufzeichnungen» (Vollhardt 8), for example (in regards to Broch’s treatise «Kon­struktion der historischen Wirklichkeit»), «[e]s ist nicht die Fülle des Materials, die dem Leser Schwierigkeiten bereitet, sondern die ambitionierte philosophische Sprache, die den kurzen Aufsatz mit einer oft nur leeren idealistischen Terminologie überlastet und den Gedankengang an vielen Stellen kaum auflösbar verschlüsselt» (Vollhardt 49).

[8] For a detailed accounting for Broch’s use of the cryptonym «K. L. Hib» see Jennifer Jenkins, «Hermann Brochs “Ungedrucktes aus dem Duxer Casanova-Archiv” (1918): No­tizen zu einem unbekannten Frühwerk», Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 91:3 (Sept. 2017) 297-310.

[9] Broch’s early mentor Franz Blei published in Die Wage in later issues that same year («Die Tänzerin», Nr. 28, p. 458; «Revolutionäre», Nr. 32, p. 518; «Der gute Wunsch», Nr. 43, p. 706; none of which are included in Walravens’s «Schriftenverzeichnis Franz Blei» [101-4], which erroneously attributes two Broch texts to Blei [«Eine methodologische No­velle» and «Heinrich vom [sic!] Stein»] [101]), as did one of Broch’s oldest friends, Paul Schrecker («Privilegierte Sozialisten», Nr. 49, p. 814).

[10] The other three: «Morgenstern», Summa 1/2 (1917) (as «Hermann B».), «Heinrich von Stein», Summa 2/3 (1918) (as «H. J. B».), and «Über die Möglichkeit des modernen Porträts», Der Friede 1:19 (May 31, 1918) (as «K. L. Hib»).

[11] Cf. Kimberly A. Smith, Between Ruin and Renewal: Egon Schiele’s Landscapes. New Haven: Yale UP, 2004, 122-37, and Franz Smola, «Vom “Menschenbewusstsein” zum neuen Men­schenbild – Egon Schiele und der Anthropogeograph Erwin Hanslik», Die ästhetische Gnosis der Moderne. Ed. Leander Kaiser and Michael Ley. Vienna: Passagen, 2008, 123-46.

[12] See Jane Kallir, Egon Schiele: The Complete Works. London: Thames and Hudson, 1998, 677.

[13] E.g. by Erich Zöllner (114) and Franz Smola. Hanslik «wurde am 12. Februar 1880 als Sohn eines Fabrikarbeiters und einer Wäscherin in Bielitz/Biala im österreichischen Kron­land Galizien geboren. Er war römisch-katholisch und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. […] Hanslik schaffte den Sprung aus der Provinzstadt in die Hauptstadt der Monarchie, wo er eine fundierte Ausbildung erwarb. Er studierte an der Universität Wien bei den Professo­ren Eduard Sueß und Albrecht Penck. Bereits 1903 verfasste er seine erste Publikation. 1911 habilitierte sich Hanslik in Wien als Privatdozent für Anthropogeographie, erhielt jedoch keine Professur an der Universität. Bis etwa 1921 erschienen rund zwanzig Bücher und Auf­sätze zu Themen aus Geografie, Soziologie, Anthropologie, Politik und anderen verwandten Disziplinen. Den Lebensunterhalt bestritt er aus seinem Einkommen als Professor an der Staatsrealschule im neunten Wiener Gemeindebezirk» (Smola 123).

[14] That not even former colleagues and friends, such as the German art historian Karl With, knew of the reality of Hanslik’s fate speaks to the lengths gone to by the National Socialist regime to keep the euthanasia program secret. With remarked in his memoirs, written between 1969 and 1974: «Rumor has it that Hanslik died in a mental asylum» (94).

[15] An institute by the same name, modeled on its Viennese predecessor, was founded in Berlin in 1919 by Hans Cürlis (1889-1982) following Cürlis’s attendance at a screening of two short animated cartographic films presented by Hanslik in Berlin in July of that year (Döge 16-17).

[16] Looking back in 1935, Bauer writes: «Bis zum Spätherbst 1918 habe ich mit Dr. Erwin Hanslik und Dr. Edmund Küttler zusammen gearbeitet und habe dieses Institut fast ausschließlich aus eigenen Mitteln erhalten» («Europa, ein lebendiger Organis­mus» 15). Bauer goes on to state that the work of the Institute had ceased for all intents and purposes following the end of Habsburg rule in late autumn of 1918: «[Das Institut] fiel nach dem Umsturz auseinander, die Mitglieder verstreuten sich». However, the Wiener Zeitung reported a donation of two million crowns to the Institute in 1922 by the German-American banker and philanthropist Otto Hermann Kahn («Spenden» 5); the Institute and its umbrella organization, the Weltkulturgesellschaft, seem to have remained active and cul­turally influential through at least 1923, not least through efforts to prevent the sale of Vienna’s art treasures abroad – including the imperial tapestry collection, «one of the most important of its kind, surpassed only by that of the Spanish crown», (Kunsthistorisches Museum Wien) and now housed in the Kunstkammer Wien. The sale had been planned as a measure to prop up the city’s failing economy but was finally prevented, for which the Weltkulturgesellschaft took some credit: At its business meeting on June 27, 1923 in Vienna, «Präsident [Hugo] Jellinek erstattete den Tätigkeitsbericht und hob hervor, daß die Welt­kulturgesellschaft beim Sekretariat des Völkerbundes in Genf und beim Ministerium des Aeußern gegen die damals geplante Verpfändung der Kunstschätze wirkungsvoll Stellung genommen hatte» («Weltkulturgesellschaft in Wien» 16). (The appeal addressed to the Völ­kerbund in Geneva, translated from the original English and reprinted in the Neues Wiener Journal on Dec. 9, 1920, reads: «Der Plan, die Kunstschätze Wiens zu verpfänden, würde, falls ausgeführt, jede Hoffnung untergraben, den kulturellen und damit den wirtschaftli­chen Wiederaufbau dieser furchtbar heimgesuchten Stadt je zu verwirklichen. In dieser verzweifelten Lage bitten die Unterfertigten den Völkerbund, zu prüfen, ob es nicht ratsam wäre, sofort einzugreifen, um hintanzuhalten, daß jener verwerfliche Weg beschritten wird, um eine andere passende Lösung zu finden und den kompetenten Stellen zu empfehlen. Der Vorstand der Weltkulturgesellschaft, gezeichnet Jellinek, Hanslik» [7].) At the same meeting, Hanslik and Küttler were elected to serve as provosts of a planned but ultimately unrealized «Weltuniversität».

[17] Grazer Mittagszeitung 28 Dec. 1917: 2; Der Anbruch 15 Jan. 1918: 1.

[18] Mährisches Tagblatt [Olmütz] 10 Jan. 1918: 4.

[19] «Mußte erst der Weltkrieg kommen, um solche Tatsachen der Gesellschaftskunde Europas an den Tag zu bringen? In der Tat! […] Heute erfährt Europa im Weltkrieg eine solche Fülle von Überraschungen hinsichtlich der Geistesart seiner Völker, daß die Emp­findung durchdringt, es sei notwendig, nach dem Kriege die bisherigen Völkerforschungs­verfahren gründlich zu verbessern und zu ergänzen. Der Weltkrieg hat das geistige und gesellschaftskundliche Relief Europas blitzartig erleuchtet, ein Bild, das alle bisherige geo­graphische, ethnographische, geschichtliche, philologische Forschungsarbeit nicht begreif­lich darstellen konnte» («Die Nationen des östlichen Kriegsschauplatzes» 126-7).

[20] «“Interdisziplinarität” gehört zu den Begriffen, die seit den frühen sechziger Jahren unseres Jahrhunderts in der Wissenschaftsdiskussion eine wichtige Rolle spielen» (Voß­kamp 445).

[21] Also: «Die Arbeiten über diese Fragen erfordern […] einen systematischen, wissen­schaftlichen Arbeitsapparat. Nicht der Historiker allein vermag mit solchen Problemen fertig zu werden. Vielmehr müssen Geographen, Ethnographen, Historiker und Psycho­logen, Staats-, Wirtschafts- und Kunstforscher zusammenarbeiten, damit Fortschritte in der Erkenntnis erzielt werden» (Wesen der Menschheit 184).

[22] In an early article on secondary education in Austria, Hanslik refers to Lamprecht as «de[r] größt[e] Vertreter der Geschichte der Gegenwart» («Gedanken» 23). Broch was less impressed with Lamprecht’s scholarly achievements: «Was unter der historischen Allge­meinheit zu verstehen ist, ist ja, trotz Lamprecht, keineswegs klar» (KW 10/2, 96).

[23] On the effects of latitude on character and intellect, Hanslik writes: «Der erhöhte Widerstand, den die nördliche Natur dem Menschen stellt, reduziert sein Freudemaß, das freie Spiel der Phantasie und das leicht erregbare Gemüt. Er fördert die einseitige Entwick­lung von Willen und Verstand, mit denen der Norddeutsche härtere Aufgaben zu lösen fähig wird als der Süddeutsche» (Hanslik and Farny 240-1).

[24] In a similar vein, Hanslik argues that it is only through their geographical proximity to Germanic peoples that Magyars, Rumanians, and Slavs are able to attain full humanity: «Der Deutsche in Österreich schöpft nur aus der innigsten Gemeinschaft mit dem erdna­hen Osten seine höchste Kraft. Der Tscheche, Pole, Magyare, Ukrainer, Serbe und Ru­mäne wird erst durch den Deutschen zum Menschen» (Wesen der Menschheit 171).

[25] While Hanslik insists that «[d]er Kulturmensch hat keinen Grund auf den Urmen­schen herabzusehen» (Die Menschheit in 30 Weltbildern 11. Weltbild), his refusal to acknowledge the lifeways of those he deems to be «Urmenschen» as expressions of culture and denying them the status of full humanity cannot be described in any other way.

[26] That some of Hanslik’s early work demonstrates an anti-Semitic leaning has been noted by Norman Henniges (1322). In 1907, Hanslik wrote of the «Vernichtungsprozess» degrading the cultural life of ethnically German cities in Poland as a result of Jewish settle­ment, e.g. in Oświęcim and surrounding areas. Jewish immigration to this region «[hat] die letzten Spuren alter hoher städtischer Kultur vernichtet[.] […] Am deutlichsten springt die jüdische Besitzergreifung ehemals deutscher Städte bei Auschwitz in die Augen. Von 6841 Bewohnern sind 3779 Juden, die sich bis auf einige wenige als Polen bekennen. Sie beherrschen die Stadt völlig und verleihen ihr jenen unbeschreiblichen Charakter tiefste­hender verzerrter Kultur, den die meisten jüdisch-polnischen Städte an sich tragen» (Kul­turgrenze und Kulturzyklus 72).

[27] In a 1917 interview, when asked whether he believed women should be given the right to vote (which became a reality in Austria a year later with the proclamation of the First Republic in 1918), Hanslik responded, «Selbstverständlich […] [D]urchschnittlich sind die Frauen genau so reif hiezu wie die Männer. Die Frau ist in allen Belangen gleich­wertig und gleichberechtigt. Zum erstenmal habe ich die Frau in meinem Buche “Öster­reich[, Erde und Geist]” und in dem jetzt im Entstehen begriffenen Werk “[Wesen der] Menschheit” als selbständigen Träger der Kultur dargestellt. Ich wurde heftig angegriffen!» (N. 14).

[28] E.g.: «In diesem erlösten Augenblick findet das eingesargt gewesene Wort “Mensch­heit wieder zum Licht. Eine Stimme ruft es, weckend, werdend, offenbarend. Die Stimme von vielen Stimmen. Das endende Jahr bringt Verkündigung in einem Buch. (“Mensch­heit”, von Professor Dr. Erwin Hanslik, Vorstand des Instituts für Kulturforschung.) Mehr als ein Buch nur, gedacht von eines Einzelnen Geist, bedeutet dieses Werk. Es ist der Niederschlag von Bekenntnis, Gesinnung, von Religion einer neuen Gemeinsamkeit, die, von Erwin Hanslik aufgerufen, schon im Frühjahr 1915, während Blutrausch die Stimme aller trunken machte, eine Stätte der Künftigkeit aufzubauen begann» («Menschheit» 4).

[29] E.g.: «Hanslik kommt u. a. zu dem politisch für Habsburg recht erfreulichen Ergeb­nis eines “Donaublocks”, der, abgesehen vom Donaugebiet selbst, die Balkanhalbinsel ohne Griechenland, sowie Schlesien, Posen, Westpreußen und Kongreßpolen, also das Stromgebiet der Weichsel, umfaßt!» (Cleinow 148); also: «Wenn Hanslik seine Ansicht über Mitteleuropa jetzt in die Worte kleidet: “Es gibt kein ‘Mitteleuropa’ als natürliche und kul­turelle Wirklichkeit. Bei Triest, Wien, Brunn, Prag, Oderberg, Breslau, Posen und Königs­berg hört der Westen auf, setzt der Osten ohne jeden Übergang ein”, so muß diese scharfe Zuspitzung vom Standpunkte der physischen Geographie entschieden abgelehnt werden, denn weder die horizontale, noch die vertikale Gliederung, noch Klima und Pflanzenwelt geben ein Anrecht dazu und niemand wird im Landschaftsbild diese Linie finden. Eine Grenz l i n i e, die so scharf zu scheiden vermöchte, ist überhaupt eine geographische Unmöglichkeit» (Hassinger 464-5).

[30] Cf. e.g. Anon., «Ein bedenklicher Staatsroman», Pester Lloyd Abendblatt Jan. 8 1917: 2-3; Hans Liebstoeckl, «Wiener Brief», Pester Lloyd 12 May 1917: 1; Benno Imendörffer, «Weltkultur?» Ostdeutsche Rundschau 14 Mar. 1918: 4; Verax [pseudonym], «Dokumente der Zeit», Kikeriki 17 Mar. 1918: 3; Hermann Haack und Albert Müller, «Geographische Nach­richten», Geographischer Anzeiger 19: 9/10 (1918): 212; etc.

[31] «Die richtige Erfassung der österreichischen Erdnatur und vor allem des Bildes und der Gesetze des österreichischen Geistes führt zu einer tieferen Anschauung über alles Natursein und menschliche Schaffen. Erd- und Weltgeschichte erscheinen nicht mehr als unverständliches Chaos, sondern als die Wunder harmonischer Entfaltung der Vielfalt des Geistes aus den wechselnden Verhältnissen der belebten und unbelebten Natur» (Österreich als Naturforderung 7).

[32] «Österreich ist ein Opfer der Spezialisierung der Wissen­schaft und der Vernachlässigung des Studiums der universa­len Zusammenhänge geworden» (27); also: «Mögen auch alle Tatsachen der Natur, Ethnographie, Weltgeschichte, Statistik und der Kultur dagegen sprechen, der Wes­ten hat alles Land bis zum Schwarzen Meere annektiert, es gehört ihm, ist ein Stück seiner Sphäre. Daran zu rütteln, heißt so viel, als an die Grundfesten der westlichen Erd- und Weltanschauung Hand anlegen. Geographie und Geschichte, Ethnographie, Statistik und Kulturauffassung Europas kommen durch diese Annexion und Aufteilung Ös­terreichs, durch die allzuwestliche Wissenschaft in Verwirrung» (29).

[33] Broch incorrectly renders Hanslik’s name throughout his polemic as «Hanslick».

[34] Broch’s theory of values would later take literary shape in the third novel of the Schlafwandler trilogy, Huguenau oder die Sachlichkeit (1932), most explicitly in the «Zerfall der Werte» excursus.

[35] Ritzer (79 passim) and Vollhardt (5 passim) trace in detail the German Neo-Kantian Heinrich Rickert’s (1863-1936) formative influence on Broch’s philosophy.

[36] Broch would later go on to formulate his own appeals for Völkerverständigung while in exile in the United States, e.g. in his «Völkerbund» work (KW 11, 195ff), his proposal for an «International University» (KW 11, 414-27), and his contributions to the «City of Man» project (e.g. KW 11, 81-90).

[37] One of Broch’s criticisms of Dilthey was the latter’s overlooking of the ethical di­mension, e.g. of Broch’s postulated Wertwirklichkeit, in his historical models: «Wenn […] bei Dilthey diese Erkenntnis nahezu ausschließlich aus der, wie wir sie nannten, reaktiven Funktion des “Begreifens” jener Wirklichkeit sich ergeben soll, wenn also dieses Begreifen – in der Metaphysik des jeweiligen Zeitalters manifestiert – als adäquate Wiedergabe seines Erlebnisinhaltes angesehen wird, so ist diese Stellungnahme nur möglich, wenn in ihr die Antinomie zwischen Wirklichkeit und Wertwirklichkeit übersehen und die beiden Begriffe im vorhinein und ohne weiteres als identisch genommen werden» (KW 10/2, 26-7).

[38] In his overview of the evolution of conceptual frameworks for the study of history, Broch writes: «Das positivistische Gebot der reinen Beschreibung wurde bekanntlich von der modernen Geschichtsmethodologie mit besonderem Eifer aufgegriffen: Dilthey glaubte in dem Unterschiede zwischen “Beschreiben” und “Erklären” das wesentliche Merkmal zur Abgrenzung der geisteswissenschaftlich-historischen Methode gegenüber der der Naturwissenschaften herausgreifen zu können» (KW 10/2, 16). However, Broch con­cludes, «die positivistische Betrachtung der Dinge ist weder beschreibend noch erklärend. Sie ist augenscheinlich etwas unkomplettes, irgendeine unausgebrütete Frühgeburt des Er­kennens» (19). Broch equates positivism with materialism and disparages it as «das langweiligste philosophische System» (KW 10/1, 116), but nevertheless viewed Dilthey as a «genius» of historiography whose faculty of intuition sufficiently compensated for the shortcomings of his positivist approach (cf. «Zum Begriff der Geisteswissenschaften», KW 10/1, 115-30).

[39] Anna Kiel elaborates Broch’s criticism of this point: «Dilthey, dessen Ausgangspunkt die Möglichkeit eines vollkommenen gegenseitigen Verständnisses in der menschlichen Begegnung zwischen “Ich” und “Du” war, schloß aus dieser psychologischen Vorausset­zung auf die Möglichkeit einer adäquaten Erfassung der geschichtlichen Wirklichkeit, weil diese ein Erzeugnis der Menschen sei. Broch übt die berechtigte Kritik, daß damit die Aus­wahl eines bestimmten Ausschnitts der empirischen Welt, den der jeweilige, historisch be­dingte Forscher intuitiv als für ihn wertvoll empfand, ausgeschlossen wird» (Kiel 47). In Broch’s own words, Dilthey’s historiographical method lacks the ultimate philosophical grounding that would have been achieved through transcending the psychological and pe­netrating into the ethical realm: «Damit erscheint die Aufgabe desjenigen, der eine Zeit aus ihrer Wirklichkeit heraus verstehen will, präzisiert: er muß das Ethos zu verstehen trachten, aus dem heraus diese Wirklichkeit gesetzt und logisch plausibel werden konnte. Diese Auf­gabe, in der Richtung mit der Diltheys übereinstimmend, geht dem Umfang nach über diese hinaus; das Psychologische erweitert sich zum Ethisch-Logischen und erhält in ihm letzte Fundierung» (KW 10/2, 46).

[40] On this point see also Lützeler, Biographie 67-8.

[41] Cf. e.g. «Zur Erkenntnis dieser Zeit» (KW 10/2), 73 and Wilhelm Dilthey, «Die Typen der Weltanschauung und ihre Ausbildung in den metaphysischen Systemen». Weltanschauung. Philosophie und Religion. Ed. Max Frischeisen-Köhler. Berlin: Reichl & Co., 1911. 1-51.

[42] «Immer bildet den Ausgangspunkt der ganze Mensch oder das ganze Volk. Dieses gilt es durch das Verstehen zu erfassen. Die Verschiedenheiten werden in der Weise fest­gelegt, daß man Typen unterscheidet» (Hanslik, Österreich. Erde und Geist 75). Vollhardt no­tes the popularity of the Typenlehre outside the bounds of the academic humanities («Als Methode einer universalen, “ganzheitlichen” Betrachtung der Geschichte wirkte die Ty­penlehre weit über die Grenzen der geisteswissenschaftlichen Fächer hinaus auf die popu­läre Kulturphilosophie», [152]), which correlates with Broch’s bemoaning of the «accessi­bility» of topics ascribed to Geschichtsphilosophie as described above.

[43] Hanslik’s fascination with Dilthey carried over into his teaching, as is evident from the title of a course he offered during the summer semester of 1914 at the University of Vienna: «Erd- und gesellschaftskundliche Übungen: Das Problem der Beziehungen zwi­schen Erde und Seele (auf Grundlage der Philosophie Wilhelm Diltheys)» (Öffentliche Vor­lesungen 50).

[44] Broch was not alone among his contemporaries in critiquing Hanslik’s repeated in­vocations of Dilthey – in his monograph Der Streit um Spengler (1922), Manfred Schroeter writes: «Hanslik […] nimmt Diltheys Forschungen […] bewußt als wesentlichsten Punkt in sein Programm, um sie dort merkwürdig mit seinem andern Pol – der geographischen Kulturforschung zu verbinden» (80).

[45] Broch is parodying Hanslik’s use of the term «Blattbrüder» here: «Du [der Leser der Erde, JJ] bist nur ein Blatt am Baume der Menschheit und hast 1600 Millionen Blattbrüder» («Lieber Leser!» 8).

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Rebecca Schönsee

(Wien)

Strahlende Geiselhaft. Jelineks Lärmblendung «Kein Licht»

[Splendid Captivity. Jelinek’s Noise Blinding «No Light»]

abstract. In tracing the function of sound in Elfriede Jelinek’s multi-lingual «Kein Licht» (2011) the article argues that she uses the concept of entropy – the tendency of closed systems to move towards disorder – to depict critically the events of the Fukushima nuclear disaster. Within the realm of death by radiation a polyphony of voices and intertextual references reaching from Sophocles to Thomas Pynchon produce a “blinding by noise”  through which the text turns into an «opera aperta» evoking Umberto Eco’s aesthetic con­cept and the central role assigned to entropy.

I. Introduktion

«Geiseln werden über ihre Lage gern im unklaren gelassen: man verbin­det ihnen die Augen»[1], so Enzensberger über die “Geiselhaft”, die seine Gedichte über deren Leser verhängen. Er vergleicht die Funktion des Poe­tischen mit der Radioaktivität und ihren Wirkungen, die unsichtbar und un­greifbar seine Sprache erfassen und zugleich der reellen Gefahr der Strah­lungen im poetischen Raum «etwas Zähes» entgegenzusetzen haben[2]. So verkehrt sich diese literarische «Geiselhaft» in eine Öffnung: Das Unklare wird im lichtlosen Raum innerer Imagination zur semiologischen Informa-tion. Das Werk öffnet sich zum «offenen Kunstwerk»[3], das sich dem Realen einschreibt. So kann das Gedicht den Auflösungsprozessen der Gegenwart, ihren entropischen Prozessen, sprachliche Enklaven des Poetischen entge­gensetzen, bzw. sich in sie einschreiben.

Jelineks Stück Kein Licht (2011) entwickelt eine ähnliche Poetik[4]. Im An­gesicht der Katastrophe von Fukushima, die sich in der Folge des Tsunamis von 2011 ereignete, entspinnt sich der Polylog zweier Geigen (oder Orches­termusiker) schlicht mit «A» und «B» benannt[5]. Beide kämpfen mit einer Thematik des Unhörbaren: Der Text setzt ein mit der Frage: «A: He, ich höre deine Stimme kaum, kannst du da nicht was machen?» (KL) Dies ist zugleich als Apostrophe zu verstehen, nämlich in das Stück einzustimmen, mit der eigenen politischen Stimme einzusetzen und ihr Gehör zu verschaf­fen. Jelinek verdoppelt damit auf sprachlicher Ebene die Entropie des Ge­samtgeschehens: Der äußere Prozess der Zersetzung (Naturgeschehen, Re­aktorunglück, wirtschaftliches Profitstreben) verläuft parallel zu dem inne­ren Spaltungsprozess der Stimmen A und B. Eine Vielzahl von Wortspielen mit Homonymien, Assonanzen und Minimalpaaren fungiert als innere Ver-kettung. Die Verkettung äußerer Destruktion und innerer literarischer Kon­struktion bilden ein “thermales Gleichgewicht”.

Der Begriff der Entropie ist in seiner Verwendung im Kontext ästheti­scher Theorien deutungsoffen. Physikalisch betrachtet handelt es sich ver­einfacht ausgedrückt um eine thermodynamische Zustandsgröße, die die sich wandelnde “Anordnung” von Teilchen in einem System beschreibt und meist als Maß der Unordnung beschrieben wird. Fast inflationär taucht der Begriff in der Bildenden Kunst im Amerika der 1960er und 1970er Jahre auf[6], lässt sich jedoch bis in die Jahrhundertwende zurückverfolgen. Nach dem zweiten Weltkrieg sollte die Übernahme des Konzepts in die Informa­tionstheorie durch Claude Shannon und Norbert Wiener besonders für das Feld der Kommunikation prägend werden. Überall dort, wo Zersetzungs- und Zerfallsphänomene begrifflich eingefangen werden sollen, die durch die Absenz des Subjekts, bzw. die Pluralisierung des Selbst einer Formlo­sigkeit zustreben, wird Entropie zum Thema und zur dominierenden Me­tapher[7].

In frühen Überlegungen in der Geschichte des Entropiebegriffs wird diese Größe positiv in den Zusammenhang mit Radioaktivität gestellt; so erhofft sich Volker (d.i. Erich Gutkind) einen «seraphischen Weltenbrand» als Vorboten einer «siderischen Geburt»: «der Zusammenbruch der Natur wird für uns arbeiten, das ist neben der bisherigen Energie-Technik der Sinn der Entropie-Technik»[8]. Ernst Bloch beschäftigt sich ebenfalls mit der The-matik, wenngleich in seiner Narration der seraphische Weltenbrand dem nahenden apokalyptischen Sturm weichen muss[9].

Enzensberger erkennt die «Entstehung eines Gedichts» als «politische Geburt»[10]. Auch bei ihm findet sich die Hoffnung auf eine versteckte Um­wertung der Ionen durch Sprache: «Das Etwas, von dem er spricht, trieft über Partei- und Ländergrenzen ebenso wie die radioaktiven Isotope in der Luft»[11].

Der Begriff der Entropie wird angewandt, um die Möglichkeit, seiner widersprüchlichen Codierung künstlerisch zu nutzen: Zerstörungsprozesse, die auf Nivellierungen hinauslaufen, werden zu einer “schöpferischen Zer­störung” umdeutbar[12], aus der heraus sich “Neues” aufbauen kann, ohne das kritische Potenzial dieser doppelten Codierung zu verlieren. Gegenläu­fig zu ihrer Kritik an der Fukushima-Katastrophe werden auch bei Jelinek die kleinsten Sprachpartikel (Morpheme) zu Trägern einer positiv besetzten Radioaktivität der Sprache; sie generiert ein unsichtbares Strahlen der gram­matischen Möglichkeiten zu ihrer Reduktion zu Signalen und Zeichen als Ton.

Jelineks Beschäftigung mit dem Begriff der Entropie entspringt auch ih­rer intensiven Auseinandersetzung mit den Texten von Thomas Pynchon. Auf seine Kurzgeschichte Entropy von 1960 werde ich noch später in diesem Zusammenhang eingehen[13]. In ihrem Nachwort zur deutschen Übertra­gung von Pynchons Roman V (1963/1977) gibt Jelinek eine ausführliche Beschreibung ihres Verständnisses von Entropie und des darin vermittelten eschatologischen Weltbildes, das die Apokalypse als Wärmetod und Gleich­gewicht der Moleküle immer schon einschließt:

Entropie lässt sich als die nicht umkehrbare Tendenz eines jeden Sys-tems definieren, zunehmend an Ordnung zu verlieren, um schließlich den Status der allerletzten, unveränderbaren Trägheit zu erlangen. Da­raus lässt sich leicht ableiten, daß das Verhalten der Dinge dazu ten­diert, in zunehmendem Maße vergeblich zu werden.[14]

Es entstünde der «Zugzwang auf einen unstrukturierten Status des Gleichgewichts der Kräfte zu, das Ende wäre etwas wie der Wärmetod, alle Moleküle hätten die absolut gleiche Temperatur, hätten sich gegenseitig zu dieser gleichen Temperatur hochgeschaukelt»[15]. In einer solchen Situation setzt Kein Licht ein. Der Text wird zu einer Art Proberaum für Sprache nach dem Inferno im Strahlentod.

Im Folgenden möchte ich zeigen, wie Jelinek die “entropische Funk­tion” der Katastrophe nutzt, um in einer Pendelbewegung die “Rückfüh­rung der Tragödie in den Geist der Musik” nachzuvollziehen im «unglück­lichen Bewusstsein» der Möglichkeit einer Rückgeburt in die Welt der Über­töne. Jelinek verschränkt die Musikmetapher mit der der Entropie.

B: Wenn Musik Zeit ist, dann ist jetzt Halbzeit, nur sagt sie uns keiner an, sie steht auf keiner Tafel, und keiner schickt uns vom Feld, nein, die Halbwertszeit (sic!) steht da nicht angeschrieben, doch wir hören ja nicht einmal die halben Töne, nicht zu verwechseln mit den Halb­tönen!, die wir erzeugen. (KL)

Sie koppelt dabei die Unhörbarkeit der Töne im «diffusen Lärm» (KL) an die Problematik des Urteilens und Unterscheidens.

A: […] also, wer hört überhaupt etwas, das nicht bloß diffuser Lärm ist? Du bist es nicht, ich bin es auch nicht. Dann spielen wir beide vielleicht gar nicht. Kann sein. Wozu arbeiten wir dann überhaupt? Was ist es, das wir nicht als Töne hören, sondern als etwas anderes? (KL)[16]

In einer im Text diagnostizierten Gegenwart ökonomisch gesteuerter Urteile[17] macht sich Kein Licht auf die Suche nach der Möglichkeit (ästheti­scher) Urteilsfähigkeit. Am Ende steht der Aufruf: «Ein Urteil bitte. Ihr Ur­teil bitte» (KL). Während die jeweilige durch das Unglück ausgelöste Zer­störung reell eine Vielzahl von Stimmen (der Opfer) ausschaltet, verschaf­fen sich bei Jelinek die «Abgeschalteten» Gehör, indem auf ihre Verdrän­gung verwiesen wird:

A: Automatisch abgeschaltet? Aber das heißt ja nicht, daß alles still ist. Die Kräfte, die nicht verschwinden können, weil nie etwas verschwin­det, schreien noch im Magen des Ungeheuers wie Zikaden, noch lang nachdem sie schon gefressen sind, in den Mägen von Katzen. (KL)

Es entsteht das Paradoxon, dass A und B in der Betonung der Unhörbar­keit ihrer Töne, beständig sprechen: Die Bühne kann das «Geisterhafte» der «Übergangenen»[18] sichtbar machen: «Als würde ein Geist unsere Heizungen antreiben. Als würde ein Geist unsere Geräte einschalten. Als würde ein Geist Befehle geben, aber niemand mehr da, sie zu befolgen. Als wären wir selber Geister» (KL/A).

Ist es für das «Mehr-Ich»[19] unmöglich im eigenen Stimmengewirr zu ei­nem orchestrierten Akkord zu finden, so dient das Stück als Index zu diesen sich auflösenden Signifikaten, die aber dennoch nach Jelinek eine «Ladung» besitzen, mithin politisches Potenzial: «[…] der arme gute Ton, kann doch nichts dafür, daß er nur ein Ton ist, vergänglich, verschwindend, aber ziem­lich geladen, wenn du mich fragst, […]» (KL/A).

Im Anklang wird Kein Licht zu einer «Chorphantasie»[20], die nicht mehr – wie bei Gert Jonke – einen Dirigenten stellt, der das Publikum dirigiert (das wäre für Jelinek wohl auch zu paternalistisch), wohl aber das Publikum in der Stimmführung «innerer Dialoge» mitatmen lässt. Aus dieser Geisel­nahme der “tropischen” Figurenreden führt Jelinek das Publikum einem Urteilen zu, das immer schon entropisch ist, nämlich teilend und ausglei­chend.

II. A und B als Geiselnehmer im offenen Kunstwerk

Kein Licht lässt sich mit Umberto Eco als “Offenes Kunstwerk” verste­hen. Bereits bei Eco wird der Entwurf des “Offenen Kunstwerks” als der intrinsische Zusammenhang mit dem Konzept der Entropie über eine Ana­logieführung zur zeitgenössischen Musik vermittelt.

Ecos Vision eines Werks als «un messagio plurivoco»[21] und «un progetto comunicativo»[22], der durch «un accrescimento di informazione»[23], in eine kommunikationserzeugende Unordnung führt: «il disordine che comunica è disordine-rispetto-a-un-ordine-precedente»[24], basiert auf Strukturkonzep­ten der Musik der 1970 er Jahre, insbesondere «le esperienze musicali di Luciano Berio e discutendo i problemi della nuova musica con lui, Henri Pousseur e André Boucourechliev»[25]. Die Aufforderungen der zeitgenössi­schen Musik, direkt in die Form des Kunstwerks einzugreifen und struktu-relle Polyphonie mitzudenken, wandeln demnach den Rezipienten. Er wird vom passiven Beobachter/Hörer zum aktiven Partizipienten[26]; nämlich zu einem «centro attivo di una rete die relazioni inesauribili»[27]. Diese Wandlung provoziert auch Jelinek und zwar durch ein Anheben der Entropie, wie es Kein Licht beschreibt. Es gilt: «Je mehr Töne, umso größer die Sensibilität für Störungen» (KL/A).

Die imaginierten Töne stehen dabei in Analogie zum Leseprozess, in dem ja ebenfalls Bilder evoziert werden, ohne diese medial sichtbar machen zu können, anders als etwa der Film. Durch den fortwährenden Hinweis auf das Unhörbare und Unsichtbare lassen A und B die in der Aufführungs­situation angelegte “Geiselhaft” vor Augen treten und fordern zugleich zur Suche nach einem Eigenton auf. Sie werden in ihrer Frageführung zu Gei­selnehmern des Publikums im “offenen Kunstwerk”: «A: Töne, wo seid ihr hin? Irgendwo da drunter, ja, unter dem Geheul, unter dem Lärm, da müs­sen sie sein, schätze ich mal. Hast du deine schon? Hast du wenigstens einen von ihnen?» (KL).

Es entsteht für jeden ein individuell anders kombinatorisches Spiel der Reizungen und damit eine Zunahme der semiologischen Information, bis eine Disponibilität der Information nicht mehr gegeben ist. Jelinek gene­riert, trotz ihrer klaren Ordnung der zwei Geigen, in der Unvorhersehbar­keit darüber, wer eigentlich alles im Chor der Stimmen “mit-spricht” zu­gleich ein Maximum an Unordnung, bis sie A und B in einen «Überlage­rungszustand» (KL) treten lässt, «so dass man passagenweise nichts mehr versteht» (KL). So erzeugt sie eine Art “Weißes Rauschen”, das die Ebene zum geschriebenen und gelesenen Text vollkommen verlässt. Die Schwelle, «jenseits derer der Informationsreichtum zum “Rauschen” wird»[28], ist er-reicht; es zeigt sich: Die gleichzeitige Gegenwart aller Töne enthält nicht die höchste Information, sondern hat gar keine Information[29]. Die Superveni­enz vernichtet die tonalen Einheiten.

So stellt Jelinek die Entropie der Information dem entropischen Zustand der Natur gegenüber; beide steigern sich bis zum Zerfall in «Überstrah­lung»[30], die nicht mehr mittels auditiver oder visueller Signale wahrnehmbar, sondern nur noch messbar sind. B empfindet diese “Lärmblendung” als Reizung:

B: Ich höre nichts. Es ist zu laut. Ich will nicht, daß meine Ohren auch noch mit dabei sind! Bei diesem Lärm! Das ist entsetzliche Überrei­zung. Dabei würde dieses Strahlen, diese beinahe unwillkürlich er­zeugte Wärme, nichts als eine Nebenwirkung, wir beachten sie gar nicht!, schon genügen. […] Eine Reizung ist es wie die vom Staubkorn im Auge. (KL)

Es ist selbstverständliche eine “Lärmblendung”, die sich von der Über­reizung einer strahlenden Dekadenz, wie sie Broch beschreibt, längst ent­fernt hat, in der jedoch diese Bilder immer noch anklingen. Im Tod des Vergil heißt es angesichts des langsam auftauchenden Kaiserpalastes, der als «Burg der Verlockung» die «Lärmblendung» des «atmenden Massentieres»[31] zum Schweigen bringt: «denn jählings wurde nun hier, feuerumkränzt und lärm­umringt, bar jedes Lichtschattens, bar jedes Lautschattens in schattenloser Licht- und Lärmblendung, schimmerstrahlend der kaiserliche Palast sicht­bar, […]»[32]. Während im Tod des Vergil durch die Kontrastierung der Massen bei Einfuhr des Herrschers in den Hafen und dem sichtbar werdenden Kai­serpalast eine Blendung erzeugt wird, gehen bei Jelinek die «Masseteilchen» sarkastisch in der allgemeinen Verstrahlung unter. Die entropische Litera­turbeschreibung ist zu einem Staubkorn im Auge kontrahiert, zu einer «Schliere im Aug»[33].

Jelinek bringt eine eigentümliche Dynamik in den Text: Während sich über die Anspielungen auf die Katastrophe eine post-apokalyptische Welt offenbart, stärkt die Rede vom nichtankommenden Ton, der vielleicht doch immer schon da ist, den Eindruck einer Musik, die erst (aus der Zukunft) auf uns zu kommen muss. “Post” und “Ante” werden damit als Polungen in den Text gesetzt. Musik wird damit zu einem unterschwelligen Hand­lungsinstrument in einem System, in dem die Gegenwart «zwischen bedro­henden Zukünften und bleibenden Vergangenheiten zu einem ebenso trä­gen wie verwirrenden Labyrinth der Gleichzeitigkeiten»[34] heranwächst. Sie wird zum Hoffnungsträger, diese Gleichzeitigkeiten neu strukturieren zu können.

III. Geistertöne

Kein Licht wird zugleich getragen von einer Klangmystik. A und B er­scheinen in sich als die Teilchen, die kraft ihres Strahlens eine Homogeni­sierung der Masse verhindern: Insofern enthält die von Jelinek gezeichnete, (post)apokalyptische Welt in der Gefahr ein – wenn auch Zweifelhaftes – “Rettendes”; das Unsichtbare, Unhörbare ist nicht nur bestimmbar als die leere Maschine ohne Bewusstsein, sondern kann auch als Hinweis auf ein unsichtbares Potenzial gedeutet werden. Denn im Unhörbaren der Töne liegt ebenfalls die Möglichkeit einer Sprachschöpfung / Wortwerdung im mystischen Sinne.

Jedoch nicht mehr im Sinne einer Sprache, die «unschuldig» aus einer reinen Materialität entsteht, sondern die sich bewusst ist, dass sie eine eigene Geschichte der Vernichtung von unzähligen Menschenleben (und -spra­chen) in sich trägt. «A: So begleiten wir also Gefühle mit Tränen, mit unse­ren heißen Tränen, die aus der Kälte kommen, aus dem Kühlkreislauf, und dann werden sie heiß. Weil dieser Kreislauf nicht mehr funktioniert» (KL).

Kein Licht erzählt in einer kabbalistischen Tradition von einem für immer zerbrochenen Buch, einer Gesetzestafel der Vollkommenheit. Darin lehnt sich Jelinek meiner Ansicht nach jener Form der Erzählung an, wie sie Der Sohar erklärt:

Was bedeutet das Wort erzählen? Meint du: wie wenn jemand zum Vergnügen Geschichten erzählte? So ist dem nicht – vielmehr es ein Leuchten und Blitzen aus dem oberen Lichtstrom, […]. Ein Blitzen und Leuchten aus der Vollkommenheit des oberen “Buches”.[35]

Vor dem Hintergrund dieser Tradition gelesen, stünde bei Jelinek der katastrophalen Flutwelle der kabbalistische «“Strom, der von Erden aus­geht”, der nach unten fließt als Fluß vom oberen Tau, der leuchtet und blitzt von allen Seiten»[36] gegenüber. A und B würden zu vergeblich Wartenden, die der Erkenntnis eines magischen Wortes zustreben, das auf einer «oberen Stufe» steht, «wo Wort und Rede nicht gehört werden wie auf anderen Stu­fen des Zusammenhangs»[37]. A und B befinden sich innerhalb einer unend­lichen Spiralbewegung ins Nichts:

A: Unsere Töne wurden vielleicht schon vor 24.000, vor 40.000 Jahren Halbwert – Jedenfalls kommt, soviel wir auch streichen, genau: nichts. Wir sind die Folge der Folge der Folge. Fortsetzung folgt uns auch nicht. Nichts wird uns mehr folgen, und auf uns wird auch nichts mehr folgen. (KL)

A und B scheinen sich an einem Ort zu befinden, wie ihn der neunzehnte Psalm in der Deutung des Sohar (II. Fol 136bff) beschreibt:

Hier herrschet die Rede nicht,
Sind noch nicht Dinge –
Noch hört man der Kommenden Stimme nicht.
Doch über die ganze Erde
Zieht ihrer Richtung Gang,
Und von den Enden der Welt
Tönet in Worten der Widerklang.
[38]

Das Verborgene, Unsichtbare muss also nicht ausschließlich auf ein töd­liches Geschehen bezogen sein, sondern die Töne, von denen A und B spre­chen, sind zugleich Teil des Unsichtbaren: «Wie tote Tiere angefüllt mit Lust sind wir, Gefäße zum Gebrauch von Unsichtbarem, also, was ich sagen wollte: Das Unsichtbare braucht und gebraucht uns, nicht umgekehrt» (KL/B). Insofern können A und B auch als «Tau» des Wortwerdens interpre­tiert werden, denen die Stimme der «Weisen des Herzens» eingeschrieben ist:

[…] vom Anfang bis zum Ende der Welt sprechen die “Weisen des Herzens” von jenen verborgenen Stufen, wenn sie dieselben auch nicht (eigentlich) erkannt haben. Inwiefern werden sie aber doch be­kannt? “weil” die Sonne ein Zelt in ihnen aufgeschlagen hat”: die hei­lige Sonne als Wohnsitz, aus allen jenen oberen Stufen, und als Licht, das alle verborgenen Lichter und all den Zug ihrer Ausdehnung in sich aufgenommen hat – und dadurch wird der Zusammenhang in der gan­zen Welt sichtbar.[39]

Natürlich erhält bei Jelinek dieses Bild zugleich einen Riss; dieses alles aufnehmende Licht ist eben nicht mehr eine höchste Weisheit, sondern – radioaktiv, entropisch – wie es im Fukushima-Epilog die «Trauernde» (zum “Jahrestag” der Katastrophe, 2012) erkennt: Die eingefaltete Vielheit des Lichts, wird durch “kein Licht”, nämlich dem Unsichtbaren, überstrahlt:

Auch in uns einstrahlt das Unsichtbare wie eine Sonne, die grade ihr Haupt erhebt und es wieder beschämt von sich selbst, senkt, weil das Unsichtbare noch heller ist als sie. Paradox. Die Sonne hat etwas Hel­leres gesehen als sich selbst. (Fukushima-Epilog)

Die Erde ist zu einer riesigen umgestülpten “Klangschale” geworden für die Dissonanzen in Folge der Katastrophen, wie es der Prolog, den Jelinek 2012 ergänzt, erklärt:

[W]as wollte ich sagen, ach ja, nachdem die Sonne also ausgeronnen ist, das Meer auch, es hat übrigens kranke Fische anstelle der gesunden dafür zurückbekommen, obwohl uns die Natur das alles nur geliehen hatte (ich glaube, sie hat es sich selber schon vorher ausgeborgt), und wie kriegt sie es zurück? Versehrt kriegt sie es zurück, Fische, die spre­chen können, aber nicht hören, Schmetterlinge, die hören können, aber nicht sprechen, außerdem sind ihre Flügel total kaputt, wie schaut denn das aus! (Kein Licht: Prolog?)

Das Sonnenzelt hat sich umgestülpt und ist unter der “Lärmblendung” der Klänge zerbrochen zu einem defizitären Baukasten, wie es selbstiro­nisch der Titel des Prologs thematisiert: Kein Licht: Prolog? Da kann man ja jede Menge anbauen! Also ich meine nicht: in der Erde.

Kein Licht öffnet sich damit einer Kombinatorik, die sich, wie Jelinek selbst angibt, auf ein antikes Mythenarchiv stützt – sie gibt als Quelle, das nur als Fragment erhaltene Satyrspiel Die Spürhunde von Sophokles an[40]. Da­neben finden sich Schnittstellen zu ihrer eigenen Trilogie In den Alpen[41], die sich aus den Texten In den Alpen, Der Tod und das Mädchen III (Rosamunde) und Das Werk zusammensetzt und auf den Motivkreis von Im Bus, Ein Sturz erweiterbar ist[42].

Gemeinsam ist all diesen Texten die Verschränkung der Katastrophen mit Fragen nach Ursache und Schuld, wie sie sich etwa beim Kaprun-Unglück zeigen (In den Alpen) oder bei dem durch Zwangsarbeiter erbauten Kraft­werksbau (Das Werk). Mit Kein Licht werden die Alpen durch das radioaktive Kraftwerk ersetzt, die Natur ist artifiziell und toxisch geworden; Ortsbe­stimmungen sinnlos; die Alpen überall; die Verweisketten, die Jelinek inte­griert, ermöglichen es, ihre semantische Pluralität neu zu erfassen. So er­scheinen A und B im Zusammenhang mit dem Text In den Alpen plötzlich als Wiedergänger; denn dort treten am Ende des Dramas die Stimmen «zweier Männer in alpiner Kleidung» auf, die nur noch mit A und B be­zeichnet werden, wobei die Stimme B poetisch, lyrisch spricht, A dagegen sachlich, bis sich genau dieses Prinzip in den letzten Zeilen umdreht: «B: Danke. Die Einvernahmen decken auf, daß sich zuerst 15 Minuten keiner traute, den Zug aus dem Tunnel zu bergen. A: Danke. Dann wurde es fins­tere Nacht. B: Danke»[43]. Anstelle dieser Reporter sind nun «die Elektronen und Antineutrinos die Zeugen und gespenstischen Reporter vor Ort»[44].

Auf eine unheimliche Weise zeigen sowohl In den Alpen als auch Kein Licht die furchtbare Doppelbedeutung, die das Bild des «Weltenbrands» an­nehmen kann, wie es Gutkind beschreibt und als Potenzial einer zuneh­menden Entropie visioniert: «Mit freudigem Entzücken sehen wir die Mög­lichkeit, den Weltenbrand im wahrsten physikalischen Sinne des Wortes zu entzünden, den Untergrund von Tast und Fraß, der alle Fülle verendlicht, in seraphischen Flammen aufgehen zu lassen»[45]. Jelineks Texte zeigen: Der «seraphische Weltbrand» kann keine Utopie mehr sein: «Da ist ein Feuer, […] mit dem wir für die Kunst brennen, na ja, also es brennt alles, es brennt jetzt einfach alles» (KL/B). Zugleich gilt: Die mystische Dimension des ent­ropischen Prozesses bleibt erhalten: «Alles verlässt den Kern, keiner verlässt den Raum» (KL/B). Das Entsetzen hält die Lust an der Auflösung die Waage.

IV. Klangsysteme und Schönheit als gegenentropische Kräfte

In ihrem Satyrspiel bietet Jelinek eine Aussicht darauf wie es ist, «außer­halb aller Pläne und Verschwörungstheorien frei herumzudriften»[46]. Die Protektion gegen den Tod, die jedes System indirekt bietet, ist verloren ge­gangen[47]. A und B erklären:

Die Kombination von dir und mir, von uns beiden miteinander, ergibt noch lang kein System. Erste und zweite Geige, eine Rangfolge, ein­deutig, immer schon, und das hat sich jetzt alles aufgelöst, nicht nur der Rang, sondern auch das Folgen, und auch der Geigenzähler wird uns da nicht helfen können, fürchte ich, wir wissen ja, daß wir nur zwei sind, allein. Wir Arschgeigen haben jetzt unseren Sinn, unseren Zweck und unseren Lebenszweck verloren. (KL, A/B)

In solchen Momenten erscheinen sie wie die Clowns aus einem Stück von Beckett, wie sie Karin Baier dann auch in der Uraufführung inszeniert hat[48]. Die Protagonisten haben nicht nur das System verloren, sondern auch ihre Entscheidungsmacht; sie sind Zuschauer und Träumer geworden, de­ren Blick in die Sterne nur in die Simulation ihrer selbst führt. So stellen sich A und B in einer Passage vor, «Superstars» zu sein. Die verschränkte Semantik von «Celebrity-Kult» und «Sternenkrieg», die im «Superstar» mit­schwingt und der zugleich die Hoffnung auf einen kosmischen Bezug her­stellt, bricht Jelinek auf das tödliche Strahlen der Radioaktivität herunter; A und B erkennen: «Wir werden nur noch Strahlen, das ist mehr als die meis­ten anderen können!» (KL).

So verlieren sich erste und zweite Geige im Orchester der Messwerte und den Informationspartikeln des literarischen Kanons. Diese werden zu Wegmarken einer Art Schnitzeljagd. «Sie suchen den Superstar, und wenn wir Pech haben, glauben sie, ihn in uns gefunden zu haben» (KL, A/B). Dieser Superstar ist aber eben nicht mehr die “Talent-Show”, sondern ein Ur-Ton jenseits der Frequenzen[49]. Mit dieser Suche nach der Quelle ent­steht nicht nur ein weiterer Bezug zur Mystik, sondern es handelt sich eben­falls um eine Parallele zu dem Satyrspiel von Sophokles, in dessen Zentrum die Musikmetapher steht. Bei Sophokles stellt Hermes aus den Fellen der von ihm geraubten Rinder des Apollon eine Lyra her. Damit fängt er indi­rekt auch die Spürhunde des Silenos, die im Auftrag Apolls auf der Suche nach den Rindern sind. Überrascht von dem für sie so unbekannten Ton der Lyra, der aus der Höhle dringt, beginnen sie einen ungelenken Tanz. Das Publikum wird dabei zu einem Teil des Chors (hier des Orchesters) auf der Suche nach der «schönen Musik»:

B: Ja, das ist die große Frage. Hat man den Ort immer noch nicht gefunden, wo unsere Töne jetzt sind?, hat es niemand interessiert, wo unsere schöne Musik hingekommen ist, oder hat man nicht danach gesucht? Gewiß sind nicht nur wir es, die daran interessiert sind, un­sere Töne wiederzufinden. (KL)

Dieser Ton, so suggeriert das Stück, versteckt sich in der Höhle unter Wasser in der Tiefe des Unglücks:

B: Ob wir es noch einmal erleben werden, daß vollen Klangs sich em­porhebt der Schall hier vom Platz? Daß strahlend nun aus dem Ton blühen erdgeborene Gesichter? Daß sie wiederkommen, diejenigen, die man nicht mehr sieht und nicht mehr birgt? Die Tat jedoch, die uns geführt diesen Weg, die wir aber nicht ausgeführt, die andre aus­geführt, nicht wir, nicht wir, wers immer war, der hat den Trug hier verübt, wer, wer?, diese Tat ist jetzt eine Tatsache, gezeugt vor langer Zeit in einer Höhle, die inzwischen zum gemütlichen Zimmer gewor­den ist, in dem das Licht brennt. (KL)

Hier herrscht der Geisterchor, wie ihn Schubert in Rosamunde durch «In der Tiefe wohnt das Licht» vertont und auf denen die «Geigen» dahinzu­gleiten scheinen: «B: Fünf Takte nach Ziffer C, mit Auftakt, die Streicher allein bitte. Ich bin die Begleitung, aber von welchem Ereignis?» (KL).

Im Kern des im Netzwerk der Kombinationen eingeschlossenen und damit nicht mehr klar determinierbaren Ereignisses steht der Raub der Mu­sik und ihrer Neugründung: aus dem, was sich alles zu Schlamm zersetzt, im Bodenlosen:

A: Niemand sucht ausgerechnet nach unseren Erzeugnissen. Viel­leicht ist das der Grund, daß sie gegangen sind? Einen anderen mög­lichen Grund sehe ich derzeit nicht. Also jetzt komm mal her, Muse, nein, Windsbraut, komm mal, Luft-, nein, doch eher Erdgeborene, nein, jetzt weiß ichs: Wassergeborene! Du Schaumschlägerin! Was hast du mit unserem Boden gemacht? Wo stehen wir heute? Ist der durch gespensterhafte Fernwirkung woandershin versetzt worden? Das ist ja bodenlos! (KL)

Diese Bausteine einer «schönen Musik» werden zu einer «counter-en­tropic force». In seinem 1950 erschienenen Text The Human Use of Human Beings: Cybernatics and Society erklärt Wiener:

But while the universe as a whole, if indeed there is a whole universe, tends to run down, there are local enclaves whose direction seems op­posed to that of the universe at large and in which there is a limited and temporary tendency for organization to increase.[50]

A und B können entsprechend als Enklaven verstanden werden, als Hül­len oder eben Gefäße, die mit ihrem Klangkörper Mikro-Systeme umgren­zen, die den gesamten Destruktionsprozess nicht nur mittragen, sondern ihm auch widerstehen. So wie die Töne, die sie spielen, so fungiert das Paar von A und B im Netz der narrativen Bezüge und Paratexte, das Jelineks Stück aufbaut; es kreiiert also ein Netz gegen den Zerfall. Töne werden zu Hüllen, zum Leichnam: «Wo ist jetzt der Tonleichnam?» Sie gesellen sich zur Masse der widerstrahlenden Toten: «Die Toten strahlen, sie sind nicht ansprechend und nicht ansprechbar» (KL/B). In diesem Schweigen wider­stehen sie dem Zerfall. Das Geisterspiel[51] ist ein Totentanz der Hüllen; so wird es zur gegenentropischen Kraft, die sich bei Jelinek in der Form des «Fremden» verkörpert. «B: Das Fremde in der Wiege, das da zu fauchen begonnen hat wie das Höllenfeuer» (KL).

Im Text wird dieses sich erst in der Imagination ausbildende Dritte zum aktivierenden Element. Mit den Hüllen des Fremden auf einer Mikroebene korrespondieren die Hüllen literarischer Texte, so wie das Sophokles-Frag­ment und die Anspielung auf Rilkes Duineser Elegien «A: [W]er, wenn ich schriee, hörte mich sonst?, das habe ich schon oft gesagt, und vor mir hat es ein anderer gesagt», oder auf Mörikes Auf eine Äolsharfe[52].

A: Du hast alles umgewühlt, Muse, mach das Saitenspiel, das kannst du doch so gut, hast sogar zwei Bogen zur Auswahl, wir leihen sie dir gern, fang an, fang endlich an, fang wieder an deine melodische Klage! Ihr kommt, Winde, fern herüber ach, von des Knaben … was red ich da! Kommt, woher ihr wollt, Winde, aber übertönt uns nicht dauernd, oder wer immer kommen mag, möge jetzt kommen und das Gespinst von uns nehmen, das Gespenst, das unsere Töne erstickt, treib empor, Erde, treibt herbei, Winde, ach so, die Erde hat es schon aufgetrieben?» (alle Herv. R.S. ; KL)[53]

In der «kontrollierten Autonomie ihrer Erzeuger» (KL), hier der Schrift­stellerin und der auditiven Imagination im Lese- bzw. Betrachtungsprozess, bildet Musik einen «Überlagerungszustand» (KL), der nach Jelinek einen Indifferenzpunkt sucht[54]. Hier versteckt sich auf unvermutete Weise noch eine Sehnsucht nach Schönheit, die angesichts der Radikalität der Textmög­lichkeiten überrascht.

Es gilt, wie bereits im Tod und das Mädchen III (Rosamunde): «Die verfluchte Schönheit klebt an uns wie Mutterkuchen»[55]. Diese «nichtgewisseste Mu­sik»[56] führt zu einer Selbstentfremdung; die nach Jelinek dem Erlebnis der Flutwelle entspricht: es ist eine Schönheit, die nie ganz zerstört werden kann, wenngleich sie selbst zerstörend wirkt:

Der Hörer wird sozusagen verschlungen von dem Schubert’schen Va­kuum, das ihn, als die nichtsgewisseste Musik, die ich kenne, danach zwar immer wieder hergibt (er hat auch alles brav gehört, ja er gehört sich selbst auch noch, er hat sich gut festgehalten und vielleicht sogar angeschnallt!), ihn aber für Bruchteile von Sekunden, da die Zeit, re­lativ, rückwärts gelaufen ist, mit dieser Zeitpeitsche aus Klang zerbro-chen und sich für immer entfremdet hat, ohne daß es (sic!) es gemerkt hätte.[57]

Jelinek beschreibt in ihrem Kein Licht-Bau nicht nur ein Gebäude, das seiner Mythen entleert wird oder aus leeren Mythologemen aufgebaut ist, sondern führt in ihrer radikalen Rede zurück auf eine Leere, die an eine Welt jenseits aller Dinge erinnert. Einzig die Rede vom Ton wirkt wie die Beschreibung eines Dingsymbols.

In Kein Licht findet sich unterschwellig eine Ästhetik, die den höchsten Wert der Musik in größter Stille sucht, im Sinne eines mystischen Schwei­gens: «Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mys­tische» (Wittgenstein, Tractatus 6.522).

V. Imaginierter Grundton: Das bodenlose Geisterspiel

Die beiden Geigen erinnern in ihrem Spiel an die Band aus Thomas Pyn­chons Kurzgeschichte Entropy von 1960. Meatball, einer der Protagonisten, bemerkt inmitten der wilden Party in seinem Appartement wie seine Freunde, ein Quartett in Stille spielen. Es wird zum Ruhepol innerhalb der sich in immer größere Unordnung steigernden Gesellschaft und zum Geis­terquartett der Töne mit ironischer Note:

In den middle of the room, the Duke de Angelis quartet were engaged in a historic moment. Vincent was seated and the others standing: they were going through the motions of a group having a session, only without instruments.[58]

Es ist eine Pantomime, die ihr Geheimnis damit erklärt, ihre «root chords» abgeschafft zu haben: «[…] no root chords. Nothing to listen to while you blow a horizontal line. What one does in such a case is, one thinks (Herv. d. Orig.) the roots»[59].

Die Steigerungsform dieses Konzepts besteht darin, sich alles auszuden­ken: «to think everything […] roots, line, everything»[60]. Hier wird das stille Quartett als konzeptuelle Arbeit zur ironischen Note innerhalb einer tragi­schen Gegenwartsform.

Auffällig ist, im Vergleich zu Kein Licht, dass das Quartett bei Pynchon dieselben Sonanzen spielt, wie Jelineks Text. Im luftlosen Raum («airless void»[61]) lässt die Entropie Gis und Es kreuzen. Bei Pynchon heißt es: «And they took off again, only it seemed Paco was playing in G sharp while the rest were in E flat, so they had to start all over»[62]. Was aussieht wie ein Witz angesichts der Tatsache, dass hier ja nur “gedachte Töne” gespielt werden, liegt dem eine erstaunlich hohe Wahrscheinlichkeit zu Grunde: das “Gis” ist nämlich jener Ton, den selbst Menschen mit absolutem Gehör über­durchschnittlich oft nicht eindeutig bestimmen können[63].

Das Gis beschäftigt ebenfalls Jelineks Geige. Im Echo der imaginierten und selbsterzeugten Klangmassen, die auf die beiden Protagonisten zustür­zen, ist das “Gis” der einzige Ton, der allen Systemen entschlüpft: «Einer kam durch, sie hätten vielleicht den einzigen, der uns entschlüpft wäre, ich glaube, ein zweigestrichenes Gis, obwohl wir es nur einmal gestrichen ha­ben, den hätten sie vielleicht um ein Autogramm umringt, […]» (KL, A/B). Es ist der Ton, der nicht sicher gecastet werden kann.

Während Technik eindeutig bestimmen kann, immer also die Stufe einer maximierten Entropie erreicht: «Technik, ist das egal, was sie wiederholt, bis alles gleich ist» (KL; A/B), zeigt diese Fokussierung auf das entfliehende “Gis” an, dass die sprachliche Beschreibung Phänomene (Geräusche) ein­fangen kann, die dieser Gleichheit widerstehen: «Noise screws up your sig­nal, marks for disorganization in the circuit»[64], wie eine weitere Figur in Ent-ropy mit dem sprechenden Namen “Saul” in Anlehnung an Weiners Infor­mationstheorie erklärt. Daraus folgt, dass ein Minimum an Geräuschen not­wendig ist, um Kommunikation glücken zu lassen. Das Maß der Entropie bestimmt die Paarbeziehung: «Togetherness»[65]. Ähnlich vermeiden A und B Störungen innerhalb ihrer minimalen Ordnung von erster und zweiter Geige, von Stimmführung und Ergänzung; Diffusion ist zu vermeiden: «Lieber nicht den weichen Strahler einschalten, bin mir jetzt ganz sicher: lieber selber strahlen, zu zweit, damit es mehr Spaß bringt in unserer kleinen Ton-Unartgesellschaft» (KL, A).

Dieser Entzug des Grundtons, auf den Pynchon sich fokussiert, ist eine Eigenschaft, die Jelinek sehr an Schubert bewundert. So schreibt sie:

In der großen A-Dur Sonate (zweiter Satz) findet es, das da auftaucht, manchmal nicht einmal in den Grundton zurück, es erreicht ihn zwar fast, nein, ist eigentlich schon da, es kennt ihn doch!, aber im Baß stellt sich etwas auf, ein Stachel, der den Sitz unbrauchbar macht.[66]

Gemeint ist hier Schuberts Lust an der enharmonischen Verwechslung. Diese Einstellung zur Musik gibt Jelinek zugleich die Möglichkeit der patri­archalen Problematik zu entkommen: Subjektkonstitution ohne Grundton entkommt auch der Geschlechterdichotomie, ermöglicht eine “von Grund auf” neue Subjektkonstitution:

Je mehr das Thema also angefragt und angespielt ist, umso weniger ist es sich oder gar seinem Erzeuger nähergekommen. Und das führt in den Bereich aller Dinge und wie sie einem begegnen. Zuerst wird et­was gezeigt, dann begegnet es uns, um uns, inmitten des Gezeigten, als Subjekte konstituieren zu können, ohne daß wir zuvor wüßten, wer oder was wir überhaupt sind.[67]

Die enharmonische Verwechslung öffnet die Geschlechtsrollen. «Inmit­ten des Gezeigten» entsteht auch bei Jelinek das Lese/Betrachtersubjekt in Reflektion zu einer Vielstimmigkeit, die in ihren Überkreuzungen ihren «Stachel» verbirgt. Es ist ein Stachel, der «den Bereich aller Dinge» immer wieder aufs Neue spaltet und sprengt.

VI. Oktavenbilder

Anstelle des Grundtons treten die online gestellten Fotos als «Verpa­ckungsmaterial» innerhalb des Textes. Das Bild macht den Ton. Wir sehen: Schattenhafte, in Schutzanzügen verhüllte Menschen, die sich abtasten, ein kleines Kind, Rinder, «Fußstapfen von unsichtbaren Tieren» (KL/B), die Fotomontage einer Krake im Prolog und eine verlassene Welt im Epilog. Die Quellen und Anspielungen vervielfachen die Bedeutung der Bilder, die in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem Reaktorunglück stehen. Im Kontext des Prologs und des Stücks verschwimmen die Deutungsvarianten. So verweist das Foto eines niedlichen Schoßhündchens nicht nur auf eine reiche Welt der Übersättigung, sondern agiert zugleich als eine Satire auf die “Spürhunde” des Dionysos; ähnlich erscheint das Rind auf einem weiteren Foto im neuen Kontext nun als geraubtes Rind des Apollon, als geweihtes Opfertier. Die Fotos im Text fungieren dabei ebenso als Falle wie A und B im alphabetischen Aufbau der Moleküle[68]. Wenn ein Foto zeigt, wie ein Kind “entstrahlt” wird, so wissen wir doch: das Abtasten in Schutzanzügen ist eine Farce. Während Mythen und ihre Götter, während die Opfer ent-strahlt werden, bleiben die eigentlichen Täter unbenannt, wie es Asako Fukuoka in seinem Text zur Japan-Thematik bei Elfriede Jelinek bemerkt:

Bei diesem Zitat-Verfahren geht es allerdings nicht vorrangig darum, abstrakte Motive im jeweiligen Text eins zu eins zu verknüpfen und symbolisch zu interpretieren. Beim Kontakt der zwei Texte ist auf­schlussreicher, dass die Struktur des Vorgangs beleuchtet wird, wie man Stimmen, Töne und Klänge überhören kann, so dass der Täter nicht eindeutig identifiziert werden kann und schließlich die Frage auf­geworfen wird, «ob es überhaupt einen bestimmten Täter zu nennen gibt».[69]

Die Fotos verweisen ein weiteres Mal auf die Unsichtbarkeit der Täter, die systemische Entropie des Vorgangs, durch die eine Identifikation der Ursachen unbeleuchtet bleibt.

VII. Entformung und Formhaftigkeit

Jelinek parallelisiert wiederholt die zum «überschüssigen Leben» gestem­pelte Natur mit einer Überschussgesellschaft, die nicht nur einen Über­schuss an Waren (und Kapital) produziert, sondern zugleich eine wach­sende Anzahl von Menschen von der Kapitalbildung ausschließt. Die «Übergangenen», wie sie Jelinek im Nachwort zu V nennt[70], werden so Teil der Flut und des «Schlamms» und damit einer allgemeinen, entropischen Entformung.

A: Schlamm. Dreck. Winseln. Heulen. Wir hören in uns nicht, was draußen war, und draußen hört man nicht mehr, was in uns abgeht. Überall Fetzen. Menschliche Gewebeteile, vom Umkommen mitten in einer Tätigkeit herrührend. Mit denen werden sie die Lachen nicht aufsaugen können. Dies hier, und zwar alles!, handelt ab sofort von unserem überschüssigen Leben, weggerissen von Flüssigkeiten, vom Leben im Dreck, im Schlamm, im ausgelaufenen Benzin, Diesel, Trinkwasser […]. (KL)

Der Ur-Schlamm kehrt als reine Materialität wieder; eine Neuorganisa­tion des Gewebes muss auf immer, so die Message, kontaminiert bleiben. Zugleich erscheint es so, als sei der Tod mit dem Verlust der Stimmen aus der Maschinenwelt verschwunden, wie es im Werk beschrieben wird: «Die Hände meutern gegen ihr Schicksal. Doch da ist niemand, gegen den sie meutern können. Da ist die Leere. Die Leere. Die Leere»[71].

Diese Wende zum Unsichtbaren, die bei Hofmannsthal als Sprachzerfall beschrieben wird, führt zu einer Ohnmachtserfahrung: «Etwas, das man nur an seinen Auswirkungen erkennen kann: Das ist alles, was uns bleibt. Das macht den Tod so unnatürlich, es ist ja auch kein natürlicher Tod, auch wenn wir ihn totschweigen, das Schweigen ist toter als der Tod selbst, er ist da, er ist da!» (Fukushima – Epilog). Die Präsenz des unnatürlichen Todes innerhalb einer künstlich verfremdeten und zerstörten Umwelt kann eben nur noch, so Jelinek, Tönen und Strahlen – Reizungen – erzeugen und lässt ein absolutes Schweigen unmöglich erscheinen. Umso wichtiger wird die stumme Darstellung derselben, ihre Pantomime. Während das Spiel auf der Oberfläche bleibt – entsprechend Jelineks Diktum Ich möchte seicht sein[72] – behält die Imagination der Musik ihre tiefe Gültigkeit. Sie erzeugt «das, was fehlt», weil sie das Schweigen einschließt, wie es Jelinek in ihrem Text «Zu Franz Schubert» erklärt:

Das was fehlt ist die Hauptsache, und es ist nicht etwas ausgespart, sondern gerade daß es fehlt, macht es ja aus![73] Jeder Weg hat Anspruch darauf, auch begangen zu werden, und der Künstler geht ihn als erster. Manche gehen, und da ist kein Weg. Sie gehen trotzdem und fallen für uns, und nicht einmal ein Feld der Ehre haben sie dafür bekommen. Die Tür ist geschlossen, der Grundriß ist da, ohne Grund ist da aber trotzdem immer dieser Riß.[74]

Die Pause setzt uns auf die Spur im Sinne Derridas[75]. Wenngleich «wir nichts hören, auch den Schreienden nicht» (KL/B), so gelingt es Jelinek doch, die Erinnerung an die Herstellung des Systems aufrechtzuerhalten. Darum bedarf es des entropischen Prozesses, des «Nachtragens» und «Nachsagens» (Fukushima – Epilog).

Wenngleich die Tränen, das Strahlen beschmutzen[76] und ein magischer Zusammenhang nicht mehr darstellbar ist, weil es nur noch «Geräte gibt», die voneinander hören, kein Orchester mehr («Geräte hören voneinander, wir nicht» (KL/A)), so verwehren sich doch gerade die Tränen im Lachen, der «guten Formen»: «Malattie sociali come il conformismo o l’etero-direzi­one, il gregarismo e la massificazione sono appunto il frutto di una passiva acquisizione di standard die comprensione e giudizio che vengono identifi­cati con la “buona forma” […]»[77]. Das apokalyptische Labyrinth der An­spielungen und der Zerstörung wird zu einer Unordnung, die sich der reell ergebenden Ordnung, dem Realen, widersetzt[78], so dass schließlich gilt: «Nicht mehr auf das Störende des Rauschens, sondern auf die Mehrdeutig­keit dieses Rauschens innerhalb der ästhetischen Funktion kommt es an»[79].

So führt Jelinek unsere Hör- und Sehgewohnheiten den inneren Zustän­den unseres Selbst zu. Wir müssen uns beständig zum Realen stellen, auch wenn wir das Phantastische sehen. Sie stellt der Entropie eine Falle. Mit Hilfe der Geigen als Spiegel ihrer eigenen Hüllenhaftigkeit leitet sie die Zu­schauer durch den Text. A und B agieren als «Keime der Formhaftigkeit»[80] innerhalb eines offenen Kunstwerks, das den Glauben an den «schönen Klang» nie ganz aufgegeben hat. Jelinek konstruiert, was Eco im «Offenen Kunstwerk» als Dialektik der Pendelbewegung beschreibt[81]. So führt uns Jelineks Ton auf die durch Katastrophen erzeugten Blendungsphantasmen zurück und setzt zugleich der «Lärmblendung» ihre ästhetische Funktion ein, Sprache als Klangraum wird zum «strahlenden Verfolger» des Weltge­schehens und dessen Entformungstendenzen.

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[1] Hans Magnus Enzensberger: Die Entstehung eines Gedichts (1960). Abgedruckt in: Ders.: Scharmützel und Scholien. Über Literatur. Hg. v. Rainer Barbey. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009, S. 798-817, hier S. 811.

[2] Ebd.

[3] Umberto Eco: Opera aperta. Formae indeterminazione nelle poetiche contemporanee (1962). Mi­lano: Bompiani 41997. Dt: Umberto Eco: Das offene Kunstwerk - Aus dem Italienischen von Günter Memmert. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973.

[4] Folgende Texte sind online auf: http://www.elfriedejelinek.com/ abrufbar, daher keine weiteren Seitenangaben. Elfriede Jelinek: Kein Licht http://a-e-m-gmbh.com/wes­sely/fklicht.htm (20.10.2015), datiert mit 21.12.2011 (= Elfriede Jelineks Website, Rubri­ken: Archiv 2011, Theatertexte) (Titel: Kein Licht) – im Folgenden durch das Kürzel KL zitiert und – falls nicht bereits vorab angegeben – ergänzt durch die jeweilige Sprechin­stanz, also z.B.: KL/A, falls der Textteil «A» zugeordnet war. Kein Licht: Prolog? Da kann man ja jede Menge anbauen! Also ich meine nicht: in der Erde http://204.200.212.100/ej/fkein­licht-prolog.htm (23.10.2015), datiert mit 7.9.2012 / 1.9.2015 (= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: Aktuelles 2015). Epilog? Eine Trauernde. Sie kann machen, was sie will http://a-e-m-gmbh.com/wessely/ffukushima.htm (20.10.2015), datiert mit 12.3.2012 (=Elfriede Je­lineks Website, Rubriken: Archiv 2012, Theatertexte, Fukushima-Epilog) entsprechend im Folgenden als «Fukushima-Epilog» zitiert.

[5] Bärbel Lücke bezeichnet den Text als «Dia(Poly)Log von A und B (“Poly”, weil die Stimmen innerhalb der A- und B-Partikel-Sprecher des Stücks in sich mehrstimmig und mannigfaltig sind)» (Lücke, Bärbel: Fukushima oder die Musik der Zeit. Zu Elfriede Jelineks Büh­nenstück «Kein Licht». Online abrufbar unter: http://www.vermessungsseiten.de/luecke/fukushima.pdf (1.10.2015), S. 3 (= Bärbel Lückes Website: Rubriken: Analyse/Essays, Elfriede Jelinek).

[6] Hierzu ausführlich: Yve-Alain Bois u. Rosalind Krauss: A User’s Guide to Entropy. In: October 78 (1996), S. 33-88.

[7] Vgl. Eintrag «1967» in: Hal Foster / Rosalind Krauss / Yve-Alain Bois / Benjamin H. D. Buchloh u. David Joselit (Hg.): Art Since 1900. Modernism · Antimodernism · Postmoder­nism. London: Thames and Hudson ²2011, S. 549-552; sowie der Eintrag «Entropy», ebd. S. 786; ebenso: Eric Zencey: Some Brief Speculations on the Popularity of Entropy as Metaphor. In: The North American Review 271/3 (1986), S. 7-10.

[8] Erich Gutkind: Siderische Geburt. Seraphische Wanderung vom Tode der Welt zur Taufe der Tat (1910) online abrufbar: http://www.pkgodzik.de/fileadmin/user_upload/Gutkind/Erich_Gutkind__Siderische_Geburt.pdf (20.10.2015), dort S. 85 (=Website von Peter Godzik, Rubrik: Impulse 2013).

[9] Hierzu ausführlich: Anna Wolkowicz: Mystiker der Revolution. Der utopische Diskurs um die Jahrhundertwende: Gustav Landauer, Frederik van Eeden, Erich Gutkind, Florens Christian Rang, Georg Lukács, Ernst Bloch. Warschau: WUW Verlag der Universität Warschau 2007, S. 213.

[10] Enzensberger, Die Entstehung eines Gedichts, S. 811.

[11] Ebd.

[12] Wie sie Schumpeter auf ökonomischer Ebene vorschlägt.

[13] Thomas Pynchon: Entropy. In: The Kenyon Review. 22/2 (1960), S. 277-292.

[14] Elfriede Jelinek: Nachwort. In: Thomas Pynchon: V. Deutsch von Dietrich Stössel und Wulf Teichmann. Reinbeck bei Hamburg: rowohlt 1976, S. 530-549, hier S. 536.

[15] Ebd., S. 536.

[16] Ebenso: «A: Ja, die Notenwerte, die uns ununterbrochen beschäftigt gehalten haben, als gäbe es nichts Wichtigeres – ihre Veröffentlichung ist den Menschen nicht zuzumuten, damit sie nicht schon wieder beunruhigt werden. Auf unsere Notenwerte hin würden die Menschen bloß überreagieren. Die Kernreaktion auf unsere Notenwerte war im Kern ganz in Ordnung, aber eine Überreaktion können wir uns derzeit nicht leisten» (KL).

[17] «A: Wenn beliebig wirkende Parameter auch noch unwahrscheinliche Werte aufwei­sen, das ist dann ein Verstoß, ein Verstoß gegen die Werte, die uns erschaffen haben, auch ein Verstoß gegen das ästhetische Empfinden unserer Schöpfer und auch noch ein Verstoß gegen unsere Interpreten, die uns endlich sagen wollen, wer wir sind und was wir getan haben, damit man unsere Produkte neu bewerten und einordnen kann» (KL) oder B: «In uns werden erhöhte Werte gemessen, fürchte ich» (Ebd.).

[18] Jelinek, Nachwort zu «V», S. 546f.

[19] Klaus Theweleit: Wer sind wir noch? Neueste Nachrichten von der Ich-Front. In: FAZ, 26.5.2015 online abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/geisteswissenschaften/identitaet-im-digitalen-zeitalter-13597214.html?printPagedArticle=true#Dru­cken (23.10.2015).

[20] Gert Jonke: Chorphantasie. Konzert für Dirigent auf der Suche nach dem Orchester. Graz, Wien: Droschl 2003. Auf Differenzen und Ähnlichkeiten zu Jonkes Chorphantasie kann hier leider nicht eingegangen werden.

[21] Eco, Opera aperta, 92 (dt.: eine «mehrwertige Botschaft» Eco, Offenes Kunstwerk, S. 88. Herv. d. Orig.).

[22] Ebd., 93 (dt.: einem «kommunikativen Entwurf», ebd., S. 89. Herv. d. Orig.).

[23] Ebd. (dt: «einen Zuwachs an Information», ebd., Herv. d. Orig.).

[24] Ebd., 115 (=dt., S. 121).

[25] «Per finire, desidero ricordare come le ricerche sull’opera aperta sono iniziate segu­endo le esperienze musicali di Luciano Berio e discutendo i problemi della nuova musica con lui, Henri Pousseur e André Boucourechliev» (Eco, Opera aperta, S. 28; «der musikali­schen Erfahrungen Luciano Berios und d[en] Erörterungen der Probleme der neue[n] Mu­sik mit ihm, Henri Pousseur und André Boucourechliev» Eco, Offenes Kunstwerk, S. 23).

[26] Eco, Opera aperta, S. 31-35 (=dt. 27-31).

[27] Ebd., S. 35 (dt.: einem «aktiven Zentrum eines Netzwerks unausschöpfbarer Bezie­hungen», S. 31).

[28] Eco, Offenes Kunstwerk, S. 173 [Orig.: «C’è dunque una soglia oltre alla quale la ric­chezza di informazione si fa «rumore» (172)].

[29] «Ora il suono bianco, che a fil di logica dovrebbe darci il massimo possibile di infor­mazione, non informa assolutamente piú». Ebd., 172. Alle Herv. d. Orig.

[30] «A: Wir sind überflüssig. Etwas hat uns überstrahlt, […]» (KL).

[31] «Von den Häuserfronten und aus den Gassen strömte brütende Schwüle entgegen, sie kam in breiten queren Wogen angeflutet, immer wieder von dem nicht endenwollenden Geschrei und Gerufe, vom Summen und Brausen des atmenden Massentieres zerspellt, dennoch unbewegt; Wasseratem, Pflanzenatem, Stadtatem: ein einziger schwerer Brodem des in Steinquadern eingezwängten Lebens und seiner verfaulenden Scheinlebendigkeit, […]» (Hermann Broch: Der Tod des Vergil. Zürich: Rhein Verlag 1954, S. 31).

[32] Ebd., S. 51:

[33] Auf Celan als einer für Jelineks Arbeit bedeutsamen Dichterfigur kann hier aus Platz­gründen nicht näher eingegangen werden.

[34] Hans Ulrich Gumbrecht: Geschichtlichkeit nach dem Historismus? Echolalien und Resonan­zen: Über ein anderes Verhältnis zu Erinnern und Vergessen aus dem Geist der Sprachtheorie. In: FAZ, 11.6.2006, Nr. 134, Seite N3 (Online abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wissen/wissenschaft/geschichtlichkeit-nach-dem-historismus-1549719.html (20.10.2015)).

[35] Der Sohar. Das heilige Buch der Kabbala. Nach dem Urtext herausgegeben von Ernst Müller. Wien: Verlag Dr. Heinrich Glanz. 1932, S. 62-67, hier S. 62-63.

[36] Ebd., S. 63.

[37] Ebd., S. 64.

[38] Psalm 19, v. 1-7 nach der Deutung des Sohar (II. Fol. 136bff). Müller, Ernst: Der Sohar und seine Lehre. Einführung in die Kabbala. Bern: Origo Verlag 41993 (=Lehre und Sym­bol Bd. 10), S. 133.

[39] Der Sohar, S. 64 (Anm. 35).

[40] Umfassende Deutung dazu bei Lücke: Fukushima, S. 17-24, ebenfalls: Christian Schenkermayr u. Gérard Thiériot: In den Alpen; Das Werk; Ein Sturz; Kein Licht. In: Jelinek-Handbuch. Hg. v. Pia Janke unter Mitarbeit von Christian Schenkermayr und Agnes Zenker. Stuttgart, Weimar: Metzler 2013, S. 185-189, hier S. 187.

[41] Elfriede Jelinek: In den Alpen. Drei Dramen. Berlin: Berlin Verlag 2002.

[42] Hierzu siehe: Schenkermayr, Thiérot: Jelinek-Handbuch, S. 185-189.

[43] Jelinek, In den Alpen, S. 65.

[44] Lücke, Fukushima, S. 21.

[45] Gutkind, Siderische Geburt, S. 85 (Anm. 8).

[46] Was noch schlimmer sei als jeglicher «entropischer Vernichtungswille», so Jelinek (Nachwort zu «V», S. 443.).

[47] Vgl. Heinz Ickstadt: Einleitung. In: Ders. (Hg.): Ordnung und Entropie. Zum Romanwerk von Thomas Pynchon. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1981, S. 7-15, hier S. 9.

[48] Christian Schenkermayr: Dionysos und Apollon zugleich. Über die Uraufführungsinszenie­rung von «Kein Licht». Karin Baier im Gespräch mit Christian Schenkermayr. In: Jelinek Handbuch. S. 78.

[49] Entsprechend wird der Ton, wie es Sruti Bala erkennt, zur «master-metaphor»: «In the text, “Ton” becomes a master-metaphor in the sense of Spivak, which covers not only the dictionary span of meanings, but begins to take on a life of its own, […]» (Sruti Bala: «Translation is the making of a subject in reparation”: Elfriede Jelinek’s response to Fukushima in “Kein Licht”». In: Austrian Studies 22 (2014), S. 183-198, hier S. 188; online abrufbar unter http://dare.uva.nl/document/2/154765, Permalink: http://hdl.handle.net/11245/1.394311 (22. 10.2015).

[50] Norbert Wiener: The Human Use of Human Beings: Cybernatics and Society. With a new Introduction by Steve J. Heims. London: Free Association Books 1989, S. 12.

[51] Vgl. die von Lücke beobachtete Verbindung der Stimmenpluralität mit Derridas Vorstellung der Wiederkunft des Gespenstischen (Lücke: Fukushima, S. 4).

[52] «Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel/ Ordnungen?» (Rainer Maria Rilke: Erste Duineser Elegie. In: Sämtliche Werke. Hg. vom Rilke-Archiv, in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt. v. Ernst Zinn. Band 1-6, Band 1: Gedichte. Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955, S. 685-689); Eduard Mörike: An eine Äolsharfe. In: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1: Maler Nolten (Erstfassung), Erzählungen, Gedichte, Idylle vom Bo­densee, Wispeliaden, Dramatisches. München 1967, S. 689-690., online abrufbar unter: http://www.zeno.org/Literatur/M/M%C3%B6rike,+Eduard/Gedichte/Gedichte+%28Ausgabe+1867%29/An+eine+%C3%84olsharfe (22.10.2015); dieses Gedicht ist mehr­fach vertont, etwa von Brahms als «An eine Äolsharfe», op. 19, Nr. 5: Fünf Gedichte für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte (1862, Uraufführung: 1881.) und von Hugo Wolf; zudem bietet es eine wichtige Inspirationsquelle für Hans Werner Henzes: Musik für konzertierende Gitarre und 15 Soloinstrumente (1986), siehe: Hans Werner Henze: An eine Äols­harfe. Ein Tagebuch. In: Der Komponist Hans Werner Henze. Hg. von Dieter Rexroth. Ein Buch der Alten Oper Frankfurt. Frankfurt Feste ’86. Mainz: Schott 1986, S. 291-406.

[53] Von Mörike übernimmt Jelinek die von mir kursiv gesetzten Passagen. Die Verknüp­fung beider Gedichte suggeriert, Rilkes Gedicht würde den bei Mörike beschriebenen «Schrei der Harfe», mit dem das Gedicht endet, weitertragen.

[54] Die Semantik leitet auf die Naturästhetik Schellings. Siehe ebenfalls die ausführliche Fußnote bei Bärbel Lücke: Semiotik und Dissemination. Von A. J. Greimas zu Jacques Derrida. Eine erzähltheoretische Analyse anhand von Elfriede Jelineks «Prosa» «Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr». Würzburg: Königshausen & Neumann 2002, S. 192.

[55] Elfriede Jelinek: Der Tod und das Mädchen III (Rosamunde). In: Dies.: In den Alpen. Ber­lin: Berlin Verlag 2002, S. 67-87, hier S. 85; dieser Text ist online abrufbar unter: http://a-e-m-gmbh.com/wessely/frosa.htm (20.10.2015), datiert mit 6.7.2001 (= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: Archiv 2001, Theatertexte, Rosamunde).

[56] Elfriede Jelinek: Zu Franz Schubert. http://www.a-e-m-gmbh.com/ej/fschuber.htm (23.10.2015), datiert mit 1998 (=Elfriede Jelineks Website, Rubriken: Zur Musik).

[57] Ebd., Franz Schubert spielt für Jelinek eine übergeordnete Rolle, wie Pia Janke in ihrem Eintrag Kompositionen, Texte für Kompositionen, Libretti bemerkt (Jelinek-Handbuch, S. 228). Möglicherweise trägt Schuberts Musik für Jelinek eine ähnlich zwiespältige Doppel­bedeutung wie das entropische Potenzial von Sprache.

[58] Pynchon, Entropy, S. 289.

[59] Ebd., S. 290.

[60] Ebd.

[61] Ebd.

[62] Ebd.

[63] Vgl.: N.N.: Absolutes Gehör. Musik-Genies und das verflixte Gis. In: Focus (28.8.2007). http://www.focus.de/wissen/mensch/neurowissenschaft/absolutes-gehoer_aid_130718.html – (20.10.2015).

[64] Pynchon, Entropy, S. 285.

[65] Ebd., S. 286.

[66] Jelinek, Zu Franz Schubert (Anm. 56).

[67] Ebd.

[68] «Wie alphabetisch ist doch die Natur der Moleküle. […] “Sieh hin: wie man sie aus dem Fluß der Schlacken siebt, formt, reinigt, destilliert, so wie du einst deine Buchstaben gerettet hast aus dem regellosen sterblichen Strom der gesprochenen Sprache … Dies hier sind unsere Buchstaben, unsere Wörter: auch sie können moduliert, getrennt, neu zusam­mengefügt, umgedeutet, eins an das andere mischpolymerisiert werden zu weltweiten Ket­ten, die nur hin und wieder an die Oberfläche des molekularen Schweigens treten, wie die sichtbaren Teile eines geknüpften Teppichs”» (Thomas Pynchon: Die Enden der Parabel. Deutsch von Elfriede Jelinek u. Thomas Pilz. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1998, S. 556; [«How alphabetic is the nature of molecules. […] “See: how they are taken out from the coarse flow-shaped, cleaned, rectified, just as you once redeemed your letters from the lawless, the mortal streaming of human speech. … These are our letters, our words: they too can be modulated, broken, recoupled, redefined, co-polymerized one to the other in worldwide chains that will surface now and then over long molecular silences, like the seen parts of a tapestry”» (Gravity’s Rainbow. New York: Penguin Books 1995, 355)].

[69] Asako Fukuoka: Japan-Thematik bei Elfriede Jelinek. Von Gedanken zur Fotokunst Nobu­yoshi Arakis zu «Kein Licht». In: Yuichi Kimura / Thomas Pekar (Hg.) (unter Mitarbeit von Mechthild Duppel-Tagayama): Kulturkontakte. Szenen und Modelle in deutsch-japanischen Kontexten. Bielefeld: Transcript. 2015, S. 291-303, hier S. 301. Bei Sophokles gilt: «Auf dem melodischen Weg des Umgangs mit dem Klang wird der Täter zwar identifiziert, aber er darf nicht genannt werden» (Ebd., S. 302), während Komplizenschaft und Verantwortlichkeit in Kein Licht nicht eindeutig zuzuweisen seien.

[70] Jelinek, Nachwort zu «V», S. 546f. (Anm. 18).

[71] Elfriede Jelinek: Das Werk. In: In den Alpen (Anm. 41), S. 89-251, hier S. 208. Schnee­flöckchen spricht.

[72] Jelinek: Ich möchte seicht sein. http://www.a-e-m-gmbh.com/ej/fseicht.htm  (23.10. 2015) (= Elfriede Jelineks Website, Rubrik: Zum Theater). Zuerst erschienen in: Theater Heute Jahrbuch 1983, S. 102.

[73] Das ist die bekannte Funktion der Pause in der Musik der Wiener Klassik.

[74] Jelinek, Zu Franz Schubert (Anm. 56).

[75] Sie eröffnet damit das Gespenstische des «Ereignisses”. Auf die Verbindung zu Der­rida weist besonders Bärbel Lücke hin, (vgl. Anm. 5) S. 4.

[76] «B: Tränen, meine Tränen, was seid ihr gar so laut! Was schreit ihr so? Seid doch endlich ruhig! Seid wenigstens etwas leiser! Es hat ja keinen Sinn, wir hören euch so und so nicht! Das Strahlende wird von euch nur beschmutzt, euer Schatten fällt drauf, der Strahler wird naß und versagt im Funkenregen» (KL).

[77] Eco, Opera aperta, S. 151; «Soziale Krankheiten wie Konformismus, Heteronomie, Herdentrieb und Vermassung sind das Ergebnis einer passiven Übernahme von Verste­hens- und Urteilsnormen, die mit der «guten Form» gleichgesetzt werden» (Eco, Offenes Kunstwerk, S. 152).

[78] Eine weitere von Jelinek für Kein Licht angegebene Quelle ist René Girards Die ver­kannte Stimme des Realen.

[79] Peter Mahr: Ecoanic Meditation [Black/White Box/Cube]. In: Silvia Eiblmayr / Ernst Trawöger  (Hg.): Ockham versus Buridan, exhibition catalogue Galerie im Taxispalais, Inns­bruck: Skarabaeus 2008, S. 82-95; online abrufbar unter: http://homepage.univie.ac.at/peter.mahr/Peter.Mahr_EcoaniMeditatD.pdf (20.10.2015) hier S. 87.

[80] «La tendenza al disordine che caratterizza positivamente la poetica dell’apertura dovrà essere tendenza al disordine dominato, alle possibilità compera in un campo, alle libertà sorvegliata da germi di formatività presenti nella forma che si offre aperta alle libere scelte del fruitore» (Eco, Opera aperta 123-124; «Die Tendenz zur Unordnung, die positiv die Poetik der Offenheit kennzeichnet, muß eine Tendenz zur beherrschten Unordnung sein, zur inner­halb eines Feldes eingegrenzten Möglichkeit, zu einer Freiheit, die überwacht wird durch Keime der Formhaftigkeit, die in dem Gebilde enthalten sind, das sich offen den freien Wahlen des Rezipierenden anbietet» (Eco, Offenes Kunstwerk, S. 130; alle Herv. d. Orig.).

[81] Vgl. Eco, Opera aperta, S. 117-118 (= dt., S. 124.).

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Gregor Babelotzky

(Cambridge, UK)

Der «vacirende Gott». Arthur Schnitzlers Reflexionen
auf die eigenen Schaffens(un)möglichkeiten

[The «Unemployed God». Arthur Schnitzlers Reflexions on his own Creative (In)Capabilities]

abstract. This article deals with Arthur Schnitzler’s early sketch Er wartet auf den vazierenden Gott (1886) (He is Waiting for the Unemployed God), which reveals Schnitzler’s poetological reflections on his own writing. Not unlike a «vazierender Gott», he too had to wait for moments of inspiration, even in later years. This attitude helps to explain Schnitzler’s doubts about his own capability to finalise his literary sketches and his uncertainty about his status as a «real» author. The «vazierende Gott» thus becomes an important metaphor for any discussion of the problems of Schnitzler’s literary production.

Zu dem eigentümlichsten Typus von Künstlertum gehört der Künstler ohne Werk. Ein Künstler kann man auch sein, ohne seine Kunst nach au­ßen beweisen zu müssen; sie findet statt allein im subjektiven Bewusstsein des Künstlertums. Der «Dilettantismus» der Jahrhundertwende ist ein sol­ches «Künstlertum ohne Werk» (Pontzen 307). Auch Arthur Schnitzler ringt, nicht nur in seinen frühen Jahren, mit dem Problem des Dilettantis­mus – und bringt dennoch eine gewaltige literarische Produktion hervor. Er entgeht dem Schicksal des «vacirenden Gottes», des Künstlers, der ohne Werk bleibt, weil er immerzu auf Inspiration wartet; auch, indem Schnitzler sich schreibend davon befreit. Die Metapher ist Schnitzlers früher Erzäh­lung Er wartet auf den vacirenden Gott entnommen, von der die folgende Be­trachtung ihren Ausgang nimmt. Sie reflektiert Probleme der poetischen Probleme, die ihn ein Leben lang begleiten.

Poetologie entsteht, wenn der logos auf den Vorgang der poiesis zu reflektieren beginnt, wenn sich der Schreibende dem eigenen Schreiben reflexiv zuwendet. Der Sprechende kennt dabei aber keinen archimedischen Punkt, vom dem aus er sich das eigene Tun vollständig transparent machen könnte. In diesem Sinne schreibt Schnitzler an Hugo von Hofmannsthal: «Denken Sie nur, was ‹Production› für ein unfassbares, unmeßbares und unbegreifliches Ding ist – wie wir zuweilen schaffen, ohne es zu bemerken und ein andres Mal (mir geht es öfter so!) in aller Geschäftigkeit so gut wie nichts geleistet haben». (HvH 161).

Für Schnitzler ist klar, «daß Produktion in höherem Sinn eine viel zu komplizierte und aus bewußten und unbewußten Elementen allzu geheim­nisvoll zusammengesetzte Angelegenheit der Seele darstellt als daß man nach getaner Arbeit die Lust verspüren oder auch nur das Recht für sich in Anspruch nehmen dürfte sich theoretisch über Vorgeschichte, Anlaß, Ent­stehung und allerlei Details seines Werks zu äußern». (Br. II 22). Trotz die­ser Aussagen finden sich eine Vielzahl von Reflexionen auf den Schaffens­prozess in seinen Schriften.

Die Rede vom «vazierenden Gott» taucht nicht nur literarisch auf, son­dern erscheint auch nur etwa ein Jahr nach Veröffentlichung der frühen Erzählung Er wartet auf den vacirenden Gott in einem Brief an Olga Waissnix. Schnitzler bremst ihre Euphorie für «das was ich ‹dichte u componire›», lässt die Bezeichnung «Dichter» für sich aber gelten:

[…] sehn Sie, wenn so die Poesie über mich kommt – wie bei andern Kranken ein Fieber, dann spür ich manchmal oder glaube zu spüren, dass irgend was in meinem Kopf oder Herzen rege wird, dass die All­gemeinheit nicht mit mir theilt. Man irrt sich da freilich: man glaubt Schöpfer zu sein und ist nur Enthusiast – gleichviel. Es gibt da wun­derbare Momente – man ist ganz wo anders – man ist höher, man ist überall – man ist ein Gott. – Freilich ein vacirender. (16. September 1887, OW 103)

Die Poesie «kommt über ihn» und versetzt ihn in manchen Momenten in eine schöpferische, enthusiasmierte Hochstimmung. Da Schnitzler mit der Wendung vom «vacirenden Gott» nicht nur an dieser Stelle auf sich selbst als Schriftsteller Bezug nimmt, erscheint es gerechtfertigt, der Erzäh­lung einen besonderen Aussagewert über Schnitzlers poetologische Refle-xion zuzuschreiben – er selbst nennt sie retrospektiv eine «Skizze»: «Ende 86 hatte die ‹Deutsche Wochenschrift› ein paar Aphorismen sowie eine Skizze von mir abgedruckt, die den Titel führte: ‹Er wartet auf den vazie­renden Gott›» (JuW 264).

In diesem frühen Text ist ein grundlegendes Problem des Schnitz­ler’schen Schaffens angekündigt, das mutatis mutandis immer wieder zum Vorschein kommt. Es handelt sich um die Unfähigkeit, sich auf die Aus­führung allein eines Stoffes ganz konzentrieren zu können; so auch im Ta­gebuch des Jahres 1902 notiert, als er neben anderen Arbeiten auch den vacirenden Gott wieder liest:

War im Kopf beim Roman, nahm dann die Famil.-Scenen vor, wollte eigentlich «Wohlthat» bessern, scribelte an Memoiren, die auch in der Anlage unklar sind, las «vac. Gott», ordnete «Kritik», fand innerlich eigentlich, dass ich am «Junggesell» zu arbeiten hätte – war im Lesen beim Schreiben, im Schreiben beim Lesen, hätte auch gern wieder zu «ordnen» angefangen – – und hatte immer Ausreden nichts zu arbei­ten – und war endlich froh ins Gasthaus zu gehen … mangelnde Ela­stizität – und bin beruhigt weil ichs notire. (22. März 1902, Tgb. 367)

Dieses Tagebuchzitat beschreibt das Problem des «vacirenden Gottes», der über die Vielzahl der Einfälle und der Beschäftigung mit alten Texten, z. B. dem «vac. Gott», nicht zum Schreiben kommt und vor lauter Arbeit – nichts tut. Das «Ordnen» erscheint als Übersprungshandlung und noch das Aufschreiben im Tagebuch wird selbstkritisch als Beruhigung erkannt. In einem Brief aus dem Jahr 1887 nimmt Schnitzler einzelne Motive und For­mulierungen der Erzählung dann auch direkt wieder auf.

Schnitzler berichtet, er wolle «jetzt irgend was ausgedehnteres schrei­ben», es käme aber nur «alle heiligen Zeiten einmal eine Seite». Seine Stoffe könnte er nur dann ausführen, «wenn der Moment käme». Dieser schöpfe­rische Augenblick aber wolle sich zur Zeit nicht einstellen, mit der Konse­quenz, dass sein Schreiben stocke: «so aber muß ich mich begnügen den vacirenden Gott zu spielen, und die wallenden Gewänder schleppen im Kothe nach … Nach dem Stempel der Göttlichkeit suchen Sie freilich ver­gebens auf einer Stirn, welche die Muse leider zu küssen vergessen hat». (18. Januar 1887, OW 65).

Ein Jahr zuvor war die Erzählung publiziert worden. Zu Er wartet auf den vacirenden Gott ist ein Typoskript erhalten, das handschriftliche Zusätze von Otto Paul Schinnerer aufweist. Seine Änderungen entsprechen dem Stand des Erstdruckes in der Deutschen Wochenschrift[1]: «Korrekturen von O. P. S. nach dem gedruckten Text». Das Typoskript zeigt den Stand der Erzählung vor dem ersten Druck. Das Typoskript ist «nach dem ersten Manuscript diktiert» und an wenigen Stellen von Schnitzler selbst korrigiert.

Der zweite Druck wird dann von Schinnerer selbst in die Wege geleitet. In seiner Ausgabe Die kleine Komödie von 1932 erscheint der Zweitdruck von Er wartet auf den vacirenden Gott[2]. Im Jahr 1928 ist Schinnerer das erste Mal bei Schnitzler zu Gast[3]. Bei diesem ersten Aufenthalt hat Schinnerer wohl die Spuren auf dem Typoskript hinterlassen; im Jahr 1929 erscheint ein Ar­tikel in der Germanic Review. Schinnerer will frühe, nur in Zeitschriften ver­öffentlichte Texte und deren Manuskripte untersuchen, um den Weg zum «genius» verfolgen zu können. Er kommt zu dem Schluss: «It was not the sudden blossoming forth of a unique literary talent, but the fruit of years of patient labor». (Schinnerer 153).

Unter den Texten, die er in Schnitzlers Haus untersucht, findet sich auch Er wartet auf den vacirenden Gott. Diese Erzählung, so Schinnerer, bezeuge Schnitzlers ironische Distanz zu den Kaffeehausliteraten. Schinnerer zitiert in seinen Ausführungen dabei einen Schluss, der weder im Erstdruck noch im Zweitdruck, d. h. auch in dem Band Die kleine Komödie, den er selbst herausgibt, vorhanden ist: «When he joins the narrator in his café-corner, the latter experiences such a deep feeling of reverence that he scarceley da-res offer him a cigar. But Albin fortunately accommodates by asking for one». (Schinnerer 1929, 162). Nur durch Einsicht in das Typoskript konnte er von diesem Schluss Kenntnis haben.

Das Typoskript entsteht, indem Schnitzler das erste, nicht erhaltene Ma­nuskript in Maschinentype festhält. Das Versehen mit der Jahreszahl – Schnitzler korrigiert das Jahr der Veröffentlichung – legt nahe, dass das Diktat mit einigem Abstand geschieht, wie es Schnitzler öfter mit Texten hält, die er später diktierte, um der Unlesbarkeit seiner Handschrift etwas Lesbares entgegenzusetzen. Schinnerer gleicht das Typoskript dann an den Erstdruck an, wobei Schnitzler die ersten beiden Änderungen selbst vor­nimmt. Nicht nur markiert Schinnerer die Absätze des Erstdruckes, er imi­tiert auch die maschinenschriftliche, abgekürzte Unterschrift Schnitzlers auf der letzten Seite des Erstdrucks.

Auf der formalen Ebene fallen im Verhältnis von Typoskript und Über­arbeitung global verschiedene Änderungen auf. Zum einen sind es orthogra­phische Änderungen, da der Fremdwortcharakter in der Überarbeitung wie­der hergestellt wird. So wird «vazierend» grundsätzlich zu «vacirend», «pikiert» wird zu «piquirt», «Szenen» wird zu «Scenen», «Kapitel» wird zu «Capitel». «Enttronter» wird zu «Entthronter», «strabanzt» wird zu «strabantzt», «tun» wird zu «thun», «gemütlich» zu «gemüthlich» und «Kote» wird «Kothe».

Bei der Zeichensetzung wurden die Anführungszeichen für die wörtliche Rede gestrichen. Sie wird so auf eine Ebene mit dem restlichen Text gesetzt. Einige Gedankenstriche wurden neu eingefügt. Der Zweitdruck in Die kleine Komödie nimmt auf orthographischer Ebene und bei der Zeichensetzung vieles zurück, was im Typoskript geändert wurde, da er der neueren Recht­schreibung folgt. Dies betrifft das «th», die Kleinschreibung von bestimm­ten Substantivierungen, die Eindeutschung von Fremdwörtern und den Apostroph. Allein das Wort «höhnisch» wird, ohne ersichtlichen Grund, nicht wiedergegeben (A 251 3r).

Im Sommer des Jahres 1929 ist Schinnerer erneut in Wien zu Gast. Wäh-rend des Aufenthalts taucht sein Name immer wieder im Tagebuch[4] auf, Schnitzler hebt besonders hervor: «Sein hübscher Artikel (in der Germ. Rev.) über meine z.Th. ungedruckten Jugendarbeiten». (21. Juni 1929, Tgb. 258f.). Er ist mit Entwürfen und unveröffentlichtem Material beschäftigt und hilft dabei, Schnitzlers Schriften zu ordnen. Nicht erst in fortgeschrit­tenem Alter ist Schnitzler sein eigener Archivar, der sein Material sorgfältig ordnet und viel Zeit darin investiert, es in Mappen gesammelt nach Themen und Gattungen zusammenzufassen. Zu den literarischen Texten kommt noch seine umfangreiche Sammlung von Zeitungsausschnitten über sich selbst.

Die äußere Ordnung soll das innere Chaos lindern und günstige Produk­tionsbedingungen schaffen. Oft hilft Schnitzler das Ordnen und die Durch­sicht alter Entwürfe, um wieder ins Schreiben hineinzukommen und ent­weder an Altem weiterzufeilen oder aber etwas Neues zu beginnen: «This excessive zeal in ordering and preserving the record of his life was not prompted by personal vanity; in fact, Schnitzler was remarkably free from this rather common failing. It was due partly to a highly developed pedantic trait of his character which he had early cultivated, to counteract, as he stated, a tendency to easygoing playfulness and lack of concentration». (Schinnerer 1933, 114).

Schinnerer kehrt im Jahr 1931 nach Wien zurück[5]. Ein Freund «über das Grab hinaus» (22. August 1918, Tgb. 173), ist er auch nach Arthur Schnitz­lers Tod bei dessen Sohn Heinrich zu Gast, um den Nachlass zu sichten und erhält weitere Einblicke in Schnitzlers Archiv: «Several folders contain ideas, plans, and subjects jotted down at the moment for possible future use. They formed a convenient storehouse to which he turnded when in need of material, either for independent elaboration or for incorporation in other works». (Schinnerer 1933, 116). Er lebt dazu im Sommer 1932 drei Monate lang in Schnitzlers Wiener Haus in der Sternwartestraße und sichtet die Texte für seinen Band mit den weniger bekannten kurzen Prosastücken, zu denen auch Er wartet auf den vacirenden Gott gehört. Diese Erzählung soll im Folgenden nähere Betrachtung finden, da sie für Schnitzler mehr ist als nur eine Satire auf die Kaffeehausliteraten, wie sie von Karl Kraus 1896/97 in Die demolirte Literatur beschrieben wurden[6].

Am Anfang der Erzählung gibt es eine signifikante Überarbeitung, die «Nämlich mein Freund Albin wartet auf mich» in «wartet auf ihn» ändert, als scheine Schnitzlers persönliche Identifikation mit dem «vacirenden Gott» zunächst auf. Danach wird diese Identifikation konsequent aufgeho­ben und die Erzählung konsequent aus der Sicht des Freundes, nicht aber aus der des «vacirenden Gottes» erzählt. Vielleicht ergab sich dieses anfäng­liche Versehen im Diktat «nach dem ersten Manuskript», wie auf der letzten Seite vermerkt, als Schnitzler sich retrospektiv selbst als der beschriebene «vacirende Gott» sah.

Der Titel lässt sich auch begreifen als objektivierende Selbstanrede, wel­che die Möglichkeit der Ankunft des «vacirenden Gottes», und damit die Möglichkeit, diese Erzählung schreiben zu können, erst eröffnen soll. Schnitzler schafft eine Leerstelle, um auf deren Erfüllung warten zu kön­nen; die Vakanz entwickelt eine Sogkraft, welche die Leere schließlich füllt. «Vazierend» bedeutet, «frei, dienstlos sein»; der Begriff stammt etymolo­gisch von lat. «vacare», «frei sein». Das Wort «vacirend» heißt: «ungebunden, frei, noch zu haben» (Teuschl 241). Das weiße Papier fordert die Schrift.

Der Name des Freundes Albin (lat. «weiß») stellt selbst eine Vakanz aus. Das Weiße zeigt eine Leere an, die erst durch das Hinzukommen eines Zweiten, vornehmlich des Schwarzen, sichtbar und sprechend wird. Das Problem: Wie kommt das Schwarze der Schrift auf die weiße Seite? Tritt man einen Schritt zurück, lässt sich die Erzählung als Mittel der Selbstver­gewisserung von Schnitzler selbst begreifen, der sein Schaffensproblem hier objektiviert und damit in actu es hinter sich lassen kann.

Da der bestimmte Artikel «der» vacirende Gott Indikator für etwas schon Bekanntes ist, dessen Identität aber im linearen Verlauf der Lektüre an dieser Stelle noch verborgen ist, wird auch der Leser selbst in den Zu­stand des Wartens versetzt. Wie Albin auf Inspiration wartet, wartet auch der Leser auf das Erscheinen des vacirenden Gottes, der erst ganz am Ende der Erzählung vorstellig wird.

Die Wendung «wie ein vacirender Gott» beschließt die Erzählung; die eröffnete Leerstelle wird mit ihr gefüllt. Im Erstdruck in der Deutschen Wo­chenschrift erscheint im Anschluss zusätzlich die Signatur «Arth. Sch».: Schnitzler und der «vacirende Gott» werden auf diese Weise in eine enge Beziehung gebracht. Figur und Autor sind in Probleme der poetischen Pro­duktion verstrickt; mit der Differenz, dass Schnitzler, um diese Erzählung schreiben zu können, die gänzliche Untätigkeit, die Albin kennzeichnet, be­reits überwunden haben muss.

Nachdem Albin zunächst nur als «Freund» eingeführt worden war, wird er nun als «Poet» bezeichnet. Aus der Einschränkung des Entwurfs, Albin sei «wahrscheinlich» ein großer Poet, wird im Druck die Bekräftigung dieser Behauptung. Das bedeutet, dass auch ein Schriftsteller, der nur Fragmente hervorbringt, in den Augen des Erzählers ein «Genie» sein kann.

Plötzlich kommen die Ideen über Albin und bedrängen ihn. Diesen Mo­ment der Inspiration will der Erzähler selbst bezeugen. Der Erzähler glaubt – was den Leser skeptisch werden lässt –, Einsicht in diesen bewunderns­werten Vorgang zu haben («Ich faßte es sofort auf»). Aus seiner bisherigen Erfahrung sagt der Erzähler voraus, was am nächsten Tag geschehen wird: Albin würde berichten, dass er nachts, die Zeit der Inspiration par excellence, wieder Anfänge und Fragmente hervorgebracht habe. Diese sind aller Art: Novelle, Drama, «Reflexionen», «abgerissene Sätze», «Worte mit überra­schendem Epitheton». Auch der Text selbst gehört einer skizzenhaften Gattung an. Schinnerer nennt die Erzählung in seinem Artikel eine «no-vellette». Schnitzler unterscheidet Roman und Novelle nach dem Grad der Fixierung auf den Helden; die Novelle vernachlässigt Hintergründe.

Den Erzähler befremdet es, die losen Papiere zu sehen. Es sind «abge-rissene Scenen», «Brouillons», «erste Capitel», «Ideen», «Skizzen», «Pläne». Die Umarbeitung von «Blätter» zu «Papier» hebt die Materialität des Schrei­bens hervor. «Blätter» haben schon immer einen bestimmten Zweck, «Pa­pier» dagegen ist ihr Basisstoff. Die «abgerissene[n]» «Sätze, Worte» werden zu «kurzen Sätzen, Worten». Es folgt die ehrfürchtige Erkenntnis: Albin führt nichts zu Ende, weil ihm zu viel einfällt und bei der Ausführung da­zwischen kommt. Der Erzähler begegnet der Irritation durch die Notizen, indem er sie als Ausfluss einer besonderen genialen Begabung rechtfertigt – und erliegt damit der Suggestion des Künstlers, die Schnitzler hier aus­stellt. Der Autor selbst lässt eben das nicht als Ausrede zu.

Das Niedergeschriebene wird von Albin selbst insgesamt als «Plötzli­ches» charakterisiert. Das Adverb stammt etymologisch von «Blitz», einem Phänomen, das Entzweiung anzeigt und in seiner Gewalt unverfügbar ist und daher göttliche Attribute gewinnt (Paul 754). Der Erzähler stellt so­gleich die grundlegende hermeneutische Frage angesichts des Vortrages des Freundes: «Was bedeutet das?» Indem die Antworten der Frage ausweichen, zeigen sie den ereignishaften Charakter poetischer Sprache: «Ich weiss es selber nicht mehr». Die erste Antwort exkulpiert den Autor vom Erklären seines eigenen Textes, da Transparenz bezüglich des eigenen Schaffens nur im Moment des Schaffens intuitiv bestanden hat, und nun, retrospektiv, unwiederbringlich verloren ist.

Die zweite Antwort, «Das gehört in irgendetwas hinein, was mir noch nicht eingefallen ist», wird selbst erst in der Überarbeitung eingefügt. Sie «gehört in irgendetwas hinein», was Schnitzler an dieser Stelle des Diktats tatsächlich noch nicht eingefallen war. Einzelne Worte, Sätze oder gar Texte können potentiell Teil eines Ganzen werden, das erst aus dem Zusammen­spiel des schon Geschriebenen und des noch zu Schreibenden entsteht. Das Ganze ist im Moment der Niederschrift unbekannt; die Teile harren noch ihrer Vermittlung. Hierauf zielt auch die Antwort: «Das wird nur im Zu­sammenhange klar» und «Das gehört wo hinein». Erst in der gegenseitigen

Beleuchtung der Versatzstücke ergibt sich das Ganze, das den in sich ver­mittelten Sinn der Teile aufscheinen lässt.

«Wie? das begreifst du nicht?» – Diese Antwort wiederum weist den Vor­wurf der Unverständlichkeit als Mangel des Textes zurück und gibt ihn an den Rezipienten zurück. Albin gibt fünf Beispiele enigmatischer Sätze, de­ren Sinn sich erst durch Kontextualisierung ergibt. So wie die Tangente den Kreis nur berührt, aber nicht in das Innere vorstößt, sondern an seiner Grenze verbleibt (daher wird «im» zu «am»), bleibt diese Aussage nur sug­gestiv. Die Unmöglichkeit der Paraphrase ist das Signifikante von Literatur: dass das eine nur genau so gesagt werden kann; dass jede Reformulierung oder Erklärung schon davon abweicht, weil es die Übersetzung des Litera­rischen in Begriffe notwendig macht.

Wie Szenenanweisungen in einem dramatischen Text setzt Schnitzler drei eingeklammerte Pausen. Sie geben dem jeweils zuvor Gesagtem Raum, sich in diesem Innehalten zu entfalten (sie wurden, wie die Wendung «Todter Orkan», nachträglich hinzugefügt, um diese Stelle theatralischer zu gestalten). Der nächste Satz, den Albin vorliest, könnte als erster Satz einer Novelle gelten, als Exposition einer Figur in der ersten Begegnung – aller­dings, was man bei Schnitzler selbst häufig beobachten kann, ohne über die Eröffnung hinauszukommen. Dem schließt sich unvermittelt ein Satz an, der den Bogen zum Titel schlägt und das erste Mal die Rede vom «vaciren­den Gott» auch in die Erzählung selbst einführt: als Bestandteil eines litera­rischen Textes im literarischen Text selbst. Der fiktive Einfall dieser Wen­dung hat selbst den Bericht des Erzählers zur Erklärung dieser Wendung fiktiv provoziert; die Erzählung entstand vielleicht nur, damit Schnitzler sich selbst diese Wendung literarisch erklären konnte.

Albin weist es zurück, zu erklären, was ein «vacirender Gott» genau sei – vielleicht ist er die Notwendigkeit der Phantasie, dem Einfall literarisches Leben einzuhauchen. Mit Vernunft lasse es sich nicht erfassen, man müsse es «empfinden». Der «vacirende Gott» habe ein Bewusstsein seiner Gött­lichkeit, so der Erzähler, aber er könne nichts damit anfangen. Er sei wie der oberste griechische Gott, der keine Anstellung finde und somit zur Un­tätigkeit verdammt sei. Indem Albin ihn weiter ermuntert, lässt er sich schon darauf ein, seine Literatur doch zu erklären. Die weitere Auslegung überlässt er dem Erzähler. Der imaginiert einen Herrscher, der, seiner Herr­schaft verlustig, noch immer mit den Insignien der Macht ausgestattet, ziel­los und unfreiwillig komisch umhergeht.

Als ein junges Mädchen am Fenster vorbeikommt, beharrt Alib darauf, dass allein die Betrachtung dieses Mädchen nach Albin ausreiche, um zu be­greifen, was mit dem vazierenden Gott gemeint sei. Feierlich spricht Albin diese Erkenntnis aus, was bei dem Erzähler Scham und Erlösung hervorruft: «Scham», so begriffsstutzig und blind zu sein; «Erlösung», nun zu den Ein­geweihten zu gehören, die sich gegenseitig in ihrer Auffassung, das Mädchen mit der Musikmappe sei die «Künstlerin ohne Engagement», die «vacirende Göttin», bestätigen können. Die begriffliche Entfaltung wird hier selbst vazierend, bleibt im Bereich der tautologischen Andeutung und bloßen Sug­gestion. Die Erfahrung ist nicht artikulierbar, sie bleibt unausgesprochen und damit im Bereich des Vagen. Das bedeutet aber auch, dass die Rede leer und ohne Verantwortung bleibt, wie Martin Swales in dem Kapitel zur Be-ziehung von Sprache und Moral bei Schnitzler beschreibt (Swales 150-80).

Das Vazieren aber berge auch eine Gefahr, phantasiert Albin fort: dieje­nige, der eigenen «hohen Abstammung» zu vergessen, wie es in der Grund­schicht heißt, oder, in der Überarbeitung, «die letzte Spur des herrlichen Wesens zu verlieren». Die erste Formulierung betont den Aspekt des Gött­lichen als Herkunft, die zweite die Souveränität und Erhabenheit des vazie­renden Gottes. Durch allzu langes Nichtstun kann das Besondere, das Po­tential eines solchen Menschen verloren gehen: Die Herrschaftsabzeichen schleifen im Dreck, wie der Erzähler in Albins Phantasie einsteigt.

Sogar der «Herrgott der Bibel», des Buches der Bücher, sei einmal vazie­rend gewesen. Diese Bemerkung erstaunt Albin (in der Grundschicht «be­stürzte» sie ihn noch). Der Erzähler bezieht sich dabei auf den Zeitraum vor der Schöpfung, die er als «faux pas» bezeichnet, als Geburt des «un­glückseligen Menschen». Sofort nach dem Aussprechen dieses Satzes no­tiert er ihn, ehe er wieder verflogen ist. Das «Aperçu» wird ins Notizheft mit dem bereit liegenden Bleistift notiert. Der Erzähler kommentiert: Es wird der «Nachwelt» erhalten bleiben, wie auch Schnitzlers Einfall der Rede vom «vacirenden Gott».

Wenn die «letzte Inspiration», die «letzte Feile» fehlt, können die vazie-renden Götter ihr eigentliches geniales Potential nicht ausschöpfen, sie kommen nicht in den «Himmel», ihre «Heimat». Wenn die «Natur» an den «Genies» nicht recht geschliffen hat, obwohl sie «grosse Geister» sind und den «göttlichen Funken» (die Rede vom «Funken» taucht immer wieder in Schnitzlers Aufzeichnungen auf, um den Moment des Anfangs schöpferi­scher Tätigkeit zu bezeichnen. Der Beginn aber ist unverfügbar, vgl. Kam­mer 29-42) in sich tragen, müssen sie leidend an ihrer verwehrten Möglich­keit unter den Alltäglichen umhergehen, ohne sich ihrer Anlage gemäß ent­falten zu können. Dies ist genau, was Schnitzler oft beklagt: seine Unfähig­keit, trotz vieler kleiner Einfälle, etwas wirklich Großes zu schaffen. Dazu fehlt ihm die Stimmung, der letzte Funke des Genies.

Der Freund will den Künstler zu mehr Selbstverantwortung führen, in­dem er die Unverfügbarkeit der Inspiration umdeutet in eine partielle Ver­antwortlichkeit des vazierenden Gottes: Er sei selbst Schuld, wenn er durch «Bummelei» seine Göttlichkeit einbüße, wo er doch «alles vollbringen» könnte. Dem stimmt Albin zu. Der Gemeinschaft der vazierenden Götter gehört der Erzähler selbst aber nicht an, wie Albin klar macht, ehe er geht, nun ganz literarische Figur, «wie ein vacirender Gott». Für den Erzähler ist am Ende der Geschichte die Phrase lebendig und leibhaftig geworden.

Hier endet die Überarbeitung. Der Abschnitt, der in der Grundschicht hier noch anschließt, wiederholt nochmals die Außergewöhnlichkeit Albins, der in seiner poetischen Kraft sogar dem «Schöpfer» gleichgesetzt wird. Gleichzeitig wird aber diese Ehrfurcht gemildert durch den komischen Ef­fekt, den Albins sehr irdische Bitte um eine Zigarre hervorruft. Diese Man­gelhaftigkeit rückt ihn wieder auf eine Stufe mit dem befreundeten Erzähler und relativiert ironisch Albins poetische Potenz. Dass dieser relativierende Schluss gestrichen wurde, passt zu den restlichen Überarbeitungen, die in Richtung einer Pointierung mehr als in die einer Milderung zielen.

Albin wird zur Verkörperung der «problematische[n] Mittelstellung ei­nes modernen Autors zwischen dem handwerklich-selbstbewußten Erzäh­ler älterer Prägung und dem sich durch die Identifikation mit dem Literari­schen auflösenden Avantgardisten» (Spinnen 90). Er verlässt am Ende das Kaffeehaus als vazierender Gott, als «jenes genialische Bewußtsein, dem kein Arbeitsethos und Bereitschaft zur intellektuellen Elaboration und äs-thetischen Konzentration entsprechen» (Pontzen 292f.), der sein Leben nicht mehr im Kaffeehaus literarisch[7], sondern nahezu vollständig unpro­duktiv verbummelt. Er ist nicht länger Produzent von Literatur, sondern ist selbst Teil einer poetischen Konfiguration, die vom Freund, der dichteri­scher als Albin selbst ist, so gelesen wird, ohne tatsächlich literarisch tätig zu sein. In der Reparaturleistung des Erzählers wird «die schöpferische Un­produktivität zum voluntativen und moralisch hochstehenden Akt des Künstlers» (Pontzen 294).

Produktives Bummeln, Zweifel am eigenen Arbeitsethos, die poetische Produktion von Einfällen, die Notwendigkeit der Inspiration: Schnitzler bleiben zeitlebens Zweifel, den Publikationsanforderungen, und vor allem den eigenen Erwartungen, gerecht zu werden[8]. Olga Waissnix berichtet er von dem Zweifel, ein echter Künstler zu sein und nicht bloß ein «Literat». Er komme sich «oft lächerlich vor wie einer, der nur die Gebärden des Künstlers hat, sehe mich selbst als Wurstl dessen, was ich sein möchte». (29. März 1897, OW 319).

Schreiben – die «Pathologie des Schaffens»[9] – wird von Schnitzler cha­rakterisiert nicht als planbarer Prozess, sondern als ein chaotischer Vor-gang. Dies bedingt das Glück des Schreibens, wenn es denn glückt; aber auch die Verzweiflung, wenn es scheitert. Diese Ambivalenz des Schaffens bringt den Dichter immer wieder in die Nähe des Krankhaften. Schnitzler selbst beklagt oft das Krankhafte seiner charakterlichen Unzulänglichkeit, die sein Schaffen stark behindert: Hypochondrie[10], Ungeduld, geringes Be­harrungsvermögen und dass er immer von der rechten Stimmung zum Schreiben abhängig ist[11].

Der Geist im Wort und der Geist in der Tat (AphB 135-66) ist Schnitzlers Versuch, durch begriffliche Klassifizierung verschiedene Typen von Men­schen einander gegenüberzustellen. Er unterscheidet Dichter und Literat. Durch einen «bedeutenden Anlaß» kann der Literat zwar für beschränkte Dauer scheinbar zum Dichter werden: «ein Literat unter dem Einfluß eines starken persönlichen Erlebnisses in irgendeinem seiner Werke wie ein Dich­ter wirken» (AphB 140f.), aber die Grenze zwischen ihnen steht für Schnitz­ler klar fest.

Dem Literaten ist das Schreiben äußerlich, während es der Dichter aus innerem Drang ausübt. Er ist dabei der «Spiegel der Welt»; der Literat da­gegen sucht nur nach «Stoffen», er instrumentalisiert die eigenen Erfahrun­gen: «Er betrachtet seine Erlebnisse, seine Beziehungen und auch seine Stimmungen daraufhin, wie er sie etwa zugunsten seiner Produktion ver­wenden und ausnützen könnte». So kann er den Menschen aber nicht mehr «wahrhaft reinen Herzens» begegnen (AphB 151).

Der «vacirende Gott» Albin ist so ein Literat und Dilettant, weil er nichts zustande bringt, was Wert hätte; er hat Talent, aber kein Genie. Dilettant ist, wer zwar Talent hat, aber aus Gründen des Charakters dieses nicht nut­zen kann: «Es gibt nur spezifische Begabungen irgendwelcher Art in Ver­bindung mit einer dilettantischen Anlage oder einem dilettantischen Seelen­zustand». (AphB 159). So gäbe es «eine Sorte von Dichtern, deren Talent weit genug geht, um eine Art von nebelhafter poetischer Atmosphäre zu erzeugen». Der Kenner spürt aber, «dass dort immerhin wirkliche, redlich bemühte Dichter am Werk waren, deren Talent der ungeduldige Schöpfer nur eben zu früh aus der Pfanne nahm» (AphB 368).

Eine solche «dilettantische Anlage»[12] ist die Abhängigkeit von der «Gnade des Augenblicks». «Stimmung» kann zwar angestrebt, aber nicht herbeigezwungen werden. «Gnade» wird einem gewährt, man kann sie nicht einfordern. Das Subjekt erfährt sich hier in seiner Abhängigkeit von nicht kontrollierbaren externen Faktoren. Zwar ist der Dichter «Gestalter und Bewahrer aus innerer Notwendigkeit», doch in den «unfruchtbaren» Mo­menten «verliert die ganze Welt für ihn ihren Glanz oder erlischt geradezu. Keiner ist so sehr wie er Mensch von Gnaden des Augenblicks» (AphB 150).

Das Schwanken zwischen inspiriertem Schaffen und uninspirierter De­pression: Die Rede von der «Gnade des Augenblicks» beschreibt das Prob­lem, das in der Erzählung vom «vacirenden Gott» verhandelt wird. So sehr der Künstler auch den freien Willen repräsentiert, der durch literarische Neu-Schöpfung und Neu-Ordnung sich dem kontingenten Chaos der realen Welt entgegenstellt, so abhängig ist er doch von der Gnade der Inspiration, die nur gewährt, nie aber eingefordert oder gar herbeigezwungen werden kann: «Das Facit bleibt eine horrende Confusion» (3. März 1881, Tgb. 98).

Sein Freund Richard Hell drücke Schnitzlers «tiefinnersten Gedanken» aus, wenn er sage, dass «die Künstlerschaft […] kein neidenswerthes Ge­schenk der Natur» sei. Denn: «Uns ist es versagt, immer wir selbst zu sein, und dennoch sind wir nur dadurch, dass wir Künstler sind». Künstler zu sein, heißt, von etwas Unverfügbarem abhängig zu sein: «Wir sind Men­schen von Gnaden des Augenblicks –» (3. März 1881, Tgb. 98). Schnitzler ist dem eigenen Schreiben gegenüber nicht souverän: Ob es glückt, hängt von nicht kontrollierbaren Faktoren ab. Im Jahr 1890 schließlich gab er die Wendung seines Freundes Hell schon als eigene aus:

Warum ich nichts thue –? weil ich geisteslahm geworden bin und ich nicht zwei vernünftige Sätze hintereinander schreiben kann. Wenn das noch einige Wochen so fort geht, bekomme ich einen solchen Ekel vor mir – aber einen solchen –! Menschen von Gnaden des Augen­blicks hat einmal einer die Künstler genannt; wie sehr würde mich das trösten – wenn dieser eine nicht zufällig ich gewesen wäre. (März 1890, OW 181)

Eng verbunden mit der Unverfügbarkeit der Gnade ist die Rede von der Inspiration. Nur in Augenblicken der Inspiration kann er schreiben, auch wenn Schnitzler das Schreiben gerne allein durch Willenskraft herbeizwin­gen würde: «Wissen Sie, wie ich mir meine Inspiration wünschen würde? Leidenschaftlich, und vor allem, ganz allein mein Eigenthum –» (6. Septem­ber 1890, OW 219). Doch liegt sie nicht in seiner Gewalt: «Die Inspiration kommt und rauscht über mich» (September 1890, OW 224). Hat sie sich eingestellt, gelingt das Schreiben; doch kann sie sich im nächsten Moment schon wieder entziehen: «Kaum aber wird sie etwas schwächer (die Inspi­ration nemlich), so bin ich auch schon fertig, und so, zu einer Zeit, wo andre erst in das richtige Schreiben hinein kämen, bin ich gelähmt, fertig – voll­kommen! –» (September 1890, OW 224).

Die Bedingung der künstlerischen Produktion ist sehr labil und vielen Gefahren ausgesetzt. Als inspirationsfördernd erweist sich ihm bisweilen die Lektüre alter Aufzeichnungen, die den Schaffensprozess begünstigen kann: «Um aber in die Stimmung zu kommen, nehm ich mir meist meine Papiere her, stöbre darin umher, lasse von dem einen oder andern Gedan­ken aus meine Phantasie weiterschweifen». (29. August 1889, OW 165).

Nur selten gelingt das Schreiben mühelos: «Manchmal wieder packt es mich, dass ich schreiben muß, es fliegt nur so hin –». Doch dann versiegt es unvermittelt wieder: «plötzlich, oft nach Minuten schon, zuweilen auch nach Stunden, ist mir, als wenn etwas in mir erstarrte. Und die Wellen ver­sickern im öden Sande». Vor dem Geschriebenen empfindet Schnitzler dann einen «gelinde[n] Schauer»; er traut sich nicht, es zu lesen, so fremd ist es plötzlich geworden. Nach diesem inspirierten, lebendigen Moment können Tage oder Wochen «in der Erstarrung» folgen, «die langen, grauen Stunden, wo einem zu allem die Lust fehlt» (29. August 1889, OW 165).

Die Stimmungen[13], denen Schnitzler sich ausgesetzt sieht, bedrohen seine gesamte Existenz. Die Lustlosigkeit erstreckt sich in solchen Phasen auf alle Bereiche seines Lebens: «Ich schrumpfe ein, mir ist, als hätt mein Geist nicht für einen Heller Schwungkraft mehr». Wenn dieser Zustand nicht vorüberginge, «könnt ich die Bude zusperren». Denn: «Stimmungslo­sigkeit – kennen Sie das?! Wissen Sie, was das für einen Menschen heißt, der sozusagen seinen täglichen gemütlichen Unterhalt von seinen Stimmun­gen bestreitet? –» (Ende April 1888, OW 127).

Ohne Stimmung kann Schnitzler nicht schreiben. Diese Wechselhaf­tigkeit der Schreibstimmung führt dazu, dass seine literarischen Pläne oft gar nicht – oder nur unter großen Schwierigkeiten – bis zum Ende ausge­führt werden können. Solange jene Stimmung abwesend ist, gerät Schnitzler in Selbstzweifel bezüglich seines Schaffens; seine Produktionskraft scheint versiegt. Ist die Stimmung aber da, wird er euphorisch. Bedingung für die Stimmung ist Muße – und die kann nur sich einstellen, wenn Schnitzler neben seinem Beruf genügend Ruhe findet, was oft genug nicht der Fall ist:

Nur zuweilen die Möglichkeit, sich in Stimmung zu versetzen. – Für­chterlich labil anfangs. Ein Misklang von woimmerher und ich kann alles wieder ins Pult hineinwerfen, ohne ein Wort geschrieben zu ha­ben – An eine große Arbeit getrau ich mich nicht, denn wie ich so in die Mitte hineinkomme und plötzlich wieder – durch den Beruf – durch Zufälligkeiten die Stimmung verliere, so stehe ich ganz peinli­ches aus. (29. August 1889, OW 166)

Der Beruf erscheint als Umstand, welcher der Stimmung, die zum Schreiben unabdingbar ist, abträglich ist. Schnitzler vermutet, dass «unter einer Bedingung doch irgendetwas gutes von mir hervorgebracht werden könnte – nemlich wenn ich tun könnte, was ich wollte, wenn das ver­dammte Berufhaben nicht wäre» (29. August 1889, OW 166). In dem Zwie­spalt zwischen Beruf und Berufung «in die wahre große Stimmung zu jenem andern hinzutreiben fehlt es an Ruhe, Klarheit, und an dem wirklichen Ta­lent». Enttäuscht blickt er im Jahr 1888 im Tagebuch auf das Produzierte zurück: «Der Göttliche Funke war wohl nur Glimmerpapier!» (20. Septem­ber 1888, Tgb. 237).

Schnitzlers Konzentration und Stimmung, die Bedingungen für eine ge­lingende poetische Produktion sind, ist insbesondere die Ablenkung durch den Arztberuf abträglich[14]. Den Beruf sieht er als Hindernis an, sein ganzes literarisches Potential entfalten zu können. Immer wieder findet sich bei Schnitzler der Gedanke, dass etwas dem Schreiben im Wege steht, das ihn davon abhält, etwas wirklich Großes zu schaffen. Etwas hält das Talent in der Schwebe, sodass es nicht zum Genie werden kann. Wie beim «vaciren­den Gott» fehlt die «letzte Feile»[15].

Neben dem eigenen Charakter, der zur Zerstreuung und Wankelmütig­keit neigt, ist es der Arztberuf der ihm als Grund für die unzulängliche lite­rarische Produktion gilt: «Hin und hergeworfen zwischen Wissenschaft und Kunst bringe ich zu keinem von beiden mein ganzes Ich mit und werde in der Arbeit durchs Dichten, im Dichten durch die Arbeit gestört». (15. De­zember 1880, Tgb. 91). Zwar will er oft genug schreiben, doch ist damit nicht gewährleistet, «daß sich zu gleicher Zeit Begeisterung, Inspiration ein­stellt». (15. Dezember 1880, Tgb. 91f.).

Die Sehnsucht, zu schreiben, koinzidiert nicht immer mit dem Vermö­gen, es auch tun zu können. Die Erfahrung dieses Unvermögens des «va­cirenden Gottes» nährt den inneren Zwiespalt, von dem besonders die Stu­dienjahre geprägt sind. «Ich weiß es noch nicht […], ob in mir ein wahres Talent für die Kunst steckt», hielt Schnitzler im Jahr 1885 im Tagebuch fest. Eines aber sei gewiss: «daß ich aber mit allen Fasern meines Lebens, meines höheren Denkens dahin gravitiere». Er habe – wieder fällt das Stichwort aus dem zuvor zitierten Eintrag – «Heimweh» nach dem Schreiben, das wäh­rend des Studiums umso stärker werde, je weniger er schreibe: «es ist ein-fach eine unbeschreibliche Hinneigung zu jenem Berufe, der mir so einzig schön dünkt –» (7. Mai 1885, Tgb. 33f.)

Oft fehlt Schnitzler durch die Belastung durch den Beruf die nötige Sammlung und Konzentration für die Literatur. Die vielen Notizen, Skiz­zen und Pläne in Schnitzlers Nachlass zeugen von diesem Einfallsreichtum, wie auch von der Unfähigkeit, alle Pläne bis zum Ende auszuführen und die Stücke in der richtigen Weise zusammenzufügen: «Manchmal allerdings bringt sie [die Inspiration, G.B.] mich gewaltig in Stimmung und entwickelt mir Stoffe, für die ich dankbar wäre, wär ich der Mensch, alles auszuführen». (28. Januar 1887, OW 67-69). Und wenig später erscheint auch schon wie­der das Bild aus Er wartet auf den vacirenden Gott: «Ihre Hoheit, die Muse be­schäftigt sich in der letzten Zeit wieder damit mich auf die Stirne zu küssen. […] Manchmal schwebt sie nur an mir vorbei und läßt mich in ungestilltem Sehnen einsam unter Tausenden zurück –» (22. März 1887, OW 77).

In Anlehnung an Horaz’ «disperta membra poetae» bemerkt Schnitzler: «[…] nicht jeder besitzt die eigentümliche elektrische Kraft, in den einzel­nen Stücken den richtigen Funken zu entdecken und sie in der richtigen Weise zusammenzufügen». Die Entfaltung dieser «elektrische[n] Kraft», die alles Verstreute erst aus- und zusammenführen könnte, bleibt durch seine beruflichen Verpflichtungen beeinträchtigt. Der Dichter Schnitzler kann sich nicht sammeln.

Als ob der Anklang von «Schnitzeln», «Schnipseln», in seinem eigenen Namen Realität wird, beschreibt Schnitzler sich selbst als in Einzelteile zer­streuter Dichter: «Ich bin kein Buch; ich bin – lose Blätter. Und wenn sich jemand die Mühe eines groß angelegten Buchgebindes nehmen und zusam­menheften wollte, so würde ein geneigter Leser finden, daß gerade dort, wo die Geschichte am spannendesten wird, ein paar Seiten fehlen – davonge­flattert, verweht, zerrissen». Unterschrieben ist der Brief mit «Ihr ungebun­dener Arth Sch» (22. März 1887, OW 77). Die schöpferische Lust wird im Zwiespalt zwischen Beruf als Mediziner und Berufung als Schriftsteller oft selbst zur Quelle von Frustration: «Ich habe wieder in meinen Plänen her­umgeblättert und es packte mich wie eine Verpflichtung: du musst das schrei­ben, du musst die papierenen Leute auf die Beine stellen, du musst dieses papirene Leben in Luft und Bewegung tauchen». (Juni 1888, OW 133f.)

Dieser «Verpflichtung» folgend habe er «das und jenes wieder angefan­gen». Das Problem sei nur, auch wenn das «komisch» klinge, formuliert er: «hätt ich nur Zeit, oder besser noch: hätt ich nur Zeit zur Stimmung». Die «Stimmung» erfordert Zeit, weil sie Raum braucht, sich einzustellen. Man kann Bedingungen schaffen, die es wahrscheinlicher machen, dass «Stim-mung» als Ermöglichung des Schreibens erscheint. Schnitzler spürt den Drang zu schreiben gerade dann besonders intensiv, wenn die «Stimmung» längere Zeit ausbleibt: «es will sich formiren, will Gestalt, Athem, Leben – mir fehlt die Ruhe, richtiger die Zeit zur Ruhe». (Juni 1888, OW 133f.).

Schnitzlers Zweifel über das eigene literarisches Können hielten trotz des Erfolgs bis an sein Lebensende an. Aber er war auch reflektiert, ehrgei­zig und zugleich selbstbewusst genug, Ausreden sich selbst gegenüber nicht gelten zu lassen. So sehr er auch die Fatalität seines Schreibens und seines Charakters fühlte, so sehr insistierte er doch auf der Verantwortung für die Gestaltung des eigenen Lebens – und unterschied sich so signifikant von dem sein literarisches Leben verbummelnden Albin in der Erzählung vom «vacirenden Gott».

Die Spannung zwischen Selbsterwartung und Selbstbestätigung, zwi­schen Fremderwartung und Fremdbestätigung machte Schnitzler Kritik sei­ner poetischen Produktion gegenüber empfindlich. Er fühlte sich anderen – in seinen Augen produktiveren – Schriftstellern unterlegen, da seine Ar­beitsfähigkeit stark von seinen «Stimmungen» abhängig war. Darin sah der «Quartaldichter» Schnitzler neben der Neigung zum Bummeln und zur Oberflächlichkeit sein größtes Defizit. Er fragte sich, ob er jemals die «Ruhe» und das «Talent» haben werde, um seine «großen Stoffe ausführen» zu können, wenn er doch nicht kontinuierlich an ihnen arbeiten könne.

Die «Wirklichen» hätten immerzu an ihren Texten gearbeitet: «ihre Ar­beit war Leben – ich bin doch eigentlich nur ein Quartaldichter (so wie es Quartalsäufer gibt)». Schnitzler charakterisiert sich selbst als «nachlässig, verbummelt, oberflächlich, schlecht erzogen». Seine Klage darüber bleibt konstant, «dass für die beträchtliche Zahl meiner Ein-, Aus- und Abfälle weder meine Arbeitskraft, noch meine künstlerischen Fähigkeiten ausrei­chen». Das aber könne «eine Lebenslüge oder eine Sterbensausrede sein» (20. Juni 1906, OB 231). Die Rede vom «vacirenden Gott» ist Anzeige des grundlegenden Problems und zugleich der (früh erfolgreiche) Versuch, seine Schaffensunmöglichkeiten schreibend hinter sich zu lassen, was sein umfangreiches Werk eindrucksvoll belegt. Künstler und Werk finden sich durch Beharrlichkeit und Selbstkritik.

Bibliographie

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Die Signatur «Mp». bezieht sich auf den Nachlass Arthur Schnitzlers im Bestand des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar; die Signatur «A» auf den Be­stand der Cambridge University Library.

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Teuschl, Wolfgang. Wiener Dialekt Lexikon. Wien, 1990. Print.



[1] Am 12. Dezember 1886. Jahrgang VI, Nr. 50. 644f. In der Mappe A 251 im Bestand der Cambridge University Library liegen unter der Signatur A 251,1 neun Blatt (und neun Blatt Durchschlag) vor. Die Verso-Seiten sind bis auf 3v unbeschrieben. Sie sind mit Ma­schinentype ab der zweiten Seite durchnummeriert, beginnend mit 2. Der Zweitdruck fin­det sich in Schinnerers Ausgabe 1932, 13-19. Später findet der Text Aufnahme in die ge­sammelten Werke: Schnitzler, Arthur. Die erzählenden Schriften. Gesammelte Werke, vol. 1. Frank­furt am Main, 1961. 10-14.

[2] Neben den verlagsbedingten orthographischen Änderungen verschwindet das Wort «höhnisch». Der Text folgt ansonsten dem bearbeiteten Typoskript.

[3] Die erste Erwähnung des Besuches im Tagebuch: «Dr. Schinnerer kam; ich zeigte ihm allerlei von Manuscripten und erzählte mancherlei». (23. Juli 1928, Tgb. 174).

[4] «Schinnerer arbeitet bei mir (Reigen-Ausschnitte). Isst bei mir, mit Kolap. – Im Gar­ten mit ihm». (3. Juli 1929, Tgb. 261); «Zu Tisch (mit Kolap) Schinnerer (der heute einige meiner ungedruckten schlechten Einakter gelesen (Delorme, Gouvernante, Nil) und auch sehr gut fand, dass ich sie nicht veröffentlicht)». (20. Juli 1929, Tgb. 266); «(Kolap und) Schinnerer zu Tisch bei mir. Er liest allerlei unveröffentlichtes von mir». (27. Juli 1929, Tgb. 268); «Zu Tisch (mit Kolap) Schinnerer; nachher red ich mit ihm über Nachlass und Tgb.-Angelgegenheiten». (1. August 1929, Tgb. 269); «Zu Tisch auch Schinnerer. – Er bringt prächtig Ordnung in meine Sachen; Kolap hilft dabei». (5. August 1929, Tgb. 270).

[5] Vgl. die entsprechenden Einträge im Tagebuch: «Zu Tisch Schinnerer, der in Heini’s Zimmer Ausschnitte und allerlei Briefe (Schuster Simon etc.) durchgesehn. […] Die No­vellensammlung ‹Viennese Novels› angelangt. Die Introduction von Schinnerer hatt ich (Separatdruck) schon auf dem Semmering gelesen. –» (29. Juli 1931, Tgb. 61); «Schinnerers Absicht eines Schn.– Breviers. – Ich begleite Sch. 8 Abd. zur Bahn; er fährt (über Berlin) nach Amerika. Ein Freund. –» (17. August 1931, Tgb. 66).

[6] Wiener Rundschau. Wien [Jg. 1]. Nr. 1 v. 15. Nov. 1896. 19-27 [I]; Nr. 2 v. 1. Dez. 1896. 68-72 [II]; Nr. 3 v. 15. Dez.1896. 113-18 [III]; Nr. 4 v. 1. Jan. 1897. 153-57 [IV].

[7] Vgl. Schnitzlers eigenes Schreiben im Kaffeehaus: «Vorgestern habe ich meine No­velle beendet. – – Ich hoffe, sie wird, wenn sie erst durchgefeilt ist, als ehrenwerte Studie gelten können. Ich habe sie plötzlich zu Ende schreiben müssen, nachts im Café, während schläfrige Kellner bereits die Sessel aufeinander türmten». (29. Juli 1892, Tgb. 25).

[8] Vgl. z.B.: «Ich weiß, daß ich nicht zu den großen Dichtern zähle; nie ein absolutes Kunstwerk schaffen werde; – fühle aber stark die Merkwürdigkeit meines Gesammtwe­sens, in dem auch dichterische Elemente ersten Ranges sind – die nur als ganzes keine Dichterkraft ersten Ranges bilden. –» (3. Januar 1911, Tgb. 208).

[9] Über «Krankheiten der Produktionskraft», z. B. über deren Versiegen: vgl. AphB, 369, sowie: «Wie immer beinah hab ich auch diesmal das beinah täuschende Verlangen: wenn ich nur das Endgültige doch einem anderen überlassen könnte, der mehr Künstler wäre als ich. Über den Sinn der Gestalten, über den Geist ihrer gegenseitigen Beziehungen kann jetzt kein Zweifel mehr sein, und ihre Schicksale sind festgestellt. Was jetzt zu machen ist, könnten andere besser machen als ich, den es eigentlich schon zu anderen Phantastereien und Realistereien lockt». (28. Juli 1906, Br. I 541).

[10] Zur «Krankheit als Auszeichnung», die den Kranken von der «langweiligen Norm» der Gesunden abhebt vgl. Rasch 198f.

[11] Vgl. auch die paradoxe Wendung: «Als Künstlernatur bezeichen wir im allgemeinen die Summe von Eigenschaften, die den Künstler im Produzieren behindert». (AphB, 115). Verwandt ist dieser Aphorismus folgendem: «Manchmal möchten wir uns einbilden, dass gewisse unserer Eigenschaften als Hemmungen unseres Talents wirken, das ohne diese [jene] imstande sein müsste sich viel bedeutender zu entwickeln.B Und doch stellen schein gerade diese [jene] scheinbar hemmenden Eigenschaften zuweilen ein sehr wesentliches Element unserer Begabung dar, so dass der Wegfall dieser [jener] Eigenschaften vielleicht die letzten Entfaltungsmöglichkeiten unseres Talents überhaupt in Frage stellen würden». (A 16,20).

[12] Vgl. die Skizze: «Ein Dilettant, der zu einigen anerkannten Künstlern aufschaut, gläu­big und bescheiden. Er beginnt selbst zu schreiben. Allmälige Veränderung. Wie er alle Kleinlichkeiten, ja selbst Niedrigkeiten des Litteratentums allmälig annimmt, wie er um seine Biographie besorgt ist, wie er sich Stimmungen vorlügt, von denen ihm bekannt ist, dass Künstler unter ihnen leiden. | ‹Mit diesem Buch hab’ ich Viele erlöst›» (DLA Marbach, Gestalten und Scenen, Mp. 83,4). Die Definition des Begriffes ist in der zeitgenössischen Debatte unscharf: «Die Bezeichnung Dilettantismus gehört ja zu denjenigen, mit denen der Sprachgebrauch am willkürlichsten zu verfahren pflegt. Bald bezeichnet man als Dilet­tanten einen Künstler von einer gewissen aristokratischen inneren Lebenshaltung, einen spielerisch angelegten Geist, dem es weniger auf die Vollendung eines Werkes ankommt als auf die Schaffens- oder Spielfreude an sich. Manchmal wieder nennt man so irgendein mäßig begabtes Individuum, das sich an Aufgaben heranwagt, denen es nicht gewachsen ist und das durch seine unbegründeten Ambitionen kläglich oder lächerlich erscheint». (AphB 158).

[13] «Als Stimmungen bezeichnen wir Seelenzustände, die am stärksten von äußeren Ein­flüssen abhängig und von verhältnismäßig vorübergehender Natur sind, wie Lustigkeit, Ver­drossenheit, Zorn usw. – Stimmungen, die sich häufig wiederholen, auch ohne ersichtlichen oder genügenden äußeren Anlaß, deuten auf eine vorhandene Anlage hin». (AphB 159).

[14] Für die Entstehung von Professor Bernhardi ist der Arztberuf dagegen Inspiration. Sol Liptzin, der wie Schinnerer Einblick in Schnitzlers Entwürfe hatte, beschreibt die Genese des Dramas von der ersten Notiz bis zum Druck als Abfolge langwieriger Erwägungen (vgl. Liptzin 1931).

[15] An Olga Waissnix schreibt der Arzt und (noch verhinderte) Dichter Schnitzler aus der eigenen Klinikerfahrung während seiner Medizinerausbildung, dass der Wahnsinn auf ihn «einen zauberischen Reiz» ausübe, und was passiere, wenn ein «normaler» Mensch auf einmal verrückt werde: «Plötzlich ist er geistreich, amusant. Er redet Unsinn – aber es steckt Originalität – manchmal vielleicht was grosses darin! Sein Geist spinnt Fäden zwi­schen den heterogensten Dingen, die er früher mit seinem armseligen Normalverstand niemals hätte knüpfen können. Er wird phantastisch – er wird ein Pöet – wenn auch der letzte Zug fehlt». (31. Oktober 1886, OW 46).

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Panagiota Varvitsioti

(Jena)

Der Blick als literarischer Ausdruck der Wiener Moderne
Hugo von Hofmannsthals Klytämnestra

[The Gaze as Literary Expression in Viennese Modernism
Hugo von Hofmannsthal’s Clytemnestra
]

abstract. This article focuses on the character of Clytemnestra in Hugo von Hofmanns­thal’s drama «Electra» and tries to answer two main questions. Which time-specific and ideological traits emerge from his interpretation of the character? How does the author deal with one of the most popular ancient figures and which aims does he link to his elab­oration? It will be argued that Clytemnestra’s presentation and declamations make her a “modern child” of antiquity and that Hofmannsthal presents contemporary questions by having recourse to the ancient Greek tradition.

In diesem Beitrag steht die von der Forschung bislang vernachlässigte Figur der Klytämnestra aus dem Drama Elektra von Hugo von Hofmanns­thal im Fokus der Betrachtung[1]. Welche zeitspezifischen und ideenge­schichtlichen Charakteristika lassen sich an ihr aufzeigen? Wie verfährt der Autor mit dem Stoff einer der populärsten antiken Gestalten und welche Ziele verknüpft er mit der Bearbeitung? Es wird dargelegt, dass Formge­bung und Vortrag der Klytämnestra diese zu einem “modernen Kind” der Antike werden lassen wodurch Hofmannsthal die aktuellen Fragen seiner Zeit im Rückgriff auf die altgriechische Tradition formuliert[2].

In der Figur offenbaren sich die Verhältnisse im Wien um die Jahrhun­dertwende: die Umkehrung der starren Geschlechterrollen und die Verän­derung des traditionellen Weltbildes. Zudem werden an ihr die neuen Kreise sichtbar, die das Denken solch bedeutender zeitgenössischer Ge­lehrter wie Freud und Nietzsche gezogen haben. Zwar präsentiert sich Klytämnestra als modernes Ganzes, dennoch ist es ein konkreter Augen-Blick, der im Mittelpunkt des Beitrags stehen soll: die letzten Blicke, die Mutter und Tochter aufeinander richten. Im Moment des stummen, bösen Triumphes Klytämnestras sind die beiden Frauen nicht länger Personae. Das Ich wird sichtbar, auch gestalterisch setzt Hofmannsthal hier einen Höhe­punkt, der sich in der Erscheinung der Figuren und in ihrer Gestik und Mimik offenbart.

Ein Augen-Blick vor dem Ende der Klytämnestra-Elektra-Szene

Kurz bevor die Szene zwischen Klytämnestra und Elektra beschlossen wird, stehen beide schweigend und doch näher als je zuvor beieinander, gerade dadurch wird die ganze Dimension dieser Beziehung, die Tiefe des Abgrunds, der Gefühle, die diese beiden trennen, sichtbar.  Elektra erlebt eine Vision vom Tod ihrer Mutter, die die Atridenkönigin ängstigt. Klytämnestra strebt ins Haus zurück. Elektras Hass hat seinen Gipfel bald erreicht, und sie greift Klytämnestra an, in Wort und in Tat, um die Illusion der mütterlichen Macht zu zerstören. Und tatsächlich ringt Klytämnestra um Atem nach dem an einen Überlebenskampf anmutenden Gespräch mit der Tochter. Ihr gegenüber steht Klytämnestra erschrocken und stumm, die ihren Blick auf die Tochter gerichtet hat. In dem Moment erkennt sie, dass Elektra ihr nicht zu Hilfe kommen wird. Der Trieb zu überleben ist mäch­tig, selbst wenn Elektras Mutter stürbe, selbst wenn Elektra sie töten müsste. Klytämnestra blickt auf Elektra wie in einen Spiegel. In deren Ge­sicht liest sie die Folgen ihrer eigenen Taten, sie erkennt eine Kreatur, die aus Lust zerstört. Doch das Böse, das mit Elektras zweiter Vision ein Ende zu nehmen scheint, hat noch nicht seinen Höhepunkt erreicht.  Eine Die­nerin überbringt Klytämnestra die Nachricht vom Tode Orests. Bei der Mutter ist keine Miene des Leidens zu entdecken. Vielmehr wirkt sie befreit von dem Albtraum ihres dräuenden Schicksals. Die Maske fällt, die Ge­sichtszüge verzerren sich. Ihr gerade noch fassungsloser Blick verwandelt sich in einen triumphierenden: Die Mutter hört befriedigt die Botschaft, dass ihr nun niemand mehr die Macht streitig machen kann. Dieser letzte Blick der Königin auf die Tochter beeindruckt durch seine Grausamkeit und Tiefsinnigkeit. Im letzten Blick konkretisiert und entblößt sich der Organismus mit all seinen Motiven, Taktiken und Strategien: Klytämnestra, einst allmächtige Herr­scherin, ihren eigenen tiefsten Instinkten unterworfen, ist nun physisch und psychisch am Ende.

Im Folgenden wird zunächst untersucht, wie dieser Blick alle Facetten der Figur in sich bündelt, um dann danach zu fragen, ob der Charakter Klytämnestras die soziale Wirklichkeit des Dichters dadurch reflektiert.

Klytämnestra: Die hysterische Heldin

Das Publikum erblickt auf der Bühne eine schwerkranke Frau, die vor ihren Vertrauten kraftlos, steif vor Angst und auf ihren Stock gestützt er­zählt – nachts liegt sie wach und kann nicht schlafen. Ihr Gesicht ist blass und hat einen angespannten, gequälten Ausdruck. Der Blick ist gesenkt, sie spricht leise und unter großer  Anstrengung. Am Ende des Dialogs zwi­schen Mutter und Tochter versagt der keuchenden Klytämnestra die Stimme, die letzten Kräfte sind aufgezehrt. Sie erscheint dem Leser noch hilfloser als am Anfang der Szene.

Der Anblick der brechenden Augen des sterbenden Agamemnon hatte Klytämnestra einen jähen Schock versetzt, den sie noch immer nicht über­wunden hat. Und da ist niemand, mit dem sie über ihre Gefühle sprechen kann. Die Erinnerung an den Mord ist für Klytämnestra kaum zu ertragen, weshalb diese verdrängt wird, gleichwohl sie damit natürlich nicht ver­schwunden ist. Das Vergessene kehrt zurück, doch nicht in Gedanken, die artikuliert werden, sondern in Form von somatischen Symptomen. Das Ge­spräch mit ihrer Tochter zwingt die Königin trotz aller Widerstände allmäh­lich und dann mit steigender Intensität dazu, sich mit den latenten Erleb­nissen auseinanderzusetzen. Elektra bemüht sich, die Erinnerungen an die Mordtat ans Licht zu ziehen und Klytämnestra zu einer Selbstdarstellung zu bewegen – einem Dentisten gleich, der beständig dort bohrt, wo es weh­tut, um die leeren Stellen im Zahn zu füllen. Dabei agiert Elektra äußerst geschickt, indem sie nur scheinbar auf Klytämnestras Rede eingeht und in­dessen alles auf den Mord bezieht.

Dem aufmerksamen Publikum wird dabei nicht entgehen, dass sich in diesem Beharren Elektras gleichsam Klytämnestras innere Ambivalenz ent­hüllt. Die Persönlichkeit der Königin scheint gespalten: in ein Ich, das sich weigert, von der Vergangenheit zu sprechen und auch nicht darüber spre­chen kann, und in ein Ich, das nüchtern und geradezu über den Mord, den Verlust des Sohnes, die missbrauchten Töchter berichtet – sie ist gespalten in ein Ich, das Elektra beschimpft und erniedrigt, und in ein Ich, das in Elektra die Retterin sieht und vor ihr ergeben den Nacken beugt. Mit stei­gender Vehemenz der Drohungen und Verängstigungen konkretisiert sich die Zerrissenheit Klytämnestras. Die Wirklichkeit tritt zurück, die Figur ver­liert ihre Identität, die Handlung ihre Kontinuität und die Sprache ihre feste Bedeutung und ihren Rhythmus. Die Protagonistin stolpert mehr und mehr, bis ihre Welt aus den Fugen gerät und sie am Ende völlig verstummt. Die Augen werden nun zum alleinigen Träger von Ausdruck. Im “bösen Blick” spiegelt sich die Tiefe der Gefühle beider Frauen füreinander, deren wahren Ziele, die mit dem Gespräch beabsichtigt werden, dadurch offen zutage treten.

In diesem Geschehen lässt sich die Signatur der freudschen Studien über Hysterie erkennen, die mit ihrem Ansatz der Psychoanalyse eine der führen­den Interpretationen von sozialer Wirklichkeit der Jahrhundertwende sind und die Geisteshaltung entscheidend prägen[3]. Meine These, nach welcher Klytämnestra als hysterische Heldin zu charakterisieren ist, wird dabei durch die zeitgenössische Rezeption und Bewertung gestützt.

Hofmannsthals Frauenfiguren, und hier besonders Elektra, werden von Zeitgenossen und Kritikern, die sich in ihren Erwartungen enttäuscht füh­len, als kranke, «hysterische Heldinnen» aufgefasst. So äußert sich auch Karl Strecker nach der Uraufführung des Stückes in der Täglichen Rundschau er­nüchtert:

Indem ich […] an Hofmannsthal zurückdenke, überkommt mich et­was wie tiefe Trauer. Warum mußte dieser begnadete Dichter mit sei­nem Drama, das sicher zu den bedeutendsten Zeiterscheinungen der gegenwärtigen Literatur gehört, warum musste er gerade das lieb­lichste Geschöpf des großen Sophokles verunstalten, gerade ihr alles Licht in Schatten, alle Reinheit in Schmutz, alle Größe in Krankheit verkehren?[4]

Ähnlich meldet sich Paul Lerch in der Zeitschrift Germania am 1. No­vember 1903 zu Wort:

Und was mußte ich erleben! Meine Elektra war über Nacht – hyste­risch geworden, hatte sich zu einem modern-perversen, sezessionisti­schen Überweibe durchgemausert, ja förmlich durchdestilliert.[5]

Die Forschung hat zu klären versucht, inwieweit die drei Frauenfiguren Chrysothemis, Klytämnestra und Elektra Züge von Hysterikerinnen auf­weisen und ob Freuds Theorien eine Inspirationsquelle für Hofmannsthal waren. Dabei unterstellen einige Wissenschaftler einen direkten Einfluss der psychoanalytischen Schule auf Hofmannsthal und sein Werk, wohingegen andere solch eine Relevanz  für übertrieben halten[6].

Hoffmannsthal gab sich überzeugt, dass die Psychoanalyse eine Theorie sei, die sich jeder Künstler kritisch anzueignen habe[7]. Der Autor sieht in der Kunst «fortlaufende Emanationen einer Persönlichkeit […], Beleuchtun­gen, die eine Seele auf die Welt wirft […], richtig, jeden Übergang und ins­besondere alle unterirdischen Übergänge für möglich zu halten»[8]. Auf die Frage hin, ob er für Elektra Literatur zurate gezogen habe, die sich mit den tiefen emotionalen Schichten befasst, antwortet Hofmannsthal detailliert, dass er «damals in zwei ganz verschiedenen Werken geblättert [habe], die sich wohl mit der Nachtseite des Menschen abgeben: das eine die Psyche von Rohde[9], das andere das merkwürdige Buch über Hysterie von den Dok­toren Breuer und Freud»[10]. Das erstgenannte Werk regte den Autor dazu an, ihm aufgrund seiner Erfahrung bekannte Charakterelemente in der an­tiken Gestalt der Klytämnestra wiederzuerkennen. Dies unterstreicht die folgende Passage im Werke Rohdes, in der Parallelen zur griechischen Re­ligion gezogen werden:

In jenen tief erregten Zeiten müssen die Griechen vielfach die Erfah­rung von jenen abnormen, aber keineswegs seltenen Erscheinungen des Seelenlebens gemacht haben […]. Selbst voraussetzungslose psy­chologische Beobachtung unserer Zeit weiß solche bei gewissen neu­ropathischen Zuständen oft […] hervortretende Erscheinungen nicht anders zu beschreiben, denn als eine Verdoppelung oder Vervielfälti­gung der Person, Bildung eines zweiten Ich, eines zweiten Bewusst­seins nach oder neben dem ersten und normalen Bewusstsein […].[11]

In Bezug auf seine zweitgenannte Inspirationsquelle, Freuds Studien über Hysterie, wendet sich Hofmannsthal bereits im Mai 1903 an Bahr:

Können Sie mir eventuell nur für einige Tage das Buch von Freud und Breuer über Heilung der Hysterie durch Freimachen einer unterdrück­ten Erinnerung leihen (schicken)? Wenn nicht, so schreiben Sie mir bitte den genauen Titel davon auf, damit ich es mir kommen lassen kann. Ich weiß, dass ich darin Dinge finden werde, die mich im Leben ein Traum sehr fördern müssen. (Briefe 1900-1909, 142)

Ohne den Einfluss der Psychoanalyse auf Hofmannsthals Figur allzu hoch einschätzen zu wollen, finden sich unter den Patientinnen Freuds zahlreiche Entsprechungen zum Zustand Klytämnestras[12]. Eine Parallele besteht in der Gestaltung der aufgestauten Emotionen der Königin, die von Freud als eines von mehreren Symptomen und Ursachen von Hysterie be­schrieben wird. Freud begreift diese als Manifestationen unverarbeiteter Gefühle[13], die mit starken, unerträglichen und verdrängten Erlebnissen zu­sammenhängen[14]. In den Studien attestieren Freud und Breuer der Hysterie ausschließlich psychische Auslöser (sexueller Natur). Hysterie habe weder physiologische Gründe, noch werde sie vererbt. Im Mittelpunkt ihres Inte­resses stehen psychische Konflikte, die aus Scham oder Ekel, aufgrund von moralischen Geboten oder wegen eines erlebten Schreckens verdrängt wur­den (Studien über Hysterie, 11, 266). Diese unverarbeiteten Empfindungen entfalten ihr pathogenes Potenzial, seelische Verwundungen konvertieren zu körperlichen Symptomen (Studien über Hysterie, 186)[15]. Freuds neuer An-satz erlaubt es, den krankhaften Mechanismus als Symbolismus, als Wirk­samkeit von unaussprechbaren Inhalten “innerhalb” der Körpersprache aufzufassen, die mit früheren Erfahrungen und Erlebnissen des Patienten in Verbindung stehen[16]. Die Symptome der Hysterie lenken von den schwer fassbaren Gefühlen, unbewussten Phantasien und Ängsten ab und trans­formieren diese zu Aussagen des Körpers (Studien über Hysterie, 28)[17]. Die verdrängten psychischen Inhalte kehren immer wieder an die Oberfläche zurück, äußern sich aber in somatischen Symptomen, sodass sie nur schwer zu deuten sind (Studien über Hysterie, 225-231). In diesem Sinne verweisen Klytämnestras Ohnmachtszustände, ihre Geh- und Sehstörungen (sie kann ihre Augenlider nur mit Anstrengung offen halten), ihr Dämmerzustand und ihre Halluzinationen auf eine schwer erkrankte Seele[18].

Ein krankhafter Verlauf stellt sich allerdings erst dann ein, wenn ein se­kundäres Bewusstsein aufgerufen wird (Studien über Hysterie, 35). Dieses ragt in den normalen Zustand hinein und führt zum Ausbruch der Hysterie (Stu­dien über Hysterie, 65). Dieser Zustand ähnelt dem Träumen sowohl in seiner Ausprägung als auch in der Präsenz von (Schmerz‑)Halluzinationen, Erin­nerungslücken, der Hemmungslosigkeit der Einfälle und der funktionellen Desorganisation von Sprache (Studien über Hysterie, 64). Hier lassen sich Pa­rallelen zu Klytämnestras Zustand ziehen, der immer wieder ungehindert sprachlich, gestisch und mimisch hervorbricht und sich in ihren Tagträu­men und in ihrem Verlustgefühl äußert. Zugang zu diesem zweiten Be­wusstseinszustand erhält Klytämnestra über die Konfrontation mit Elektra. Die Tochter fungiert als Schlüssel zum Unbewussten der Mutter.

Die Konstellation zwischen Therapeut und Patient in der Psychoanalyse gestaltet sich ähnlich zum Verhältnis Elektras zu Klytämnestra. Freud äu­ßert sich dazu folgendermaßen:

Wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, überzeugt sich, daß die Sterblichen kein Geheimnis verbergen können. Wessen Lippen schwei­gen, der schwätzt mit den Fingerspitzen; aus allen Poren dringt ihm der Verrat. Und darum ist die Aufgabe, das verborgenste Seelische bewusst zu machen, sehr wohl lösbar.[19]

So hypnotisieren Freud und Breuer ihre Patienten, wie es Charcot be­schrieben hat, und animieren diese dazu, sich nach der Befragung durch die Hypnotiseure an das verdrängte Erlebnis «in voller Helligkeit» zu erinnern (Studien über Hysterie, 9). Auch in dieser Methode finden sich Analogien zur untersuchten Situation zwischen Mutter und Tochter: Elektra unterbricht Klytämnestra niemals, auch wenn sich diese in ermüdenden Monologen über ihre Krankheit ergeht, in denen sie mit ihren Gedanken scheinbar ab­schweift. Auch der Psychoanalytiker wird zum Hörer des Unbewussten, zum Deuter des Verschwiegenen.

Eine weitere Ähnlichkeit findet sich in der Paradoxie, dass der Wider­stand, den der Patient gegenüber dem Analytiker aufbaut, sich in dem Maße steigert, wie der Therapeut seine Bemühungen intensiviert, Zugang zum Verdrängten zu erlangen[20]. Vorstellungen werden heftig geleugnet, statt kla­rer Antworten werden vage Gemeinplätze geäußert[21]. Auf die Situation des Dramas bezogen bedeutet dies: Manche Worte Elektras provozieren und erregen die Patientin Klytämnestra bis hin zu Wutausbrüchen, beispiels­weise wenn Elektra tief verborgene Geheimnisse der Kranken oder Gefah­ren zu offenbaren droht (wie die von Klytämnestra gebilligte Misshandlung des eigenen Sohnes und dessen nahende Rückkehr). Elektras Rolle gleicht in einigen Punkten der eines Psychotherapeuten, ohne allerdings den An­spruch zu erheben, helfen und heilen zu wollen. Die Parallelen zwischen der Erkrankung Klytämnestras und den Theorien Freuds über Ätiologie, Funktion und Symptomatik der Hysterie weisen auf die Existenz von un­bewussten Aspekten in Klytämnestras Wesen hin, die diese trotz ihres Schattendaseins stark beeinflussen und die ihr den Weg in ein selbstbe­stimmtes Leben verstellen.

Freud kommt das Verdienst zu, die Macht des Unbewussten auf unser Denken und Handeln wissenschaftlich nachgewiesen zu haben. Bereits in seiner im Jahre 1900 erschienenen Traumdeutung spricht er davon, dass die Psyche des Menschen aus dem Zusammenspiel von zwei Prozessen be­steht: dem Bewussten und Unbewussten[22]. «Das Ich» zeige «das Oberfläch­liche, das Es das Tiefere»[23]. In bestimmten Fällen, wie der pathologischen Form des hysterischen Ich, sei dieses dem Es unterworfen[24]:

Die […] empfindlichste Kränkung aber soll die menschliche Größen­sucht durch die heutige psychologische Forschung erfahren, welche dem Ich nachweisen will, daß es nicht einmal Herr ist im eigenen Hause, sondern auf kärgliche Nachrichten angewiesen bleibt von dem, was unbewusst in seinem Seelenleben vorgeht.[25]

Auch Klytämnestras in den Tiefen des Unbewusstseins liegende, ver­steckte Seite kommt viele Male eruptiv und in scheinbar unzusammenhän­genden Handlungen zum Vorschein. So attackiert sie in dem einen Moment Elektra und im nächsten erbettelt sie deren Hilfe. Auf dem Höhepunkt der Szene zwischen Klytämnestra und Elektra treten alle unterdrückten Ge-fühle der Angst, der Abscheu und des Hasses zutage – gebündelt in den einander zugewandten Blicken von Mutter und Tochter.

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass Freuds Ansatz, trotz einiger Differenzen, etliche Gemeinsamkeiten mit den Auffassungen Nietzsches teilt. Auch Hofmannsthal ist mit Nietzsche vertraut. Er besitzt nicht nur die Gesamtausgabe seiner Werke, sondern pflegt darüber hinaus Freundschaften sowohl zum Nietzsche-Forscher Raoul Richter als auch zu Nietzsches Schwester[26]. Hofmannsthal bekennt: «Nietzsche ist die Tempe­ratur, in der sich meine Gedanken kristallisieren»[27]. Nietzsche wiederum schreibt über das Unbewusste:

Die längsten Zeiten hindurch hat man bewusstes Denken als das Den­ken überhaupt betrachtet: jetzt erst dämmert uns die Wahrheit auf, dass der allergrösste Theil unseres geistigen Wirkens uns unbewusst, ungefühlt verläuft.[28]

Hier findet sich eine Analogie zwischen Nietzsches These von einem  Gegensatzpaar bewusst versus unbewusst[29] und Klytämnestras aggressiver Inszenierung, in der das Tieferliegende als Hysterie an der Oberfläche er­scheint.

Dabei ist aufschlussreich, dass Nietzsche bereits vor Freud auf den Me­chanismus des kontinuierlich auftauchenden unterdrückten Unbewussten hingewiesen hat. In Nietzsches Schrift Zur Genealogie der Moral, deren zweite Auflage von 1892 ebenfalls zur Bibliothek Hofmannsthals gehörte und in der dieser mehrere Stellen angestrichen hat[30], heißt es:

[…] in der Hauptsache mussten sie [die Instinkte] sich neue und gleichsam unterirdische Befriedigungen suchen. Alle Instinkte, welche sich nicht nach Außen entladen, wenden sich nach innen […]: damit wächst erst das an den Menschen heran, was man später seine “Seele” nennt. Die ganze innere Welt, ursprünglich dünn wie zwischen zwei Häute eingespannt, ist in dem Maasse aus einander- und aufgegangen, hat Tiefe, Breite, Höhe bekommen, als die Entladung des Menschen nach Aussen gehemmt worden ist.[31]

Freud selbst muss feststellen, dass sich Nietzsches «Ahnungen und Ein­sichten […] oft in der erstaunlichsten Weise mit den mühsamen Ergebnis­sen der Psychoanalyse decken»[32].

Zwischen Freuds Theorie und Nietzsches Überlegungen über eine Spal­tung des Ich auf der einen Seite und Hofmannsthals Notiz, dass «dämoni­sche Mächte, welche über die Seele verfügen wollen», den «Übergang» zu «jedem Tun» zu hindern versuchen, auf der anderen Seite besteht ein direk-ter Nexus[33]. Dies registriert auch Hofmannsthal, wenn er in einem Brief an Bahr erwähnt, dass es in seinem Werk Leben ein Traum darum gehe, «in die tiefsten Tiefen des zweifelhaften Königreiches Ich hinabzusteigen und dort das Nicht-mehr-ich oder die Welt zu finden»[34]. Abgesehen von Hofmanns­thal entwickelte auch die “schöne” Literatur im Allgemeinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein verstärktes Interesse an der Psychopathologie[35]. Her­mann Bahr beispielsweise setzt sich in seinem 1904 erschienenen Dialog vom Tragischen mit Freuds und Breuers Studien über Hysterie auseinander, was zu­nächst als Dialog über den Schauspieler in sein (unveröffentlichtes) Tagebuch aufgenommen[36] wurde. In einer Notiz vom 7. April 1903 heißt es dort:

[…] jede Kultur bändigt gewisse Triebe als mit dem Zusammenleben der Gemeinschaft unverträglich, diese unterdrückten Triebe, die der Mensch nicht bloß verfehlen, sondern aus Scheu vor sich selbst ab­leugnen lernt, verwandeln sich, siehe Freud […]. Ich muss jetzt aber doch endlich den Dialog über den Schauspieler niederschreiben, in wel­chem ich, an Freud anknüpfend, die κάθαρσις [Katharsis] der Tragödie aus dem Entladen verbotener Leidenschaften erklären will.[37]

Ebendiese Katharsis reflektiert die hofmannsthalsche Elektra[38]. Das Pub­likum steht jedoch nicht – wie im antiken Drama – der Tragik des Einzelnen als einem willenlosen Objekt in den Händen von Schicksal, Göttern und eigenen Schwächen auf dessen Weg zur Katharsis gegenüber. Zentrum des Geschehens ist auch nicht der Kampf zwischen Gerechtigkeit und Unge­rechtigkeit, zwischen Gut und Böse, bevor die ethische Ordnung und der Glaube an die Ehre wiederhergestellt werden. Stattdessen wird der Mensch demaskiert, indem die Brüchigkeit des Willens und seine Abhängigkeit von Impulsen und Affekten offengelegt werden. Die Erzählung verlagert sich von der Außenperspektive auf die Innenwelt, womit sie gleichsam umge­lenkt wird.

Diese Deutung kondensiert in der Flut von Hysterikern, die die literari­sche Szene um 1900 auch in Österreich überschwemmen[39]. Die Gestaltung der Klytämnestra-Figur in der Elektra von Hugo von Hofmannsthal kann in diesem Zusammenhang als eines der repräsentativsten Beispiele gelten.

Klytämnestra: Die träumende Heldin

Die “dunkle” Seite ihrer Persönlichkeit, die abgewehrten psychischen Inhalte finden ihren Ausdruck in  Klytämnestras Albträumen, die am Ende der Szene zwischen Mutter und Tochter einen Höhepunkt erreichen. Die unspezifische Furcht in den zurückliegenden Träumen nimmt nun in den Worten Elektras Gestalt an, und zwar die Gestalt ihres Sohnes Orest. Be­kanntes, Vertrautes erscheint plötzlich in einem neuen Licht: Der Sohn ist ihr feindlich gesinnt, in Elektras Vision «jagt [er sie] auf» und «treibt [sie] durch das Haus» «an den Flechten [ihrer] Haare» (Elektra 15-16, 30, S. 85). Unbelebtes wird lebendig, wenn Elektra zu ihrer Mutter sagt: «[D]as Dunkel und die Fackeln werfen schwarzrote Todesnetze über dich» (Elektra 19-20, S. 85). Doch Klytämnestra schläft nicht, während sie sich ihr Sterben ein­bildet. Weder sinkt ihr Puls, noch verliert sie langsam das Bewusstsein. Un­ter den berauschenden Worten Elektras erlebt sie ihren eigenen Tod[40], nur dass sie diesmal wach ist. Die Antizipationen Elektras, die mit den unter­drückten Gefühlen Klytämnestras übereinstimmen, erspürt sie im wachen Zustand am eigenen Leib; und dies manifestiert sich in den letzten Blicken der Szene.

Dies veranlasst den aufmerksamen Leser unweigerlich an die Überlegun­gen Nietzsches und Freuds zum Ausdruck der unbewussten psychischen Inhalte im Traum zu denken, mit denen Hofmannsthal ebenfalls vertraut ist[41]. In seiner Tragödienschrift behauptet Nietzsche: «Des Menschen wahrster Wahn wird ihm im Traume aufgethan»[42]. Hier liegt also der Grundstein für Freuds Auffassung des Traumes[43] als «via regia zur Kennt­nis des Unbewussten»[44]. Hofmannsthal notiert: «[d]as Erwachen des Ge­dächtnisses (Hypermnesie) im Traum, in Krankheit, Gefahr, in der Sterbe­stunde» (Aufzeichnungen und Tagebücher, 93). Warum aber drängt das Unbe­wusste nach Meinung der damaligen Zeit notwendigerweise vermittels des Traums nach außen?

Freud definiert Träume bekanntlich als «verhüllte Erfüllungen von ver­drängten Wünschen»[45]. Nietzsche bezog sich schon früher auf den Prozess der verhüllten Lustbefriedigung und bemerkt in der Morgenröte, dass die Triebe, die am Tage nicht befriedigt werden, ihre Erfüllung in «geträumter Speise» finden[46]. Im Aphorismus Erleben und Erdichten schreibt dieser, «dass unsere Träume eben den Werth und Sinn haben, bis zu einem gewissen Grade jenes zufällige Ausbleiben der Nahrung während des Tages zu kom­pensieren» (Morgenröthe, 112)[47]. Da im Schlaf, nach Freuds Theorie, der dro­hende und strafende Moralwächter Über-Ich und die Außenwelt blockiert sind, wird es den Triebwünschen erleichtert, sich zu zeigen. Auch Klytämnestra reproduziert diesen Mechanismus: Ihre Umwelt verspottet sie, wie Ägisth, oder bespitzelt sie, wie ihre Dienerinnen – nur wenn sie träumt, sind ihre Gedanken frei.

Freud zufolge steht auch hinter Albträumen ein unbewusster Drang nach Wunscherfüllung[48]. Das eigene Gewissen, das das Über-Ich repräsen­tiert und Träumende für ihre sozial inakzeptablen Gedanken «bestraft» (Die Traumdeutung, 563)[49], meldet sich bei Klytämnestra, die ihren Mann ermor­den ließ und das Leben ihrer Kinder zerstörte. In ihren vagen Träumen, in denen ihr «in den Knochen das Mark sich löst» (Elektra 35-36, S. 79), zeigt sich ihr verschlüsselter Wunsch nach Bestrafung. In einer Notiz von Hof­mannsthal aus dem Jahre 1906 ist der Hinweis enthalten, dass dieser Freuds Traumtheorie als Ausdruck und Erfüllung der unterdrückten Triebe kannte:

Die einzelnen Gestalten sind Traumgestalten – Wunscherfüllungen möge mein Alter bunt und leicht sein wie Weidenstamms […]. Die Liebe treibt vorwärts: sie bildet diese Tagträume aus wie der unter­drückte Wunsch die Träume der Nacht.[50]

Mit der Psychoanalyse lässt sich für Hofmannsthal deuten, dass sich in Klytämnestras Tag- und Nachtträumen, unter denen sie leidet, ihre unbe­wusste Todessehnsucht nach dem Tod äußert: «und jedes Glied / an mir lechzt nach dem Tod» (Elektra 27-28, S. 79). Indem sich ihr Tagtraum als eine Erfüllung verkleideter Wünsche erweist, zeigt sich, dass dieses Erleben eine besondere Form ihrer selbst darstellt und zu ihr gehört[51]. Die Grenzen zwischen Bewusstem und Unbewusstem, zwischen Wachen und Schlafen, Rationalem und Irrationalem sind gänzlich verschwommen; unversehens kann der Affekt in ihr Sein eindringen.

Laut Freud ist der Traum eine spezielle Form unseres normalen Geis­teslebens (Die Traumdeutung, 598), wodurch das Unbewusste eine «Überset­zung»[52] in Bewusstes erfährt:

Seitdem wir auch tolle und verworrene Träume zu übersetzen verste­hen, wissen wir, daß wir mit jedem Einschlafen unsere mühsam er­worbene Sittlichkeit wie ein Gewand von uns werfen – um es am Mor­gen wieder anzutun.[53]

Und Nietzsche, der die Geltung des Bewusstseins infrage stellt, entlarvt dieses als Werkzeug der Triebe:

Wir sind Alle nicht Das, als was wir nach den Zuständen erscheinen, für die wir allein Bewusstsein und Worte […] haben; wir verkennen uns […], wir verlesen uns in dieser scheinbar deutlichsten Buchsta­benschrift unseres Selbst» (Morgenröthe, 107-108). Und: «all unser so­genanntes Bewusstsein [ist] ein mehr oder weniger phantastischer Commentar über einen ungewussten, vielleicht unwissbaren, aber ge­fühlten Text. (Morgenröthe, 113)

Dies lässt sich in Hofmannsthals Stück leicht nachvollziehen. Es sind die Gefühle der Wut, Manie, Rache und nicht das Bewusstsein, die die verbale Auseinandersetzung zwischen Mutter und Tochter steuern und die am Ende nicht in Worten ausgedrückt werden, sondern im Körper explodieren.

Nietzsche und Freud sind überzeugt davon, dass «das Erkennen das Er­gebnis der verschiedenen in uns nach Herrschaft ringenden Triebe ist»[54]. An deren theoretischen Reflexionen zum Phänomen des Traumes knüpft Hofmannsthal künstlerisch an. Denken, Fühlen und Handeln der Königin treten nach diesen Vorstellungen vor allem in der verdrängten Form des Traumes auf, der Klytämnestras Wünsche, Emotionen und Obsessionen steuert und repräsentiert.

Klytämnestra: Die Femme fatale

Wie bereits dargestellt, wird Klytämnestras Handeln und Sprechen von ihren Begierden und Impulsen dominiert. Dies erkennt Elektra und erklärt sie zu einem animalischen Wesen ohne Vernunft. Bei beiden Frauen gibt es eine Art Jagdverhalten, das am Ende der beschriebenen Szene zwischen Klytämnestra und Elektra durch den Blick aufeinander seinen Zenit er­reicht, dezidiert in dem Moment der nach Blut dürstenden Vision Elektras über die Vernichtung Klytämnestras und der anschließenden Nachricht über den Tod Orests.

Diese Charakterzüge Klytämnestras sind es, die sie als eine Femme fatale erscheinen lassen. Sie ist rätselhaft und dämonisch: triebgesteuert, anzüg­lich, provokant, bedrohlich, aber auch zerbrechlich. Die Darstellung der Femme fatale hat sich in der Bildenden Kunst und Belletristik in der zwei­ten Hälfte des 19. Jahrhunderts beträchtlich ausgeweitet[55]: Exemplarisch können hier die literarischen Werke Salomé von Oscar Wilde, Nana von Émile Zola oder Lulu von Frank Wedekind genannt werden. Mit diesem Frauentypus wird die gefährliche Seite weiblicher Anziehungskraft heraus­gestellt; so warnt Elektra, dass die Königin «mit einem schläft […], / preßt ihre Brüste ihm auf beide Augen / und winkt dem zweiten, der mit Netz und Beil / hervorkriecht hinter’m Bett» (Elektra 12-15, S. 71). Sie ist die Frau, die ihren Gatten zunächst in ihren Bann schlägt, bevor sie ihn mithilfe ihres Liebhabers ermordet[56]. Geschmückt mit funkelnden Juwelen, die die Verführungskraft ihrer weiblichen Reize symbolisieren, bricht diese Fassade eines Vamps schnell in sich zusammen. Mit der Akzentuierung der verhäng­nisvollen Seite der Frau wird der literarische Versuch unternommen, «die wissenschaftlich breit erforschte Pathologie der weiblichen Seele (Freuds Studien über Hysterie) literarisch zu etablieren»[57]. Die Ästhetisierung von weiblicher Sexualität lässt sich auch als «Reaktion auf die Tabuisierung bzw. Dämonisierung weiblicher Libido»[58] durch verschiedene Gelehrte begrei­fen; Mediziner wie Paul Julius Möbius, Richard von Krafft-Ebing und eben auch Freud sprechen der Frau die Libido gänzlich ab. Besonders aufschluss­reich ist in diesem Zusammenhang ein Zitat von Krafft-Ebing:

Ohne Zweifel hat der Mann ein lebhafteres geschlechtliches Bedürfnis als das Weib. Folge leistend einem mächtigen Naturtrieb, begehrt er von einem gewissen Alter an ein Weib. Er liebt sinnlich, wird in seiner Wahl bestimmt durch körperliche Vorzüge. […] Anders ist das Weib. Ist es geistig normal entwickelt und wohlerzogen, so ist sein sinnliches Verlangen ein geringes. Wäre dem nicht so, so müsste die ganze Welt ein Bordell und Ehe und Familie undenkbar sein. Jedenfalls sind der Mann, welcher das Weib flieht, und das Weib, welches dem Ge­schlechtsgenuss nachgeht, abnorme Erscheinungen.[59]

Im Gegensatz dazu behauptet Otto Weininger in seiner 1903 verfassten philosophischen Dissertation mit dem Titel Geschlecht und Charakter[60], deren achte Auflage von 1906 auch in Hofmannsthals Bibliothek enthalten ist[61], die Frau sei ausschließlich über ihren Geschlechtstrieb zu definieren: «Der Zustand der sexuellen Erregtheit bedeutet für die Frau nur die höchste Stei­gerung ihres Gesamtdaseins. Dieses ist immer und durchaus sexuell»[62].

In diesen zwei extremen und dispersen ännlichen Vorstellungen vom Wesen der Frau ist Sexualität – trotz des Kontrastes auf inhaltlicher Ebene – jedoch beide Male Ausgangspunkt, um das spezifisch Weibliche zu deter­minieren[63]. An dieser Stelle drängt sich ein Vergleich zwischen Klytämnes­tra und dem Frauenbild im Wien der Jahrhundertwende auf. Hofmannsthal erlaubt es ausschließlich seiner Atridenkönigin, sich alleinig über die Kör­persprache zu artikulieren. Aufgrund dem Verlust ihrer rationalen Urteils­kraft, aufgrund ihres fiebernden Deliriums, ihrer sie beherrschenden Li­bido, ihres intensiven Erregungszustandes negiert Hofmannsthal bei ihr jegliche Sprachfähigkeit, geistige Potenz und letztendlich die Identitätsbil­dung eines Ichs.

In der Gestalt der dämonischen Femme fatale, die über Leben und Tod des Mannes bestimmt, wird auch die patriarchalische Angst vor einer Um­kehrung der traditionellen Geschlechterrollen und damit vor einem Zusam­menbruch der Gewissheiten evident[64]. Im Zuge der sozialen Umwälzungen in der Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts – die Frau wird finanziell zuneh­mend unabhängiger und verlangt danach, dass sich ihre rechtliche und be­rufliche Stellung verbessert – sieht sich der Mann in seiner Vorherrschaft bedroht[65]. Auch Hofmannsthal, der in Wien gewiss auch mit den feministi-schen Forderungen konfrontiert ist[66], vertraut Schnitzler im Jahre 1892 an, «daß sich gar keine Sehnsucht nach den Weibern in mir regen wird […]. [Ihre] Schriften machen mir Angst vor dem Weibe»[67].

In der kaum oder gar nicht zu fassenden Identität einer Femme fatale spiegelt sich im selben Augenblick auch die Verunsicherung des Autors und Mannes wider – nicht nur seinem künstlerischen Geschöpf, der wirklichen Frau, sondern insbesondere auch seiner eigenen Denkweise, sich selbst und seiner Sexualität gegenüber[68]. Dass Klytämnestra wie jede männlich imagi­nierte Femme fatale aus eigener Lust heraus agiert, zeigt zum einen den Drang, Subjekt und Leib zu befreien[69]. Doch wenn Klytämnestra ihren Tiefpunkt in der beschriebenen Szene mit Elektra erreicht, in diesem Mo­ment, der ihren eigenen Tod und den des Geliebten antizipiert, wird zu­gleich die ausweglose Lage, in der sich der Mensch befindet, offenbar. In der Gesellschaft des bürgerlichen Zeitalters, dessen Wertesystem sich auf restriktiven Imperativen gründet, ist der Mann nicht in der Lage, die alther­gebrachten Vorstellungen der Geschlechter zu überwinden. Aufgrund sei­ner Minderwertigkeitskomplexe bleibt er ein verlegener Betrachter eines “trüben” weiblichen Typus[70]. Der Mensch, gleich welchen Geschlechts, rüt­telt noch nicht an den tradierten Normen, geschweige denn, dass er sie be­seitigt. So sehen wir in Hofmannstahls Stück auch nur die in sich zerrissene Klytämnestra, die schwankt und droht, bittet und verwehrt. Ihr letzter ver­zweifelt-triumphierender Blick verrät: Sie ist das Produkt eines nur halb(herzig) vollzogenen Wandels. Zwar bedroht Klytämnestra zu Beginn noch alle Männer in ihrer Nähe, Hofmannsthal lässt sie am Ende dennoch durch die Hand ihres eigenen Fleisches und Blutes, ihres Sohnes sterben. Von der damaligen Zeit konnte nichts anderes verlangt werden.

Das Dargelegte lässt die Schlussfolgerung zu, dass Hofmannsthal als  Seismograf die Spannungen, die in der Gesellschaft der Jahrhundertwende herrschen, erspürt und literarisch verarbeitet. Allerdings ästhetisiert er diese, weil eine naturalistische Darstellung der rohen Realität, die die Detailtreue auf die Spitze treibt, unsagbar, also nicht darstellbar wäre: die Veränderung des traditionellen Weltbildes und der Wertesysteme sowie der agonale Ver­such des Menschen, sich anzupassen; eine zunehmend von der Psychoana­lyse und der Sexualität ge(kenn-)zeichnete Welt; der von der  metaphysi­schen und anthropologischen Achsendrehung[71] Schopenhauers und Nietz­sches ausgelöste Paradigmenwechsel[72] in der Literatur, in der alle Erschei­nungen des innersten, primitivsten Seelenlebens – auch die einander frem­desten – ohne Tabus und Prüderie auf die Bühne gebracht werden.

Hofmannsthal reflektiert das ihn Umgebende, wenn er hinter dem Blick zweier zivilisierter Frauen, hinter dem Dialog des Aufeinanderzugehens und sich Entgegenkommens zwei Bestien versteckt, die nur darauf warten einander zu zerfleischen. Seine Klytämnestra, dieses wilde Tier bzw. das nymphomanische Weib, das nur vom Blutdurst erfüllt und erlöst wird und nur dem Anblick des Blutes geweiht ist, «eröffnet das Jahrhundert des all­gegenwärtigen Nationalismus und der zunehmenden Militarisierung, der großen Kriege und Revolutionen, des Holocausts und der totalitären Re­gime, wo die Rollen des Täters und des Opfers durcheinandergeraten und sich vertauschen und das komplementäre Bild unserer Zivilisation wider­spiegeln»[73]. Mithilfe des Ewigen – des Mutter-Archetyps  – bringt Hof­mannsthal das zeitgenössische  Jubeln der orgasmischen Krämpfe entweder vom Geschlechtsakt oder der Menschenschlacht hervor; und umgekehrt. Er geht von seiner Klytämnestra und Elektra aus, um das Allzumenschliche, das Tiefmenschliche hervorzubringen. Der Dramatiker Hofmannsthal wagt sie an die letzte Grenze zweier nächstverwandter Personen, der unantast­baren Verbindung von Mutter-Tochter, und macht dort das Unversöhnli­che, das Bestialische sichtbar. Er entblößt den rohen Kern des Menschen, seine Gefühle, seine Triebe und zeigt, dass die Wahrheit einer Figur bzw. Person auch in ihrer Rohheit liegen kann.

Und er führt die Szene dann zu dem letzten stummen, triebhaften Blick Klytämnestras und Elektras, was ein völlig neuartiges, ein modernes Ver­fahren ist, um dieses Unsagbare nicht sprachlich zu zerreden, sondern es zu veranschaulichen bzw. in einem Bild zu verschlüsseln, was auf die Zuschauer unmittelbar wirken soll. Laut Hofmannsthal kann man den tiefsten Antrieb zu einem Werk «nicht aufdecken – er verhüllt sich einem selber, oder hat nur die entscheidende Secunde ihn ahnen lassen»[74].

Hofmannsthal greift auf den antiken Atridenstoff zurück, um unter dem «Deckmantel» des Mythos, die als Erzählung zwar vertraut, aber gleichzeitig von einer fremden Kultur überliefert ist bzw. von einer längst vergangenen Zeit berichtet, das erwähnte Unsagbare einzubringen: die sich  verändern­den traditionellen Rollenverständnisse und Weltbilder um die Jahrhundert­wende. Im Jahr 1903 schreibt Hofmannsthal in einer Passage zur Verteidi­gung der Elektra:

[…] für uns ist die Vertrautheit mit dem Mythos eine große avantage. Wir können mit den Figuren hantieren wie mit Engel und Teufel, mit Aschenbrödel und der bösen Stiefmutter.[75]

Der Atridenmythos, dessen archetypische «Gussform» mit zeitgenössi­schen, anthropologischen Stoffen und Problemlagen erfüllt ist, erweist sich von Neuem als verfügbar und unerschöpflich. In Hofmannsthals Worten «[i]st die Antike ein umgekehrter Antäus; je höher die Zeit sie über ihren Mutterboden emporgehoben hat, desto gewaltiger wurde sie» (Aufzeichnun­gen und Tagebücher, 194).

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[1] Der folgende Artikel basiert mit leichten Überarbeitungen auf: Panagiota, Varvitsioti: Klytämnestra oder die Muttermetamorphosen: Ihre Gestalt in Hofmannsthals «Elektra» (Diss.), Jena: 2014.

[2] Vgl. Kirstin, Uhlig: Hofmannsthals Anverwandlung antiker Stoffe, Freiburg: Rombach 2003, S. 36.

[3] Zur Erklärung von Hysterie gelten die Studien von Freud und Breuer zweifellos weg­weisend  für die wissenschaftlichen Bemühungen im 20. Jahrhundert. Als Geburtsstunde der Psychoanalyse gelten dabei die in den Jahren 1895 und 1896 in Wien erschienenen Studien über Hysterie, die sich von den im medizinisch-physiologischen Diskurs vertretenen Positionen scharf abgrenzen. Vgl. Josef, Breuer u. Sigmund, Freud: Studien über Hysterie. Einleitung von Stavros Mentzos, Frankfurt a. M.: Fischer 1991.

[4] Vgl. Karl, Strecker: «Hugo von Hofmannsthal: Elektra», in: Berlin-Theater der Jahrhun­dertwende. Bühnengeschichte der Reichshauptstadt im Spiegel der Kritik (1889-1914), hg. v. Norbert Jaron u. Hedwig Müller, Tübingen: Niemeyer 1986, S. 539-542, hier S. 542.

[5] Vgl. ebd., S. 536.

[6] Naef interpretiert Elektra als eine Hysterisierung der Griechen im Sinne von Freud. Vgl. Karl, Naef: Hugo von Hofmannsthals Wesen und Werk, Zürich u. Leipzig: Niehans 1938, S. 19; Heinz, Politzer: Hatte Ödipus einen Ödipus-Komplex? Versuche zum Thema Psychoanalyse und Literatur, München: Piper 1974, S. 78-106; Michael, Worbs: Nervenkunst. Literatur und Psychoanalyse im Wien der Jahrhundertwende, Frankfurt a. M.: Athenäum 1988, S. 272.

[7] Vgl. ebd., S. 302.

[8] Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: «Aufzeichnungen und Tagebücher», in: ders.: Auf­zeichnungen, hg. v. Herbert Steiner, Frankfurt a. M.: Fischer 1959 (= Hugo von Hofmanns­thal: Gesammelte Werke in Einzelausgaben, 15 Bde., hg. v. Herbert Steiner, Bd. 6), S. 87-211, hier S. 139.

[9] Rohde war Altphilologe und ein enger Freund Nietzsches.

[10] Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: Briefe 1900-1909, Wien: Bermann-Fischer 1937, S. 384. Vgl. Bernd, Urban: Hofmannsthal, Freud und die Psychoanalyse. Quellenkundliche Untersu­chungen, Frankfurt a. M.: Lang 1978, S. 17-19, 30-31.

[11] Vgl. Erwin, Rohde: Die Psyche. Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, Bd. 1, Tübingen: Mohr 1907, S. 413.

[12] Vgl. Michael, Worbs, Nervenkunst, S. 280.

[13] Vgl. Sigmund, Freud: «Über den psychischen Mechanismus hysterischer Phäno­mene», in: ders.: Hysterie und Angst, hg. v. Alexander Mitscherlich u. a., Frankfurt a. M.: Fischer 1971 (= Sigmund Freud: Studienausgabe, 10 Bde., hg. v. Alexander Mitscherlich u. a., Bd. 6), S. 11-24; hier S. 22; Stephanie, Catanie: Das fiktive Geschlecht. Weiblichkeit in anthropologischen Entwürfen und literarischen Texten zwischen 1885 und 1925, Würzburg: Königshausen und Neumann 2005, S. 33.

[14] Vgl. Dorothee, Kimmich u. Tobias, Wilke: Einführung in die Literatur der Jahrhundert­wende, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006, S. 24. Freud sagt: «Die Hyste­rische leidet größtenteils an Reminiszenzen» (Studien über Hysterie, 31).

[15] Vgl. Dorothee, Kimmich u. Tobias, Wilke, Einführung in die Literatur der Jahrhundertwende, S. 23.

[16] Vgl. ebd., S. 23. Vgl. Renate, Schlesier: Mythos und Weiblichkeit bei Sigmund Freud, Frankfurt a. M.: Athenäum 1990, S. 44.

[17] Vgl. Lucien, Israël: Die unerhörte Botschaft der Hysterie, übers. v. Peter Müller u. Peter Posch, München u. Basel: Reinhardt 1983, S. 24; Stavros, Mentzos: Hysterie. Zur Psychodynamik unbewusster Inszenierungen, München: Vandenhoeck u. Ruprecht 1980, S. 14.

[18] Vgl. Silvia, Kronberger: Die unerhörten Töchter. Fräulein Else und Elektra und die gesellschaftliche Funktion der Hysterie, München: Studien Verlag 2002, S. 30.

[19] Vgl. Sigmund, Freud: «Bruchstück einer Hysterie Analyse», in: ders.: Werke aus den Jahren 1904-1905, hg. v. Anna Freud u. a., London: Fischer 1942 (= Sigmund Freud: Ge­sammelte Werke, 18 Bde., hg. v. Anna Freud u. a., Bd. 5), S. 162-286, hier S. 240.

[20] Vgl. Henk de, Berg: Freuds Psychoanalyse in der Literatur- und Kulturwissenschaft. Eine Ein­führung, übers. v. Stephan Dietrich, Tübingen: Francke 2005, S. 52.

[21] Vgl. ebd., S. 51.

[22] Vgl. ebd., S. 7; Hans-Martin, Lohmann u. Joachim, Pfeiffer: Freud-Handbuch. Leben Werk Wirkung, Stuttgart und Weimar: Metzler 2006, S. 121; Salin, Sophie: Kryptologie des Unbewussten. Nietzsche, Freud und Deleuze im Wunderland, Würzburg: Königshausen u. Neumann 2008, S. 71.

[23] Vgl. Sigmund, Freud: «Die Frage der Laienalyse», in: ders.: Werke aus den Jahren 1925-1931, hg. v. Anna Freud u. a., London: Fischer 1948 (= Sigmund Freud: Gesammelte Werke, 18 Bde., hg. v. Anna Freud u. a., Bd. 14), S. 209-296, hier S. 223.

[24] Vgl. Sophie, Salin, Kryptologie des Unbewussten, S. 71.

[25] Vgl. Sigmund, Freud: «Die Fixierung an das Trauma, das Unbewusste», in: ders.: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, hg. v. Anna Freud u. a., London: Fischer 1940 (= Sigmund Freud: Gesammelte Werke, 18 Bde., hg. v. Anna Freud u. a., Bd. 11), S. 282-295, hier S. 295.

[26] Vgl. Michael, Hamburger: «Hofmannsthals Bibliothek. Ein Bericht», in: Euphorion 55 (1961), S. 15-76, hier S. 23.

[27] Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: «Aufzeichnungen», in: ders.: Reden und Aufsätze III. Buch der Freunde. Aufzeichnungen 1889-1929, hg. v. Bernd Schoeller u. Ingeborg Beyer-Ahlert, Frankfurt a. M.: Fischer 1980 (= Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Ein­zelbänden. Um einige Texte erweiterte Ausgabe der 15 Bde., 10 Bde., hg. v. Bernd Schoeller, Bd. 10), S. 303-609, hier S. 335. Zum Einfluss von Nietzsche auf Hofmannsthal schreibt de­tailliert: vgl. Meyer-Wendt, Jürgen: Der frühe Hofmannsthal und die Gedankenwelt Nietzsches, Heidelberg: Quelle und Meyer 1973.

[28] Vgl. Friedrich, Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft, in: ders.: Morgenröte. Idyllen aus Messina. Die fröhliche Wissenschaft, hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, München: Deutscher Taschenbuch Gruyter 1988 (= Friedrich Nietzsche: Kritische Studienausgabe, 15 Bde., hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, Bd. 3), S. 343-653, hier S. 559.

[29] Vgl. Günter, Gödde: «Nietzsche und Freud. Übereinstimmungen und Differenzen zwischen Entlarvungs- und Tiefenpsychologie», in: Von Nietzsche zu Freud. Übereinstimmun­gen und Differenzen von Denkmotiven, hg. v. Johann Figl, Wien: WUV 1996, S. 19; Friedrich, Tramer: «Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud», in: Jahrbuch für Psychologie, Psychotherapie und medizinische Anthropologie 7 (1960), S. 325-349; schließlich Ludwig, Klages: Die psychologi­schen Errungenschaften Nietzsches, Bonn: Bouvier 1989.

[30] Vgl. Jürgen, Meyer-Wendt, Der frühe Hofmannsthal und die Gedankenwelt Nietzsches, S. 13-14; Friedrich, Tramer, «Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud», S. 341.

[31] Vgl. Friedrich, Nietzsche: Zur Genealogie der Moral, in: ders.: Jenseits von Gut und Böse. Zur Genealogie der Moral, hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, München: Deutscher Taschenbuch 1988 (= Friedrich Nietzsche: Kritische Studienausgabe, 15 Bde., hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, Bd. 5), S. 245-413, hier S. 322.

[32] Vgl. Sigmund, Freud: Selbstdarstellung, in: ders.: Werke aus den Jahren 1925-1931, hg. v. Anna Freud u. a., London: Fischer 1948 (= Sigmund Freud: Gesammelte Werke, 18 Bde., hg. v. Anna Freud u. a., Bd. 14), S. 54-96, hier S. 86.

[33] Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: «Ad me ipsum», in: ders.: Aufzeichnungen, hg. v. Her­bert Steiner, – Frankfurt a. M.: Fischer 1959 (= Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in Einzelausgaben, 15 Bde., hg. v. Herbert Steiner, Bd. 6), S. 211-245, hier S. 226.

[34] Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: Briefe 1890-1901, Berlin: Fischer 1935, S. 155.

[35] Literatur und Psychopathologie inspirieren einander, so findet auch Freud in der Li­teratur Belege für seine Annahmen. Vgl. Michael, Worbs, Nervenkunst, S. 85-92.

[36] Näher dazu Worbs, ebd., S. 140.

[37] Vgl. Hermann, Bahr: «Skizzenbuch 1: 1903», in: ders.: Tagebücher Skizzenbücher Notiz­hefte (1901-1903), hg. v. Moritz Csáky, Wien, Köln u. Weimar: Böhlau 1997 (= Hermann Bahr: Tagebücher Skizzenbücher Notizhefte, 5 Bde., hg. v. Moritz Csáky, Bd. 3), S. 249-338, hier S. 284. In einer Notiz vom 9. September 1904 heißt es, dass er Kontakt zum Kreis um Freud (zu ehemaligen Patienten und Hörern seiner Vorlesungen), der sogenannten Mitt­woch-Gesellschaft aufgenommen hat (Tagebücher Skizzenbücher Notizhefte, 294).

[38] Vgl. Kirstin, Uhlig, Hofmannsthals Anverwandlung antiker Stoffe, S. 130.

[39] Exemplarisch dafür stehen Lulu und Leutnant Gustl in den gleichnamigen Werken von Frank Wedekind und Arthur Schnitzler.

[40] Vgl. Lothar, Wittmann: Sprachthematik und dramatische Form im Werke Hofmannsthals, Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1966, S. 71.

[41] Hofmannsthal besaß die Erstausgabe der Traumdeutung von 1900. Vgl. Michael, Ham­burger, «Hofmannsthals Bibliothek», S. 27; Bernd, Urban, Hofmannsthal, Freud und die Psy­choanalyse, S. 38-42.

[42] Vgl. Friedrich, Nietzsche: Die Geburt der Tragödie, in: ders.: Friedrich Nietzsche, hg. v. Karl Schlechta, München: Hanser 1977 (= Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, hg. v. Karl Schlechta, Bd. 1), S. 7-135, hier S. 22.

[43] Freud stellt seine Theorie über den Traum in seiner 1899 erschienenen Traumdeutung dar. Vgl. Sophie, Salin, Kryptologie des Unbewussten, S. 102-104. Vgl. Henk de, Berg, Freuds Psychoanalyse in der Literatur- und Kulturwissenschaft, S. 23-28.

[44] Vgl. Sigmund, Freud: Die Traumdeutung, in: ders.: Die Traumdeutung. Über den Traum, hg. v. Anna Freud u. a., London: Fischer 1942 (= Sigmund Freud: Gesammelte Werke, 18 Bde., hg. v. Anna Freud u. a., Bd. 2 u. 3), S. 1-626, hier S. 613.

[45] Vgl. Sigmund, Freud: Über den Traum, in: ders.: Die Traumdeutung. Über den Traum, hg. v. Anna Freud u. a., London: Fischer 1942 (= Sigmund Freud: Gesammelte Werke, 18 Bde., hg. v. Anna Freud u. a., Bd. 2 u. 3), S. 643-701, hier S. 687.

[46] Vgl. Friedrich, Nietzsche: Morgenröthe, in: ders.: Morgenröthe. Idyllen aus Messina. Die fröhliche Wissenschaft, hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, München: Deutscher Ta­schenbuch Gruyter 1988 (= Friedrich Nietzsche: Kritische Studienausgabe, 15 Bde., hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, Bd. 3), S. 9-333, hier S. 112.

[47] Vgl. Christina, Lissmann: «Der Traum bei Nietzsche und Freud», in: Von Nietzsche zu Freud. Übereinstimmungen und Differenzen von Denkmotiven, hg. v. Johann Figl, Wien: WUV 1996, S. 97-113, hier S. 99.

[48] Vgl. Henk de, Berg, Freuds Psychoanalyse in der Literatur- und Kulturwissenschaft, S. 31.

[49] Vgl. ebd., S. 15, 23, 31.

[50] Dieser Notiz Hofmannsthals ist seiner Erzählung Erinnerung schöner Tage zuzurech­nen. Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: «Erinnerung schöner Tage. Entstehung, Überliefe­rung, Varianten», in: ders.: Erzählungen 1, hg. v. Heinz Otto-Burger u. a., Frankfurt a. M.: Fischer 1975 (= Hugo von Hofmannsthal: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe, 38 Bde., hg. v. Rudolf Hirsch u. a., Bd. 28), S. 225-233, hier S. 228.

[51] Vgl. Sophie, Salin, Kryptologie des Unbewussten, S. 93.

[52] Vgl. Sigmund, Freud: «Das Unbewusste», in: ders.: Werke aus den Jahren 1913-1917, hg. v. Anna Freud u. a., London: Fischer 1946 (= Sigmund Freud: Gesammelte Werke, 18 Bde., hg. v. Anna Freud, u. a., Bd. 10), S. 264-303, hier S. 264.

[53] Vgl. Sigmund, Freud: Zeitgemäßes über Krieg und Tod, in: ders.: Werke aus den Jahren 1913-1917, hg. v. Anna Freud u. a., London: Fischer 1946 (= Sigmund Freud: Gesammelte Werke, 18 Bde., hg. v. Anna Freud u. a., Bd. 10), S. 324-355, hier S. 338. Vgl. Günter, Gödde: Traditionslinie des Unbewussten. Schopenhauer, Nietzsche, Freud, Tübingen: edition diskord 1999, S. 70-71.

[54] Vgl. Friedrich, Tramer, «Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud», S. 333.

[55] Hans-Joachim Schickedanz spricht von einem Femme-fatale-Fieber. Vgl. Hans-Joachim, Schickedanz: Femme fatale. Ein Mythos wird entblättert, Dortmund: Harenberg 1983, S. 34.

[56] Vgl. Stephanie, Catanie, Das fiktive Geschlecht, S. 93.

[57] Vgl. ebd., S. 92.

[58] Vgl. ebd., S. 89, 93.

[59] Vgl. Richard von, Krafft-Ebing: Psychopathia Sexualis mit besonderer Berücksichtigung der konträren Sexualempfindung, München: Matthes u. Seitz 1984 (zuerst 1886), S. 12.

[60] Das Werk war ein Sensationserfolg und wurde in acht Sprachen übersetzt. 1923, nur zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen, erschien es bereits in 25. Auflage.

[61] Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: «Die Briefe des Zurückgekehrten. Varianten und Er­läuterungen», in: ders.: Erfundene Gespräche und Briefe, hg. v. Ellen Ritter, Frankfurt a. M.: Fischer 1991 (= Hugo von Hofmannsthal: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe, 38 Bde., hg. v. Rudolf Hirsch u. a., Bd. 31), S. 426-459, hier S. 456.

[62] Vgl. Otto, Weininger: Geschlecht und Charakter. Eine prinzipielle Untersuchung, München: Matthes u. Seitz 1980 (zuerst 1903), S. 105. Eine besonders umfangreiche Analyse von Weiningers philosophischen Theorien leistet Jacques le Rider: Der Fall Otto Weininger. Wur­zeln des Antifeminismus und Antisemitismus, übers. v. Dieter Hornig, Wien u. München: Löcker 1985.

[63] Vgl. Stephanie, Catanie, Das fiktive Geschlecht, S. 10, 42.

[64] Vgl. Jacques le, Rider: Das Ende der Illusion. Die Wiener Moderne und die Krisen der Identi­tät, übers. v. Robert Fleck, Wien: ÖBV 1990, S. 149.

[65] Vgl. Dorothee, Kimmich u. Tobias, Wilke, Einführung in die Literatur der Jahrhundert­wende, S. 33-34.

[66] Hofmannsthal ist mit Friedrich Eckstein, dem Bruder von Therese Schlesinger-Eck­stein, befreundet. Diese tritt offensiv für die Rechte der Frau ein und ist mit Hofmanns­thals Gattin verwandt. Auch Marie Lang, die Mutter Erwin Langs, der ein Verwandter Hofmannsthals ist, ist eine prominente Frauenrechtlerin und Herausgeberin der Dokumente der Frauen. Vgl. Philip, Ward-Marschall: «Hofmannsthal, Elektra and the Representation of Women’s Behaviour through Myth», in: German Life and Letters 53 (1999), S. 37-55; hier S. 47.

[67] Neben Hofmannsthals Briefwechsel mit Arthur Schnitzler liefert dessen mit bewun­dernswerter Beharrlichkeit geführte Tagebuch wichtige Informationen über Hofmanns­thal. Vgl. Arthur, Schnitzler: Hugo von Hofmannsthal. Charakteristik aus den Tagebüchern. Mitge­teilt und kommentiert von Bernd Urban in Verbindung mit Werner Volke, hg. v. Wolfram Mauser, Freiburg im Breisgau: 1975, S. 17;  Jacques le, Rider,  Das Ende der Illusion, S. 149.

[68] Vgl. Ursula, Renner: «Mona Lisa. Das Rätsel Weib als Frauenphantom des Mannes im Fin de siècle», in: Lulu, Lilith, Mona Lisa. Frauenbilder um die Jahrhundertwende, hg. v. Irm­gard Roebling, Pfaffenweiler: Centaurus 1989, S. 139-157, hier S. 150.

[69] Vgl. Dorothee, Kimmich u. Tobias, Wilke, Einführung in die Literatur der Jahrhundert­wende, S. 34.

[70] Vgl. Hans-Joachim, Schickedanz, Femme fatale, S. 32.

[71] Vgl. Wolfgang, Riedel: Homo Natura. Literarische Anthropologie um 1900, Berlin u. New York: Gruyter 1996, S. 49.

[72] Vgl. ebd., S. 153.

[73] Vgl. Kostas, Georgousopoulos: Ηλέκτρες (Die Elektren), Athen: Megaro Moussikis 2007, S. 23.

[74] Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: «Die ägyptische Helena. Zeugnisse», in: ders.: Opern­dichtungen, hg. v. Ingeborg Beyer-Ahlert, Frankfurt a. M.: Fischer 2001 (= Hugo von Hof­mannsthal: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe, 38 Bde., hg. v. Rudolf Hirsch u. a., Bd. 25), S. 456-549; hier S. 544.

[75] Vgl. Hugo von, Hofmannsthal: «Elektra. Zeugnisse», in: ders.: Dramen 5, hg. v. Klaus Bohnenkamp u. Mathias Mayer, Frankfurt a. M.: Fischer 1997 (= Hugo von Hofmanns­thal: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe, 38 Bde., hg. v. Rudolf Hirsch u. a., Bd. 7), S. 366-476; hier S. 368.

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Simona Vanni

(Lucca)

Robert Musil. La guerra nelle parole: tra sogno, redenzione
e “altro stato”
*

[Robert Musil. The War in his Words: through Dream, Redemption
and “the Other Condition”
]

abstract. Through a close examination of The Man without Qualities, some of the writings contained in The Literary Nachlass and especially The Redeemer, one of the most significant preliminary versions of the novel, the article shows the evolution of Musil’s thought about the First World War. He supported it initially, as did many European intellectuals. How­ever, in retrospect and in the fine weave of the words used in the materials mentioned above, Musil ends up seeing in the Great Conflict only the failure of a buried humanity.

Introduzione

Von 1912 bis 1914. Die Mobilisierung, die Welt und Denken so zerriß, daß sie bis heute nicht geflickt werden konnte, beendet auch den Roman.[1]

Ci sono guerre inspiegabilmente sognate, attese e volute, illusoriamente liberatorie, vissute e alle quali l’uomo sopravvive incapace al suo ritorno di trasformarle in «esperienza […] di crescita»[2], come osserva Micaela Latini nel saggio Il ricordo è un dispositivo scadente proprio a proposito di Musil e la Grande Guerra.

Quest’ultima si rivela essere solo un drammatico canto di morte che giunto al suo termine fissa tutto e tutti in un silenzio disperato, svuotato di ogni senso e incredulo poiché niente è cambiato.

Eppure una generazione intera di intellettuali si aspettava, anzi ne era convinta, che solo con un conflitto di immani dimensioni potesse sorgere un mondo nuovo, un ordine nuovo, una società nuova e con ciò stesso un uomo nuovo, diciamo pure redento e redentore.

C’era addirittura chi già in anni non sospetti aveva deciso di costruire tutta una storia proprio su questa figura e portarla con sé nel viaggio della vita ed anche in guerra con il suo orrendo frastuono tra pericoli e malattie mortali, tra il sibilo metallico di frecce volanti ed eterni silenzi mistici, tra cielo e terra, tra vita e altra vita, tra illusioni e delusioni.

Gli anni prima della guerra

Vor allem an eine Tatsache erinnern: Um 1900 (der letzten geis­tigen Bewegung in Deutschland von großer lebendiger Kraft) glaubte man an die Zukunft. An eine soziale Zukunft. An eine neue Kunst. Die Jahrhundertwende gab dem den Firnis der Morbidität u.[nd] Dekadenz: aber diese beiden negativen Best­immungen waren nur der Gelegenheitsausdruck für den Willen anders zu sein und es anders zu machen als der vergangene Mensch.[3]

Ogni epoca ha un proprio segno di riconoscimento individuato magari in un autore, in un’opera, in un evento, in un accadimento mancato, in una parola o più semplicemente in una sensazione. Gli intellettuali del periodo prebellico avevano trovato il proprio contrassegno in un senso di attesa. Aspettavano infatti l’arrivo di un nuovo Messia o forse anche più di uno. Sembrava che solo un Salvatore fosse l’unica soluzione ai problemi di una cultura europea occidentale ormai al collasso e che ciò nonostante doveva confrontarsi con il numero tondo del 1900. Dalle menti degli intellettuali, fermamente persuasi che «die Zeit, in der sie lebten, zu seelischer Unfru­chtbarkeit bestimmt sei und nur durch ein besonderes Ereignis oder einen ganz besonderen Menschen davon erlöst werden könne»[4], l’idea della re­denzione iniziò a circolare per i vari strati della società, tanto che qualcuno finì con l’indossare veramente le vesti di un Cristo redivivo.

Così per lo meno a partire dal 1907 si potevano vedere in giro per le strade di Berlino i cosiddetti Naturmenschen[5] con tanto di tunica, capelli lun­ghi, barba incolta, sandali, dal passo sicuro nel loro incedere verso un’epoca che di lì a poco sarebbe esplosa nel primo conflitto mondiale.

Nelle pagine dei Tagebücher che hanno accompagnato Robert Musil alla guerra e nella guerra, nei numerosi saggi elaborati dopo tale esperienza, nei racconti sorti durante il conflitto e poi come vedremo nei fogli del Literari­scher Nachlass dedicati al romanzo, insomma in un continuo narrare, lo scrit­tore austriaco ripensa a quel clima culturale condiviso e corresponsabile dello scoppio del conflitto.

Attraverso tali scritti la critica musiliana è in grado di ricostruire la trama delle parole in guerra ancor prima degli uomini e in quest’ultima vedere l’ordito di un dilagante vuoto spirituale. Le parole, che dovevano passare e ripassare allora per le menti, per le discussioni nei caffè letterari, per le piazze, per la stampa, erano destinate a tessere una tela talmente spessa tanto da allontanare dalla realtà delle cose e da ottundere la capacità di ana­lisi e di risoluzione, talmente tesa da offuscare le menti come in un’allucina­zione.

E quali erano queste parole o segni del tempo?

Confusione e carenza di organizzazione spirituale, disordine, inesprimi­bile frammentarietà, disgregazione, contraddizioni, mancanza di connes­sioni con il passato, di valori stabili e di responsabilità, tensioni trascurate, malessere, decadenza, intorpidimento culturale, cattivo rapporto tra intel­letto e anima viaggianti su binari destinati a non incontrarsi, non considera­zione dell’aspetto interiore delle cose e dell’Io, valutazione capitalistica e al ribasso dell’uomo, deserto dell’anima. Al contempo si intrecciavano a que­ste parole quelle della speranza per una diversa specie umana, per un rinno­vamento della vita, per una redenzione dalla decadenza e dal vuoto ideale in cui era piombata l’umanità, per un nuovo futuro che doveva necessaria­mente nascere dalle ceneri del vecchio mondo[6].

Insomma scrive Musil in Das Hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten ins Tausendste:

Es ist ein babylonisches Narrenhaus; aus tausend Fenstern schreien tausend verschiedene Stimmen, Gedanken, Musiken gleichzeitig auf den Wanderer ein, und es ist klar, daß das Individuum dabei der Tum­melplatz anarchischer Motive wird, und die Moral mit dem Geist sich zersetzt.[7]

Questo è il terreno fertile per l’allucinante e spettrale euforia che colse quasi tutti, anche Musil[8], allo scoppio della guerra e che condusse alla fatale mobilitazione a suo favore[9]. Terreno innegabilmente poco sano che fece sì che la guerra arrivasse con l’ebbrezza dell’avventura e come bonaccia[10] e che poi esplodesse come una vera e propria malattia o una febbre che ottunde i sensi, come un’energia in viaggio verso l’anima, sì, ma come fistola puru­lenta o ancora come un bisogno di uno schianto metafisico ovvero di una lacerazione del tessuto esistenziale dell’uomo a causa di un’insoddisfazione stratificatasi in tempo di pace, come fuga dalla pace, come noia della pace[11], come esperienza religiosa, se non addirittura mistico avvicinamento al di­vino, come sentimento inebriante che per la prima volta fa sentire nell’ari­stocratico intellettuale un senso di fratellanza, come una possibilità di ri­torno al primigenio, come paradossale cura redentrice o rigeneratrice per la «vecchia, […] invecchiata e peccatrice Europa»[12] in cui la violenza è addirit­tura giustificata nella metafora delle doglie del parto, infine come irreale at­mosfera di un sogno contro il mondo germanico.

Dopo gli anni trascorsi al fronte per Musil il Grande Conflitto si era certo rivelato per quello che era: delusione e disillusione, orrore e macchina di­struttrice[13]. Egli che aveva inteso la guerra, come scrive B. Cetti Marinoni, come «momento potenzialmente costruttivo»[14] si trovava di fronte al triste «Zusammenbruch dieser unterhöhlten Menschlichkeit»[15]. Contro tale realtà, e contro soprattutto gli effetti devastanti che essa avrebbe potuto avere sull’anima, Musil disponeva di un meccanismo di difesa senza dubbio salvi­fico, ovvero la scrittura.

Come ben notano Alessandro Fontanari e Massimo Libardi in La guerra parallela:

Narrare […] rappresenta l’unica possibilità di raggiungere una diversa comprensione di certe esperienze limite. Non è dunque un caso che emerga nei racconti e nei frammenti narrativi del periodo di guerra lo stretto rapporto tra esperienza bellica e necessità della narrazione. La narrazione riguarda sempre gli eventi eccezionali e inspiegabili di un soldato […]. Anche in uno dei primi articoli per la Soldaten-Zeitung, Ca­merati collaborate!, Musil pone come compito del giornale e di tutti i sol­dati che vogliano collaborarvi, proprio quello di trattenere nei rac­conti, ciò che viene vissuto al fronte […]: “non è necessario scrivere dei versi, per essere poeta; il poeta vede le cose come se fosse la prima volta; ogni soldato che si renda imparzialmente conto di quanto vede, diventa poeta”.[16]

Nella fede alla scrittura o più semplicemente alla parola Musil suggerisce implicitamente qual è la via da percorrere per redimere l’Europa da quella malattia che l’aveva portata al collasso: non è un caso che intitoli uno dei suoi racconti sorti in guerra Ein Soldat erzählt, dunque soldato sì, ma nar­rante. Non è un caso che in alcuni saggi in un’ottica retrospettiva egli defi-nisca la poesia nelle sue più intime fibre come lotta per una forma più alta di umanità[17]. E che ancora scriva che «Gegenüber von Tatsache, Handel, Gewaltpolitik […] stehen Liebe und Gedicht. Es sind Zustände, welche über die Händel der Welt erheben»[18]. Non è un caso infine che al termine di Das Hilflose Europa citi i versi che Goethe rivolge a quell’anima tormentata e bisognosa di aiuto di Friedrich V. L. Plessing[19]:

Ist auf deinem Psalter / Vater der Liebe ein Ton / Seinem Ohr ver­nehmlich, / So erquicke sein Herz![20]

Musil estende questi versi a tutti noi poiché sono «eine Masche in der Reihe der Menschenliebe oder der Güte, welche Reihen durch die Vorstel­lungswelt von Anbeginn bis heute laufen»[21].

E qual è il significato essenziale di questi versi? Essi sono note, dunque vibranti di poesia e musica, ispirati da uno spirito d’amore per essere con­forto del cuore e con ciò stesso diventano speranza di salvezza. Fanno parte di una trama primordiale che Musil riesce a cogliere tuffandosi nel suo in­treccio e continuare a tesserla. I fili sono quelli dell’inizio dei tempi, dunque non ancora aggrovigliati dalle scissioni e deformazioni dell’uomo, sono la sorgente di un’energia vera e unificante sul cui flusso potrà forse essere tro­vata una via nuova.

Torniamo ora alla guerra così come si presenta in un appunto dello Heft 8 del Nachlass:

Die Zeit: Alles, was sich im Krieg und nach dem Krieg gezeigt hat, war schon vorher da. Es war da: Erstens: Geschehenlassen. Absolute Grausamkeit: Zweitens: Nur das Mittel erleben. Aus den gleichen Gründen Egoismus. Die Zeit ist nur zerfallen wie ein Geschwür. Alles muß man submarin auch schon in dem Vorkriegsroman zeigen.[22]

Esiste dunque una corrente sottomarina che attraversa subliminalmente ogni riga se non ogni singola parola dell’opera musiliana: l’autore stesso ci invita a entrare in questo flusso perché lì vivono i nodi che danno conto della guerra, di ciò che prima di essa era nel Vorkriegsroman e ciò che poi è nella rielaborazione successiva.

E allora l’intenzione di questo scritto è captare, per quanto possibile, l’energia subliminale che anima il palinsesto di un Mann ohne Eigenschaften in divenire, in particolare nei materiali dedicati a Der Erlöser.

La guerra nelle parole: il redentore

Das ist die Gesellschaft, welche ein Jahr zuvor Anders den kommenden Messias genannt hat.[23]

Nella trama delle parole di Der Erlöser e nella stessa figura del redentore prende vita una semantica di diretta derivazione dall’esperienza bellica e da quel clima spirituale in crisi delineato sopra.

Anche l’Erlöser musiliano ha a che fare con la speranza dell’avvento di un nuovo salvatore, apripista verso un’umanità nuova o rinnovata: dunque la guerra con la sua attesa messianica si manifesta innanzitutto nella scelta del titolo attribuito a «Alte Fassungen»[24] del romanzo, in cui ricorre una parola che andava molto di moda all’epoca e che sicuramente doveva farsi portavoce di quell’estrema «smania di riscatto»[25] che poi trovò la sua valvola di sfogo proprio nel grande conflitto.

In Der Mann ohne Eigenschaften Musil ricostruisce con il suo solito taglio ironico quell’assurda moltitudine di idee redentrici d’inizio secolo, riflesso anch’esse di quel caotico turbinio spirituale di cui si è detto sin dall’inizio[26]:

Auf diese Weise entstand damals unter den sogenannten intellektuel­len Menschen die Beliebtheit der Wortgruppe Erlösung. Man war überzeugt, daß es nicht mehr weitergehe, wenn nicht bald ein Messias komme. Das war je nachdem ein Messias der Medizin, der die Heil­kunde von den gelehrten Untersuchungen erlösen sollte, während de­ren die Menschen ohne Hilfe krank werden und sterben; oder ein Messias der Dichtung, der imstande sein sollte, ein Drama zu schrei­ben, das Millionen Menschen in die Theater reißen und dabei von vo­raussetzungslosester geistiger Hoheit sein sollte: und außer dieser Überzeugung, daß eigentlich jede einzelne menschliche Tätigkeit nur durch einen besonderen Messias sich selbst wieder zurückgegeben werden könne, gab es natürlich auch noch das einfache und in jeder Weise unzerfaserte Verlangen nach einem Messias der starken Hand für das Ganze. So war es eine recht messianische Zeit, die damals kurz vor dem großen Kriege, und wenn selbst ganze Nationen erlöst wer­den wollten, so bedeutete das eigentlich nichts Besonderes und Unge­wöhnliches.[27]

L’ironia è la strategia di cui si avvale l’autore per distanziare se stesso e il proprio pensiero da questi personaggi che sono solo una riduzione carica­turale del messia.

Cerchiamo ora di capire meglio attraverso le testimonianze anche del Lascito qual è lo scarto tra la carrellata di vani profeti, che realmente si po­tevano ascoltare o veder sfilare per alcune grandi città del primo Novecento, e il redentore musiliano.

Questi è certo «eine andre Art Erlöser. Aber weiß Gott, welche»[28], scrive l’autore in un foglio del Nachlass. Tale affermazione non è molto incorag­giante: sembra infatti che lo stesso scrittore non abbia ancora ben indivi­duato la propria linea salvifica. Tuttavia l’indefinito «altro», che qui com­pare, è la chiave per giungere a una maggiore definizione. L’altro ovviamente ci conduce al nome del protagonista in questa fase di elaborazione dell’opera, dunque il redentore è Anders, l’altro uomo come suggerisce una nota sibillina dello Heft 26 proprio sulla scelta del titolo: «Anderer Mensch: Erklärung des Titels»[29].

Nel tentativo di trovare ulteriori determinanti dell’altro ci vengono in aiuto alcune citazioni del Lascito in cui per esempio leggiamo:

Die Idee [die Erlösung] an sich ist gar nicht wichtig; eine der Lächer­lichkeiten, in denen sich die Zeit äußert, Symptom u.[nd] Ausdruck tiefer liegender Ideen. […] Morgengefühl eines jungen Menschen.[30]

Qui Musil spiega il valore che dà all’idea della redenzione: essa è una di quelle sciocchezze in cui si manifesta l’epoca in cui viviamo, tuttavia è sin­tomo ed espressione di idee più profonde: è la sensazione che un giovane uomo ha del mattino. Morgengefühl è sicuramente la parola più evocativa e interessante tra quelle usate per circoscrivere la Erlösungsidee. È un composto in cui la parola -Gefühl si fa portavoce di un aspetto interiore del giovane redentore strettamente legato alla sfera del sentimento, della sensazione, ma anche del presagio e dell’intuizione, e Morgen- ovviamente a quella del risve­glio. Cercando ulteriormente giungiamo a individuare almeno due occor­renze di questa parola in cui è chiaro che in essa è implicita anche l’idea di un mondo che si fa nuovo ogni giorno, dunque rinnovabile o già rinnovato: «Morgengefühl, die Welt ist mit jedem Tag neu»[31]. E ancora a questo pro­posito leggiamo: «Den etwas grundlosen Optimismus betonen. A[nders] fühlt sich. […] Morgengefühl eines jungen Menschen»[32]. Di questo senti­mento del mattino fa dunque parte anche un ottimismo immotivato, senza fondo e con ciò stesso inesauribile: del resto l’atteggiamento fiducioso è una tra le energie più forti con cui i giovani, a dispetto di qualsiasi contrarietà o sconfitta[33], riescono a guardare il mondo nascente o ad affacciarsi sulla vita[34]. Ed è proprio questo che sta facendo il redentore: gettare uno sguardo sulla vita per rivedere in essa riflesso il proprio volto[35].

Ci sembra inoltre rilevante ricordare a questo punto anche la scena in cui i due fratelli, ritrovatisi dopo tanto tempo per il funerale del padre, ricor­dano l’episodio in cui ancora bambini avevano voluto nascondere, in una sorta di ribellione nei confronti della generazione del padre, un fogliettino, scarabocchiato da Agathe e gettato nello scavo per tirare su la casetta dei domestici in giardino, e ben scritto invece dal fratello: «Anders schrieb: Ich bin – und nun folgte der Name dessen, der hier Anders heisst»[36]. È un sem­plice gioco da bambini in cui però Musil coinvolge anche il lettore lasciando in sospeso la definizione dell’Io da parte del protagonista: è una sorta di battesimo in cui egli sceglie per se stesso un nome che sente più intima­mente connesso con la sua essenza e che sembra opporsi a un qui, dunque pare già aprire la sua identità a una non ancora ben definita altra dimensione dove probabilmente non ha senso chiamarsi o essere altro. Rimane infine nel vago l’idea di un possibile nome, una possibile altra identità. Ma anche in questo Anders si rivela l’altro, il diverso, comunque non definibile fino in fondo.

I risultati dell’indagine qui condotta ci hanno portato a toccare, ed era inevitabile, la sfera del possibile. A tal proposito non possiamo fare a meno di riportare un’altra emblematica testimonianza individuata nel Nachlass che recita così: «Wenn A.[nders] aber ernstlich mit der Idee Erlösung spielt, so meint er den Essayismus»[37]. Dunque redenzione significa saggismo. E quest’ultimo può essere a sua volta definito come contrapposizione al mondo[38]. Un mondo convinto di se stesso, rigido, solo realtà che esclude da sé la possibilità di essere anche altro, di uscire dalle giunture che lo ten­gono insieme e quindi sperimentare altre modalità di vita:

Sie[39] […] ist von sich überzeugt und richtet sich nicht für morgen ein, sondern wie für ein ewiges Heute. Sie kann […] nicht schweben, son­dern muss möglichst fest sein, weil sie fürchtet, sofort aus den Fugen zu gehn. Sie ist keine Denkwelt, sondern eine Gewaltwelt. Die Ideen dienen ihr nur dazu, das zu rechtfertigen, was sie auch ohne Ideen oder aus der gewissen vagen atmosphärischen Ideenmischung heraus täte. Ihr erscheint A. unmöglich; das ist der Sinn von: nur denken oder schreiben statt leben. Sie ist kein Essay, sondern eine Wirklichkeit.[40]

La connessione saggismo – redenzione è in ultima analisi una questione mo­rale. È già chiaro nei materiali redatti a partire dal 1919, quindi a guerra conclusa, in cui il protagonista si chiama ancora Achilles[41]: egli ha fiducia di essere il redentore e, leggiamo, questo è il rischio della sua vita e la radice della sua morale[42]. Una morale che non è da accettare o tollerare come un sistema di norme prestabilito o come un’inequivocabile voce del cuore, è bensì da intendersi come impostazione di vita, come Essayistik des Lebens[43] che significa:

Jede Entscheidung und Handlung nur als eine Funktion der Umstände und Zusammenhänge behandeln. Nichts für eine Totallösung, alles nur für Partiallösungen ansehn. Man hängt in der Luft. Verzichtet auf eine feste Lebensform, auch für die Zeit. Die Zeit darf sich gewisser­massen nicht ernst nehmen. Sie muss sich sagen, dass sie in nichts eine entscheidende Lösung treffen kann, soll aber die Lösungen der Zu­kunft vorbereiten: dies die oberste Richtlinie ihres Verhaltens.[44]

È necessario dunque trovare non un’unica soluzione assoluta e decisiva, ma preparare più soluzioni per il futuro. Una vita impostata così considera proprio come in un saggio, ossia da prospettive diverse e molteplici, qual­siasi manifestazione del mondo, dell’Io o degli altri Io che gli ruotano at­torno, lo incrociano nel cammino o ne sono a volte un riflesso. Redime, nel senso che libera se stessa e tutto ciò che ad essa si intreccia, da quei margini di metallo entro cui i grandi scrittori hanno irrigidito tutto ciò che li ha mossi a scrivere, libera l’alterità insita nel mondo e di cui oggi si possono cogliere solo alcuni frammenti: esso (il mondo) potrebbe essere altro, scrive Musil nel Nachlass, anzi lo è stato già[45].

Moosbrugger, l’uomo-bestia e l’uomo-ponte

Der Mensch existiert nur in Formen, die ihm von außen geliefert wer­den. “Er schleift sich an der Welt ab”, ist ein viel zu mildes Bild; er preßt sich in ihre Hohlform müßte es heißen.[46]

Con le parole citate di seguito usciamo dal palinsesto del romanzo ed entriamo nel mondo di Christian Voigt, alias Moosbrugger. Sono un estratto dell’interrogatorio del processo, dettagliatamente riportato sulla «Il­lustrierte Kronenzeitung» del 21 ottobre 1911:

Ich fürchte keine Strafe. Mir ist es egal, was mit meinen leeren un­glücklichen Leben geschieht. Glauben Sie, ich habe einmal einen gu­ten Vorsatz gehabt. Da wollte ich einen anderen Platz in der mensch­lichen Gesellschaft einnehmen als ein zweifacher Mörder. Aber mein Gewissen, ich habe ein Gewissen, wenn auch irgendwo geschrieben steht, daß ich keinen habe. Mein Gewissen verlangt von mir: sage die Wahrheit![47]

Alcuni elementi di questa sorta di outing risultano vicini al pensiero mu­siliano sull’uomo: lo stesso assassino ammette di aver avuto un tempo buoni propositi che gli avrebbero fatto occupare un altro posto nel tessuto sociale. Dunque la sua vita poteva essere diversa. Ora questo sfogo lascia aperta più di una domanda: il buon proposito fallisce perché è destinato al fallimento? O solo perché insorge una malattia nella mente e nello spirito? O anche perché si scontra con un ambiente umano e sociale che non permette al falegname di far emergere la parte migliore o costruttiva di sé?

Forse anche Musil si è posto le stesse domande. E a ben cercare in Der Erlöser è possibile addirittura trovare una risposta:

Er hatte ein starkes und man könnte fast sagen natürliches Empfinden dafür, daß ein Mensch in einen dunklen, leeren, meilenweiten Raum hineingestellt, durchaus nicht imstande ist, seine Handlungen zu be­stimmen, und solche Lage schien ihm die zu sein, in welcher Moos­brugger geboren war.[48]

E ancora:

Er war in seiner Jugend ein Hüterbub und armer Teufel gewesen. In der kleinen, aus zerstreuten Häusern bestehenden Gemeinde gab es keine “Straße”, wo man sich fand und aussprechen konnte, bis man voneinander und sich selbst genug hatte. So konnte er Mädeln immer nur sehn. Auch später in der Lehre und dann gar auf den Wandrungen als Zimmermann. Man hat nicht gelernt, natürlich mit den Menschen zu verkehren, man war zu viel allein; man weiß nicht, wie leicht es ist, ihnen zu gefallen und weil man sich nicht traut, so dumm gewinnend zu ihnen zu sein, wird man unaufhörlich von ihnen gekränkt und in der eignen Würde beleidigt.[49]

E infine di fronte ai giudici emergono una certa assertività e una forte ambizione: «Es war ein ungeheurer Selbstbehauptungsdrang und Ehrgeiz in ihm, der unter andren Umständen ihn ganz gewiß zu ungewöhnlichen Leistungen befähigt hätte»[50].

È utile ricordare che tra il processo del 1911, la liberazione dal carcere per grazia ricevuta nel 1912[51] e la stesura di queste frasi si interpone l’espe­rienza bellica che mostra allo scrittore l’uomo in tutta la sua essenza. Questo sguardo da vicino sull’essere umano gli permette di sviluppare l’immagine secondo la quale l’uomo in guerra può improvvisamente trasformarsi «nicht nur in einen Heros, sondern auch in eine Bestie»[52]. In sintesi si presenta qui la cosiddetta Gestaltlosigkeit dell’uomo: «Ich möchte etwa sagen, daß die Menschen eine außerordentlich indolente Masse sind in jeder moralischen Frage. […] Der Mensch gibt sich nicht seine Lebensform. Es laufen da zwei Prozesse mit ganz verschiedenem Tempo und Phasenunterschied nebenei­nander. Die Kausalketten der menschlichen Entwicklung und der der Le-bensform sind verschieden»[53]. Nella «situazione-limite» che sia guerra o de­litto, come osservano Alessandro Fontanari e Massimo Libardi, si manifesta «in pieno l’amorfità […] dell’uomo» poiché in quelle circostanze uno «stesso individuo si è comportato da eroe e da bestia»[54]. E più in generale leggiamo in Der deutsche Mensch als Symptom: «Die gesellschaftliche Organisation gibt dem Einzelnen überhaupt erst die Form des Ausdrucks, und durch den Ausdruck wird erst der Mensch»[55].

La situazione-limite o critica si presenta a Moosbrugger una notte in cui tutto, anche lo spazio attraverso cui si muove, è instabile e ondeggiante e partecipa con ciò alla sua implacabile inquietudine. È in questa notte che il falegname incontra una prostituta. La respinge, ma lei insiste e quasi lo placca nel suo corrergli dietro. Le idee più assurde s’impossessano allora di Moosbrugger: forse dietro la ragazza si nasconde un uomo, forse lei e lui insieme vogliono prendersi gioco di lui e saltargli addosso. Sta di fatto che l’insistenza della ragazza e la paura di essere deriso fanno scattare in lui la molla omicida[56].

Il crimine dunque, le «bestialischen Schandtaten»[57] che commette, lo ren­dono senza ombra di dubbio e letteralmente una bestia. Una bestialità, la sua, confermata nella scena in cui Agathe gli fa visita ed egli «stramm und galant» prende nella sua «Tatze»[58] la mano della donna[59], una bestialità che lo introduce nella sfera della semantica della guerra.

Come mai Musil, e per riflesso Anders, è così interessato alla figura di quest’uomo “molto bestia e poco eroe”?

È di sicuro un personaggio singolare, o originale come dicono i giudici[60]. E la sua singolarità è la bonarietà che stride fortemente con il suo «eitlen Lächeln, seiner Gutmütigkeit und seinen ungeheuerlichen Taten»[61]. In lui dunque convivono forti contrasti: la terribile delittuosità, la vanità, la bona­rietà. Nel suo spirito si muovono qualità diverse e intermittenti. E nello sbilanciato gioco degli equilibri, che si agita nel suo mondo interiore, quella notte contro la donna si scatena «nur der stärkere Trieb»[62]. Emerge dunque purtroppo per lui solo l’istinto criminale, e in quel solo si condensano impli­citamente altre forze presenti in lui, forse le più sane, che tuttavia in quanto più deboli non riescono a contenere la molla omicida.

Ora sappiamo che il redentore s’interessa attivamente alla causa di Moosbrugger, ne discute con l’amica Clarisse e con la sorella: insomma lo vorrebbe salvare progettando la fuga. L’affare-Moosbrugger entra così nel campo di azione/redenzione[63] di Anders e con ciò stesso da caso giuridico viene a essere soprattutto una questione morale:

Was hätte ein moralischer Mensch in Anders Fall getan? Er hätte ent­weder Moosbrugger verabscheut und über seine Verurteilung Genug­tuung empfunden; oder er hätte empfunden, dass hier die Begriffe des Rechts auf einen Kranken angewendet wurden, und hätte im Namen Gottes, der Psychiatrie oder der Humanität dagegen protestiert. In beiden Fällen würde er sich mit Vergnügen in die ihm vorgeschlagene grosse patriotische Aktion gestürzt haben; entweder um, das Vorkom­men der Moosbruggers verwindend, mit dem Weltplan wieder ausge­söhnt zu werden, oder weil sie eine prächtige Möglichkeit bot, für die kreatürliche Unschuld der Moosbruggers zu agitieren und die Bewe­gung zur Abänderung der Zurechnungsfähigkeitparagraphen des Straf­gesetzbuches neu zu entfachen.[64]

Per lo spirito saggista del futuro uomo senza qualità il pericoloso Moosbrugger rappresenta il tutto possibile ed è proprio per questo che eser-cita una forza quasi magnetica su di lui[65]. Il protagonista, leggiamo nel rac­conto, non è un individuo dotato di morale, lo è però in un altro senso, e anche in questo si rivela la sua alterità[66]. Da ragazzo addirittura avrebbe vo­luto fondare una nuova religione e tale proposito non è scemato neppure all’epoca della narrazione[67]. Qui egli è persino detto «Erlöser der Moral»[68], di una morale intesa come sentimento mobile, privo di confini[69], non cano­nico e con ciò diametralmente opposto a quello seguito dal padre, come sostiene Agathe. La sua è una morale dinamica nella quale il male è consi­derato un «bewegendes Prinzip»[70], anzi senza di esso la realtà sarebbe rigi­damente statica e non riceverebbe nessun tipo di impulso al movimento e quindi neanche al cambiamento. Nella ben nota intervista con Oskar Maurus Fontana Musil precisa a questo proposito: «[…] die Welt kann nicht ohne das Böse bestehen, es bringt Bewegung in die Welt. Das Gute allein bewirkt Starre»[71].

In ultima analisi Moosbrugger attrae così tanto Anders perché in lui scorge un suo riflesso: «Es war ihm [Anders] besonders rührend, in gewis­sen Zügen M’[oosbrugger]s. sein Spiegelbild […] zu sehen»[72]. Del resto il sogno con cui ha inizio la narrazione è raccapricciante proprio come l’assas­sino dal quale esso aveva indubbiamente tratto ispirazione[73].

Infine, dato l’interesse trasversale che il caso suscita in donne e uomini di qualsiasi età, la difesa del femminicida è per Anders la leva giusta da toc­care per scuotere le pigre coscienze, ravvivare in tutte i fuocherelli appena accesi e dunque mobilitare l’opinione pubblica[74], anch’essa in qualche modo strettamente connessa con la storia di quest’uomo e con il suo mondo inte­riore:

Man seufzte zwar über eine solche Ausgeburt, aber man wurde von ihr innerlicher beschäftigt als von seinem Beruf. Ja, es mochte sich ereignen, daß beim Zubettgehn der korrekte Herr Sektionschef Tuzzi oder der zweite Obmann des Naturheilvereins … seiner schläfrigen Gattin sagte: Was würdest du anfangen, wenn ich jetzt ein Moosbrug­ger wäre?[75]

Si rivela così qui un possibile significato dell’azione redentrice di Anders, indirizzata attraverso Moosbrugger a una collettività bisognosa di un inter­vento energico che la scuota da quell’indolente pigrizia che la caratterizza e che alla fine la irrigidirà in un mortifero e falso equilibrio.

I colori stanchi di questo quadro sociale appartengono anch’essi alla se­mantica della guerra, sono gli stessi che Musil usa negli scritti citati all’inizio di questo percorso di lettura e che danno conto di una stanchezza e un profondo intorpidimento. Sono così affini al clima spirituale pre-bellico tanto da far utilizzare ad Anders nel prosieguo del suo pensiero un verbo da guerra mondiale, ovvero mobilitare, in cui sappiamo si condensano grandi speranze ma anche grandi delusioni.

È chiaro tuttavia ormai che Musil scrive tutto ciò in un’ottica retrospet­tiva, ben consapevole del grande fallimento che è stato il conflitto del 1914-18, dunque mobilitare è usato a questo punto in un senso lontano da eufori­che o propagandistiche implicazioni. In bocca al dinamico redentore mobili­tare significa semplicemente mettere in moto quel mondo spirituale intorpidito e quasi spento nelle sue energie proprio dai venti distruttori della guerra.

Torniamo ora a Moosbrugger, protagonista di questa Mobilisierung perso­nale e collettiva a un tempo e Spiegelbild per certi versi di Anders, e cer­chiamo di capire che significato avrebbe la sua salvezza sul piano spirituale. L’impresa è titanica[76], e non lo è detta a caso, richiede cioè una forza straor-dinaria perché la salvezza di Moosbrugger è una delicata operazione sullo spirito:

M[oosburgger]’s. Geisteskrankheit u. die allg. Geistesgesundheit. Jene in diese überzuführen; “transformieren” Nicht erklären, sondern Nach­bildung. Dialektik die im Bösen den extremen Fall des Guten sieht. Das Böse ist seit den Tagen Christi gewachsen. In einer großen Miß­bildung steckt eine ähnliche Zeugungskraft wie in einer großen Wohl­bildung (das Große ist überall verwandt!).[77]

L’impresa del titanico redentore relativa a Moosbrugger sarebbe allora quella di trasformare la Geisteskrankheit di quest’ultimo in una Geistesgesund­heit. Musil usa oltre il verbo transformieren, ovvero andare al di là della forma (e la forma in questo caso è impressa dalla malattia o dalla salute), anche il verbo überführen: l’impresa quindi sarebbe quella di trasferire il malato nel sano. Merita soffermarsi sulla parola trasferire che implica un movimento e un’energia potentissima, quella necessaria a indurre lo spirito a passare dal luogo della malattia a quello della salute. Ed eccoci di nuovo di fronte alla sfera attinente al dinamismo e a una potenzialità del mutare, del mettere in movimento, del cambiare, del ver-ändern, che declina ulteriormente il signifi­cato non solo del nome-persona Anders, ma anche della sua azione reden­trice.

Vediamo di inquadrare ora un po’ meglio il personaggio di Moosbrugger per capire quale altro potenziale ha scorto in lui il redentore.

Uno degli aspetti più sorprendenti di questo personaggio è il linguaggio che usa, un linguaggio spiazzante attraverso il quale egli dimostra di posse­dere un lessico scientifico, pronunciato male però, e di saper esprimere giu-dizi di merito[78]. Queste abilità sono tuttavia più prove di vanità che altro e finiscono col creare non poche difficoltà agli avvocati difensori.

È un linguaggio che spiazza anche perché dietro di esso si cela un tenta­tivo di autoaffermazione: «Es war ein ungeheurer Selbstbehauptungsdrang und Ehrgeiz in ihm»[79].

Nello Heft 36, dedicato a Der Erlöser, Musil rimanda inoltre a quelle pa­role magiche[80] che l’omicida aveva appreso nei manicomi e nelle prigioni. È solo un rimando, un frammento di narrazione che Musil aveva sviluppato in pagine non conservate del Nachlass[81], in cui egli doveva caratterizzare ul­teriormente la maniera di parlare dell’assassino, e che nel romanzo è resa in questi termini:

[…] die Welt hielt überall gegen ihn zusammen; kein Zauberwort kam gegen diese Verschwörung auf und keine Güte.

Solche Worte hatte er in den Irrenhäusern und Gefängnissen eifrig gelernt; französische und lateinische Scherben, die er an den unpas­sendsten Stellen in seine Reden steckte, seit er herausbekommen hatte, daß es der Besitz dieser Sprachen war, was den Herrschenden das Recht gab, über sein Schicksal zu «befinden». Aus dem gleichen Grund be­mühte er sich auch in Verhandlungen, ein gewähltes Hochdeutsch zu sprechen, sagte etwa, «das muß als Grundlage meiner Brutalität die­nen» oder «ich hatte sie mir noch grausamer vorgestellt, als ich derlei Weiber sonst einschätze»; wenn er aber sah, daß auch das den Ein­druck verfehlte, schwang er sich nicht selten zu einer großen schau­spielerischen Pose auf und erklärte sich höhnisch als «theoretischen Anarchisten», der sich von den Sozialdemokraten jederzeit retten las­sen könnte, wenn er von diesen ärgsten jüdischen Ausbeutern des ar­beitenden, unwissenden Volks etwas geschenkt nehmen wollte: Da hatte auch er eine «Wissenschaft», ein Gebiet, auf das ihm die gelehrte Anmaßung seiner Richter nicht folgen konnte.[82]

Che dire poi, sempre grazie al romanzo, del basito stupore degli psichia­tri quando gli chiedono di definire l’immagine di uno scoiattolo ed egli ri­sponde: «Das ist halt ein Fuchs oder vielleicht ist es ein Hase; es kann auch eine Katz sein oder so»[83]. Aveva una sua ragione a rispondere così perché sapeva, e di questo si fa portavoce il narratore, che secondo i luoghi lo scoiattolo poteva esser detto gatto della quercia o volpe degli alberi.

Allora la parola magica, i francesismi, i latinismi, i termini scientifici e aulici pronunciati male e inseriti in giudizi che vanno più a detrimento del processato che non a suo favore, le definizioni non convenzionali, insomma una lingua che fa saltare i nessi logici e pragmatici, non sono certo una stra­tegia difensiva, ma l’unico modo che Moosbrugger ha per affermare se stesso prima della condanna definitiva. Moosbrugger smonta con i suoi in­serti linguistici, già alla stregua dei Verfremdungseffekte brechtiani, il linguaggio tradizionale e ne inventa uno tutto suo basato su relazioni non prestabilite, contro qualsiasi patto o convenzione linguistica, all’insegna di una seman­tica fluida: «la lingua esplode in una costellazione di connessioni (“possibi­lità”?) che tengono solo relativamente conto del “fatto” reale, della realtà statuita e comune. La netta corrispondenza linguistica di significante e si­gnificato, di nome e di referente non riesce più a separarsi da un continuum in cui ogni cosa è interdipendente e non definibile nettamente dall’opera­zione logica»[84]. Per Enrico De Angelis la critica linguistica e la malattia rap­presentano il nucleo fondante di Moosbrugger: «Si ispira a Nietzsche la cri­tica alla struttura del linguaggio, all’esprimersi e pensare con punti e virgola. Finché si pensa e ci si esprime così, troppi pensieri ci resteranno preclusi: “Punto e punto e virgola sono sintomi di regresso – sintomi di stasi”, “Fin­ché si pensa in periodi col punto finale – certe cose non si lasciano dire – al massimo vagamente sentire”. Lo stesso possibile trasparire di una realtà die­tro quella consueta e ripetitiva rischia di diventare esangue se imprigionato nella logica verbale. […] Analogamente Moosbrugger: “La vita si copre di una superficie che s’atteggia a dover essere giusto com’è: ma sotto l’epider­mide le cose spingono e urgono […] e quali rivoluzioni, quali sogni sboc­ciavano da una parola doppia, spenta e raffreddata!” […]»[85].

Le parole magiche, che Musil propone nella novella Grigia (1921)[86] e che ha modo di ascoltare proprio durante il grande conflitto nel suo breve e idilliaco soggiorno a Palù, appartengono allora anch’esse alla semantica della guerra, vissuta certo ancora come illusione.

Con gli Zauberworte Moosbrugger mantiene vivo un collegamento a un mondo naturale, arcaico, mitico, magico, animistico che l’uomo cosiddetto normale o razionale ha perduto[87].

L’interesse di Musil per il pensiero magico è evidente anche grazie ad al­cuni sintetici appunti del Nachlass in cui è chiaro che egli conosceva un arti­colo di Theodor W. Danzel[88] dedicato a questo tema, e pubblicato sulla rivista «Globus»[89], in cui si parla dei primissimi mezzi espressivi degli uomini primi-tivi, magiche rappresentazioni di forme il cui significato è andato perduto e sicuramente diverso da quello che potrebbe avere nel pensiero razionale:

[…] wenn der Primitive den Gegenstand einer Unterhaltung durch eine Frucht oder gar durch ein flüchtig in den Sand gezeichnetes Bild markiert, so entspringt das nicht so sehr dem Bestreben, die Erzäh­lung zu verdeutlichen, wie wir, rational denkend, annehmen möchten, als dem Triebe aller inneren Gefühle, Zustände, Vorstellungen in das konkret Sichtbare umzusetzen, unbewußt zu symbolisieren, “Das Bild ist lediglich eine mehr oder weniger einer bestimmten Absicht ent­sprungene Anwendung, eine Vergegenständlichung.[90]

Nel Lascito leggiamo inoltre: «Auch magisches Denken. Vehikel Gleich­nis»[91]. Dunque il pensiero magico è un veicolo della metafora. E per il re­dentore «Alle grossen und wirklich bewegenden Fragen sind Gleichnisse. […] Es kommt nur auf die Gleichnisse an. Was die Dinge sind, das ist die gewöhnliche Welt der gewöhnlichen Menschen; als was sie erscheinen kön­nen, das ist die Zukunft»[92].

Nietzsche, che ha avuto un influsso fondamentale sul pensiero musi­liano, vede nel linguaggio simbolico una lingua primordiale, non designante, in cui la parola si fa luogo a un apparire: non segno ma cosa stessa. La di­mensione magica, metaforica, del linguaggio permetterebbe così di tornare a una parola autentica, essenziale, ovvero libera da quelle standardizzazioni che l’hanno sepolta in spessi strati di convenzioni e funzioni[93].

Moosbrugger, che è una metafora nelle stesse parole del redentore[94] e ancora fruitore di un linguaggio primitivo, è conformemente al suo nome un uomo – ponte. In ben due fogli del Nachlass tale nome compare nella variante Moosbrucker[95], per poi assestarsi nella forma che ci è nota in cui Brugger indica colui che vive presso i ponti[96]. La metafora “Moosbrugger” per lo spirito saggista è un campo di prova degno di essere preso in consi­derazione perché potrebbe essere in questa fase di gestazione dell’opera quel ponte che apre l’uomo verso una dimensione altra della vita, verso quel mondo primordiale e primitivo che vive in lui come linguaggio e che talvolta si manifesta sotto forma di frammenti nel mondo reale. Potrebbe quindi essere la via da percorrere per salvare il mondo[97] e l’uomo.

Tra sogno, visione e altro stato

                                    We are such stuff
as dreams are made on, and our little life is rounded with a sleep.

Shakespeare, The Tempest (IV, I, 156-158)

Il percorso del redentore ha inizio con un sogno raccapricciante, quello di una fredda sera novembrina in cui due amanti decidono di trascorrere la notte in una altrettanto fredda, spoglia e scura locanda di periferia. L’incon­tro è molto teso: paure, malintesi, malumori, pentimenti, movimenti mec­canici, pesantezza, disperazione, insofferenza, insistenza[98] sono alcune pa­role che danno l’idea di come quel convegno tutto potrebbe essere fuor che amoroso. Eppure come trascinati da un insano desiderio di portare a ter­mine a tutti i costi quell’assurda serata i due rimangono insieme fintanto che lui la solleva

mit der Kraft der Verzweiflung […] und hörte sich fragen: Willst Du Musil? Musil-musil? Oder magst Du lieber Walzel...? (Ein wenig be-kannter Dichter und ein bekannter Literarhistoriker.) Sie hielt das für Fachausdrücke aus einer Herrengesellschaft. Sie wollte sich keine Blösse geben. Sie heimelten sie an. Seine Zungenspitze berührte ihre Lippen. Dieses alte Menschenverständigungsmittel, welche Stirnen immer über solchen Lippen sitzen, war ihr bekannt. Sie machte lang­sam ihre Zunge breit und schob sie vor. Dann zog sie sich rasch zu­rück und lächelte schalkhaft; ihr schalkhaftes Lächeln, wusste er da, war schon berühmt, als sie noch ein Kind war. Und sie sagte aufs ge­ratewohl, vielleicht von irgend einer Klangverknüpfung bestimmt: “… Lieber walzeln. Mein Mann bleibt acht Tage verreist”.[99]

Dopo di che il protagonista le stacca la lingua con un morso netto e riduce la sua voce a un «taumelnden Rumpf eines Lauts»[100].

Abbiamo già detto che il sogno trae origine dalla storia di Moosbrugger. Più avanti nel testo apprendiamo che ha un nesso con questo personaggio, anche se non ben decifrabile[101]. Ma a ben guardare sono presenti sin da subito evidenti analogie: Anders arriva all’estremo atto violento dopo un crescendo di malesseri interiori proprio come Moosbrugger: ha la sensa-zione che lei lo perseguiti, non sopporta che gli stia così attaccata e che non taccia nemmeno per un secondo[102]. La molla violenta scatta poi alla fine con l’incapacità da parte della donna di seguire l’amante in certe sue battute e soprattutto con il suo sorriso malizioso, schalkhaft in tedesco. E in questo schalkhaft è implicita oltre che la malizia anche il senso di un certo motteg­giare. L’insistenza, il continuo parlare, la derisione sono gli stessi identici elementi che portano Moosbrugger all’omicidio.

Attraverso il Nachlass cerchiamo ora di definire meglio il significato di questo sogno: «Es war der Traum eines Logikers. Das fühlt A.[chilles] Ekel vor dem Rationalen, Sehnsucht nach dem Sinnlos-sinnlich-Tatsächli­chen»[103]. Era dunque il sogno di un logico, disgustato dal razionale[104] e ani­mato dalla nostalgia per il concreto senza senso e sensuale.

La lingua della donna viene ad essere un concentrato di ciò che allora Achilles/Anders aveva in disgusto o disprezzava[105]: in questa fase sembra che l’unica arma efficace per mettere a tacere questo mezzo, che fornisce la voce a risate motteggiatrici, a discorsi limitati e con ciò limitanti, sia il morso, l’atto violento estremo. Ma come sappiamo Musil ci invita a leggere tra le righe, a entrare in quella corrente sottomarina che scorre subliminalmente a ogni singola parola scritta.

Allora a ben cercare nel Nachlass scopriamo che quella lingua mozzata rimanda a un’immagine mistica citata nei Grenzerlebnisse in cui leggiamo: «Die Zunge ist abgeschnitten, da sie alsdann nichts zu sagen vermag»[106]. Nell’estasi la lingua è staccata, rimossa dalla sua funzione, perché dire qual­cosa in quello stato di pienezza e di comunione sospeso tra Dio e Anima non avrebbe alcun senso. È interessante notare allora come il sogno abbia inizio, comunque lo si voglia interpretare, con un’immagine mistica vio­lenta, o forse dovremmo dire violentata, senza dubbio capovolta poiché di certo essa non ha niente di contemplativo né tanto meno rimanda a quel lampeggiamento della trascendenza assoluta che brucia ogni capacità espressiva[107]. Ep­pure con questo sogno, che nessun uomo perbene farebbe, ed è il redentore per inciso a farlo[108], inizia un viaggio che dal rovescio della mistica procede fino all’esperienza mistica per eccellenza in Der Mann ohne Eigenschaften, ov­vero quella dell’altro stato, quindi giunge a riequilibrare quell’immagine ca­povolta.

Quel sogno di stanze vuote e fredde, che non sono solo quelle della lo­canda ma metaforicamente anche quelle dell’anima, è l’inizio di un itinerario e non finisce con il primo capitolo, giacché è solo l’inizio di un cammino volto alla conquista di una Weltanschauung[109]. Quest’ultima ha bisogno ov­viamente del vuoto per potersi riempire con esperienze che a dire di Anders lo fanno affacciare sulla vita. Il sogno dunque fa parte di una Anschauung costituentesi, ed è esso stesso visione, prima a occhi chiusi, poi a occhi aperti sulla vita. Il lettore è obbligato a seguire Anders fino alla fine inesorabil­mente, anche se all’inizio è spiazzato da questo terribile incubo. La lettura diventa un percorso e con ciò stesso esperienza condivisa di conoscenza: il lettore è invitato così a entrare in quella maniera altra di vedere, vivere e sentire la vita di cui si fa portavoce Anders, una maniera diversa che è estre­mamente necessaria per liberare, redimere o più ancora semplicemente cu­rare l’uomo nell’immediato da quelle aberrazioni che la Grande Guerra aveva messo davanti agli occhi di tutti. Questo viaggio/sogno è continuato per tutta la vita di Musil e del suo uomo senza qualità e prosegue anche oggi con tutti i nostri intendimenti e fraintendimenti.

Nel Lascito leggiamo ancora che il sogno, descritto in tutti i suoi dettagli, rende l’inizio unheimlich e geheim[110]. Dunque Musil apre la narrazione con una storia raccapricciante per far traballare le nostre certezze o le nostre con­suete categorie di interpretazione del mondo perché far emergere l’unheimlich significa portare alla luce tutto ciò che più ci fa paura, che più ci spaventa, ci disgusta, ci offende. Se heimlich vuol dire inoltre tenuto in casa, nascosto[111], un-heimlich significa che qualcosa di quella casa non è più tale e viene alla luce. Unheimlich indica dunque qualcosa di celato o rimosso[112] che è anche geheim, cioè riservato, latente, strettamente confidenziale, non rivolto ad estranei, e che reca con sé nel suffisso -heim qualcosa di patrio, dunque qual­cosa che è inquietantemente intimo e familiare.

Se il sogno di Anders è descrivibile in questi termini, allora esso riguarda non solo lui ma tutti gli uomini, proprio come Moosbrugger esso è il sogno, o incubo, della collettività[113].

Che dalla visione del mondo del redentore sarebbe sorto un nuovo idea­lismo è ben chiaro nel racconto:

Das Leben ist eine ungewöhnlich lange Straße, welche durch die ei­nander fremdesten Gegenden und Zonen führt. […] Er vermochte es bloß noch nicht treffend auszudrücken, aber er war sicher, daß mit seiner Auffassung ein neuer Idealismus anbrechen müsse, der das zwi­schen falsche Gegensätze eingespannte menschliche Leben grad bie­gen werde.[114]

Questa visione dunque sarebbe stata in grado di guarire tutta un’epoca soffocante: «Es fehlt, wenn man sich umsieht, nicht an Begabungen, es fehlt nicht einmal an Charakteren, es fehlt bloss an irgendetwas, an allem, die Luft, das Blut scheinen sich verändert zu haben, und man ringt mit der Ersti­ckung»[115]. È un’epoca paralizzata, poiché sebbene sia ben chiaro cosa siano stupidità, bruttezza e volgarità, non è dato sapere ancora cosa contrapporre loro:

Der Geist wendet sich schliesslich entsetzt von sich selbst ab, erklärt sich von Zeit zu Zeit für entartet und flüchtet in der Richtung, die der seinen entgegengesetzt ist, zur platten Hochachtung vor der Erde, der Einfachheit, der Wirklichkeit und dem Leben.[116]

Grazie allo sguardo che il giovane redentore getta sulla vita, egli riesce a toccare «die Welt von innen»[117] e a cogliere i segni malati del suo tempo. Grazie alla sua alterità egli è in grado di captare nella disgregazione del mondo il lato potenzialmente costruttivo o ricostruttivo di questo processo, e in fondo questo era ciò che gli intellettuali del 1900 avrebbero voluto ot­tenere con la guerra. Ora però che essa è terminata Musil sa bene che l’unica speranza per rinnovare la vita è necessario entrare nel flusso di questa ener­gia futuribile per poterne essere attivamente partecipe e non lasciarsi di­strarre dalle lusinghe di falsi miti risolutori, come quello bellico:

Die wahre Beschaffenheit der Welt lässt ihre Bildung gar nicht zu und isoliert die Menschen ärger als Drähte voneinander. Die sich immer mehr und durchaus nicht geordnet häufenden Tatsachen, die immer grösser werdende Zahl aus allen Zonen und Zeiten erschlossener Auf­fassungen und Meinungen müssen sich gegenseitig zersetzten, und die Welt ist ganz von selbst in diesem fortschreitenden Prozess der Zer­setzung begriffen. Ist das Verfall? Wenn ein Mensch es erkennt und die Kraft begreift, die darin liegt, sagte sich Anders, ist es die Schwelle einer neuen Zukunft; ich will das zu seinem Bewußtsein erwachte Ge­schöpf dieser Zeit werden![118]

Il lettore compie con Anders, e dunque con il suo autore, un viaggio alla volta della conoscenza di sé e del mondo di cui la parola Schwelle rappresenta simbolicamente il raggiungimento di uno stadio avanzato, già lontano dagli ingannevoli richiami di falsi profeti. Schwelle, che è certo inizio[119] ma anche soglia, rappresenta un varco o una zona di demarcazione tra due realtà: una conosciuta che è alle spalle e una che ci sta di fronte, ancora non ben defi­nita. Essa fa parte dell’iconografia di una visione del mondo ancora immersa nel suo processo costitutivo, giunto tuttavia a un livello più alto, senza dub­bio mistico, confermato da quell’ebbrezza spirituale in cui è immerso il gio­vane redentore. Un geistiger Rausch[120], come leggiamo nel testo tedesco, ap-partenente anch’esso alla semantica della guerra perché in esso risuona quel berauschende Gefühl[121] proprio della mobilitazione bellica, liberato tuttavia or­mai da quel senso di euforia allucinante e alienante già più volte commen­tato[122].

Il lettore è pronto ormai insieme al protagonista a compiere un’altra tappa in questo percorso conoscitivo e a fare un vero e proprio salto di qualità varcando quella soglia che lo aprirà a un’altra dimensione, al ben noto “altro stato”.

L’altro stato

Es gibt einen Zustand des Menschen, welcher dem des Erkennens[,] Rechnens, Zweckens, Schätzens[,] Drückens, Begehrens und der niedrigen Angst als grundverschieden entgegengesetzt ist.[123]

All’inizio della sua esperienza bellica Musil si trova per un breve periodo a Palù, nella valle incantata dei Mòcheni[124]. Qui egli ha modo di entrare in contatto con un ambiente naturale peculiare, mai incontrato prima, che gli permette di maturare il profilo spaziale dell’altro stato. Del resto prima della guerra conosceva solo il mare come spazio naturale che insieme alla mon­tagna è uno dei luoghi dell’altro stato[125]:

I richiami alla natura e all’alta montagna hanno quasi tutti origine dall’esperienza militare e in particolare nel periodo trascorso in alta Valsugana. Mare e montagna verranno a rappresentare nella geografia immaginale dello scrittore i luoghi dell’esperienza dell’Altro Stato.[126]

In questa fase della sua vita lo scrittore condivide ancora con molti altri intellettuali del tempo l’idea secondo la quale la guerra può «innalzare la sfera singola e individuale a un ambito superiore e sovranazionale, […] a un altro mondo utopico»[127]. Essa è ancora sentita come una grande esperienza religiosa che avvicina a Dio[128]. Nella valle sembra nascondersi ammiccante «qualcosa di atteso appassionatamente»[129]. E dalle atmosfere rarefatte dell’alta montagna, tra terra e cielo, ma forse già più cielo che terra, giunge il profumo dell’eternità[130]. «ll rapporto tra guerra e altro stato», osservano Alessandro Fontanari e Massimo Libardi, «nel particolare senso che fa della guerra una delle manifestazioni dell’altro stato, ritorna più volte nel materiale preparatorio dell’Uomo senza qualità […]: “La guerra è la stessa cosa dell’altro stato, ma mischiato (in modo vivo) con il male”»[131]. Per Paul Zöchbauer esso è la possibile via per ristabilire nel mondo quell’ordine spirituale deficitario che aveva fatto esplodere la guerra[132].

Merita perciò soffermarsi sulla mistica descrizione di questa dimen­sione[133], così come emerge in Der Erlöser, attraverso la convivenza dei due fratelli: «Himmel u[nd] Meer flossen in ihnen zusammen. Die Liebe, die Größe floß durch sie[.] Und daneben dieses ungeheuer selige Leben von Lorbeer, Ginster, Bienen …»[134].

Il paesaggio tra cielo e mare si rivela all’anima e quest’ultima lo guarda con i suoi occhi[135] soffermandosi in particolare sui colori: il grigio delle montagne, il verde dell’erba e dell’alloro. Indugiando su questi elementi lo sguardo si fa più penetrante sprofondando «in immer kühlere Tiefen»[136]. Anche i suoni sono importanti in questa esperienza dello spazio: ecco che il ronzio delle api si scioglie in un suono profondo e metallico dal quale scoccano minuscole frecce, non appena gli insetti con una virata sfiorano l’orecchio[137].

Quest’ultima immagine in particolare è una rielaborazione dell’espe­rienza estatica che Musil ha proprio agli inizi della guerra in un villaggio di montagna vicino al lago di Caldonazzo chiamato Tenna. È il ben noto epi­sodio della freccia volante che qui è trasfigurata nel pungiglione delle api:

Das Schrapnellstück oder der Fliegerpfeil auf Tenna: Man hört es schon lange. Ein windhaft pfeifendes oder windhaft rauschendes Ge­räusch. Immer stärker werdend. Die Zeit erscheint einem sehr lange. Plötzlich fuhr es unmittelbar neben mir in die Erde. Als würde das Geräusch verschluckt. Von einer Luftwelle nichts erinnerlich. Von plötzlich anschwellender Nähe nichts erinnerlich. Muß aber so gewe­sen sein, denn instinktiv riß ich meinen Oberleib zur Seite und machte bei feststehenden Füßen eine ziemlich tiefe Verbeugung. Dabei von Erschrecken keine Spur, auch nicht von dem rein nervösen wie Herz­klopfen, das sonst bei plötzlichem Schock auch ohne Angst eintritt. – Nachher sehr angenehmes Gefühl. Befriedigung, es erlebt zu haben. Beinahe Stolz; aufgenommen in eine Gemeinschaft, Taufe. –[138]

La freccia bellica in quanto pungiglione perde nel racconto ogni riferi­mento all’umano, cioè non è una costruzione umana, ma torna a uno stato di natura, è un elemento naturale autentico[139] che introduce, come nell’espe­rienza biografica, all’altra dimensione. In Ein Soldat erzählt tutta l’attenzione è posta sul suono che induce all’estasi: «Es war ein hoher, dünner, singender einfacher Laut, wie wenn der Rand eines Glases zum Tönen gebracht wird. Aber es war etwas Unwirkliches an ihm, […] so ist es, wenn Gott etwas verkünden will»[140].

Non solo la vista, ma anche l’udito si affina nella percezione del paesag­gio. E l’accresciuta sensibilità uditiva rientra nella sfera dell’esperienza bel­lica, del resto la guerra di trincea fa sì che le «sensazioni acustiche pre-valg[a]no su quelle visive. “Si impara molto presto a stare in ascolto come animali nel bosco”: il pericolo invisibile è qualcosa “che canta e passa oltre” […], oppure è simile a uno sciame d’api o a stridio di uccelli»[141].

Con uno sguardo e un udito così sensibili si è in grado di descrivere e con ciò definire ulteriormente questo paesaggio sovrastato dal cielo stellato e dalle montagne: «Heroisch, ungeheuer die kantig glatt gestrichenen, steil abbrechenden, hintereinander wie die Wellen herkommenden Linien der Berge»[142].

Soffermiamoci sull’aggettivo eroiche usato per descrivere lo spazio e cer­chiamo di capire in che senso è tale:

Heroisch? Oder ist es etwas, das man gehaßt hat, weil es heroisch sein sollte? Unzähligemale gemalt und gestochen, diese griechische Land­schaft, römische Landschaft, nazarenische, klassizistische, diese – tu­gendhafte, professorale, idealistische Landschaft, kahl wie – die dürf­tig möblierten Zimmer eines Vorstadtgasthofes? […] Nein. Die weni­gen Dinge, denen hier der Raum gehörte, respektierten einander, sie hielten voneinander Distanz und überfüllten nicht die Natur mit Ein­drücken wie in Deutschland. Es war – wie nur ganz hoch im Gebirge, wo das Irdische immer weniger wird – wohl wahrhaftig eine heroische Landschaft.[143]

Dunque lo spazio bellico nell’esperienza di Palù non è solo combatti­mento, retrovia, battesimo di fuoco ma anche spazio eroico. E con questa riflessione inizia a chiudersi il cerchio della narrazione e il percorso che ab­biamo fatto insieme ad Anders: dallo spazio miseramente spoglio del Vor­stadtgasthof iniziale, dunque vuoto nel senso più disperato del termine in cui come in una cassa di risonanza riecheggia la risata maliziosa e canzonatrice dell’amante di turno[144], approdiamo a questa realtà nuova che non ha niente delle rigide stratificazioni e classificazioni delle epoche passate che vorreb­bero odiosamente definire l’eroico con l’aggettivo greco, classico, nazareno etc. L’eroico, sembra suggerire Musil, non è declinabile: è semplicemente, naturalmente, primordialmente e con ciò autenticamente eroico.

Solo ora, giunti quasi alla fine di questo itinerario conoscitivo, capiamo che era necessario muoversi dalla periferia, dallo spazio disperatamente va-cuo della locanda del sogno, per giungere a uno stato di pienezza e di bea-titudine in cui tutto è partecipante[145]. I confini stessi sembrano annullarsi nelle linee ondulate delle montagne, ed è proprio questo movimento ad onda che rende possibile l’incontro tra il cielo e la terra[146].

Nel percorso del redentore era necessario far esperienza della forza di­struttiva della guerra per trovare una soluzione alternativa di rinnovamento del mondo, era dunque necessario partire dalla periferia vuota e violenta per raggiungere il centro del cuore[147], passando per gli stridenti contrasti del femminicida Moosbrugger che è uomo – bestia ma anche magico uomo – ponte e riflesso di Anders, per il confronto con la generazione dei padri[148] e infine per le affinità spirituali con la sorella grazie alla quale il protagonista riesce a entrare finalmente in un’altra dimensione.

In questa fase di gestazione del romanzo la relazione tra i due è tuttavia ancora troppo fisica perché incestuosa e ovviamente ciò appesantisce il so­gno di salvezza che potrebbe aprire la via verso un mondo nuovo. Manca ancora quella leggerezza propria dello stato in cui ora sono entrati i due fratelli, quella leggerezza in cui non esistono più né il Bene né il Male e che rende possibile l’amore al di là dei lacci terreni dell’appagamento che è sem­pre delusione poiché in quanto tale gli viene a mancare il desiderio[149].

Solo una volta raggiunto questo stato dello spirito si è degni di redenzi­one: «Wenn es für dich weder Gut noch Böse geben wird, dann erst wirst du lieben, und du wirst endlich würdig sein der Erlösung»[150].

Bibliografia

Letteratura primaria

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Letteratura secondaria

Claudio Magris, Il mito absburgico: umanità e stile del mondo austroungarico nella letteratura austriaca moderna, Torino, Einaudi 1963.

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Fabrizio Cambi, Wir mussten den Krieg verlieren, um die Nation zu gewinnen”. Lo scrittore tedesco e la letteratura di guerra, in Kriegsmaler: pittori al fronte nella grande guerra, M. Libardi e F. Orlandi (a cura di), Rovereto, Nicolodi 2004, pp. 41-45.

Massimo Salgaro, «L’altro stato» dell’infanzia. William Stern nella ricezione di Robert Mu­sil, in «Intersezioni», Bologna, Il Mulino (2008), 2, pp. 259-72.

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Sitografia

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Heinz D. Pohl, Familiennamen slowenischer Herkunft in Kärnten (mit Ausblicken auf die Familiennamen Kärntens und Österreichs im Allgemeinen), in: http://members.chello.at/heinz.pohl/FS_Udolph.pdf.



* L’articolo trae origine dalla relazione tenuta nell’ambito del seminario di studi orga­nizzato da Massimo Libardi e Fernando Orlandi su Robert Musil direttore della «Soldaten-Zei­tung» (13-14 dicembre 2016, Biblioteca del CSSEO, Levico Terme).

[1] Oskar Maurus Fontana, Was arbeiten Sie? Gespräch mit Robert Musil, in Robert Musil, Gesammelte Werke, hrsg. von Adolf Frisé, Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt 1978, vol. VIII, p. 939 (da qui in avanti GW seguito dal numero del volume di riferimento).

[2] Micaela Latini, «Il ricordo è un dispositivo scadente». Robert Musil e la scrittura della guerra, in «Cultura tedesca», Acireale – Roma, Bonanno, (2015), 2, pp. 35-49, qui p. 44.

[3] Robert Musil, Nachlassblatt VII/11/18:4-10 (Klagenfurter Ausgabe. Kommentierte Edition sämtlicher Werke, Briefe und nachgelassener Schriften. Mit Transkriptionen und Faksimiles aller Hand­schriften, hrsg. von Walter Fanta, Klaus Amann und Karl Corino, Klagenfurt, Robert Musil-Institut der Universität Klagenfurt, Update Juli 2015 [da qui in avanti citata come KA]; cfr. Robert Musil, L’uomo tedesco come sintomo, tr. it. di F. Valagussa, Bologna, Pendragon 2014, p. 33).

[4] Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt 1997, vol. I, p. 518 (da qui in avanti MoE I e II; cfr. Robert Musil, L’uomo senza qualità, tr. it. di A. Rho, Torino, Einaudi 1972, vol. I, pp. 504-5 [da qui in avanti Usq I o II]).

[5] Karl Corino, Musil. Leben und Werk in Bildern und Texten, Reinbeck bei Hamburg, Ro­wohlt 1988, p. 321.

[6] Cfr. Robert Musil, Die Nation als Ideal und Wirklichkeit, Der deutsche Mensch als Symptom e Der singende Tod, Nachlassblätter VII/7/182-185; VII/11/40-69; IV/2/195-6 (KA); cfr. Robert Musil, Europäertum, Krieg, Deutschtum e Das Hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten ins Tausendste, GW VIII, pp. 1020-22; 1075-94.

[7] Ibidem, p. 1088; cfr. Robert Musil, L’Europa abbandonata a se stessa ovvero Viaggio di palo in frasca, in Sulla stupidità ed altri scritti, Milano, Mondadori 1986, p. 121.

[8] In Musil en Bernstol. La grande esperienza della guerra in Valle dei Mòcheni leggiamo: «Nell’agosto del 1914 lo scrittore registra nei Diari, con stile asciutto e distaccato, lo scate­namento dell’entusiasmo collettivo; osserva come si manifesta lo spirito della mobilitazione che ha per teatro le strade, i luoghi pubblici e per soggetto la folla o l’individuo all’interno della folla […], l’eccitazione generale è rispecchiata e moltiplicata dai giornali che lanciano appelli, si arriva al delirio […]; l’individuo sembra trasformato e proiettato in una nuova dimensione e «tutto il resto non esiste più» […]. In un articolo scritto per la Neue Rundschau nel settembre 1914, intitolato Europäertum, Krieg, Deutschtum, aderisce allo slancio entusiastico della comunità nuovamente unita, un sentimento dimenticato e ridestato dalla guerra: «noi sentiamo di venir serrati e fusi da un’indicibile umiltà, in cui il singolo è ridivenuto un nulla al di là del proprio compito di proteggere la stirpe» […]. Lo scoppio della guerra rappresenta dunque un vero punto di svolta […]: assistendo e partecipando all’entusiasmo della mobilitazione egli prova per la prima volta l’esperienza della comunità fraterna, quasi religiosa, dell’unità di pensiero e di sentimento con gli altri. Come per altri scrittori (Rainer Maria Rilke […]) dall’entusia­smo della mobilitazione nasce la speranza di una trasformazione radicale dell’uomo e della società. La guerra appare sia un grande evento epocale, sia un mezzo eccezionale per spez­zare forme di vita e ideologie irrigidite: la guerra rimette in questione l’intera esistenza in­dividuale e collettiva dell’uomo» (Alessandro Fontanari – Massimo Libardi (a cura di), Musil en Bernstol. La grande esperienza della guerra in Valle dei Mòcheni, Palù del Fersina, Ist. Cult. Mòcheno 2012, pp. 18-9).

[9] Molti intellettuali videro nella guerra la possibilità di superare un isolamento sociale. Ed è certo che lo scoppio della guerra fu seguito da una vera e propria mobilitazione poe­tica: furono stampati moltissimi testi letterari e poetici, nel primo anno 450 antologie di liriche di guerra, nell’intero periodo postbellico più di tre milioni di poesie (Massimo Li­bardi – Fernando Orlandi», Qualcosa di immane», in Kriegsmaler: pittori al fronte nella Grande Guerra, M. Libardi e F. Orlandi (a cura di), Rovereto, Nicolodi 2004, p. 16).

[10] Fabrizio Cambi, Wir mussten den Krieg verlieren, um die Nation zu gewinnen». Lo scrittore tedesco e la letteratura di guerra, in Kriegsmaler: pittori al fronte nella grande guerra, cit., p. 42.

[11] Cfr. ibidem.

[12] Massimo Libardi – Francesco Orlandi, «Qualcosa di immane», in Kriegsmaler: pittori al fronte nella grande guerra, cit., p. 16.

[13] Paul Zöchbauer, Der Krieg in den Essays und Tagebüchern Robert Musils, Stuttgart, H-D. Heinz 1996, p. 40.

[14] Bianca Cetti Marinoni, La guerra di Musil, in «Cultura tedesca», Roma, Donzelli (1995), 3, pp. 35-46, qui p. 38.

[15] Robert Musil, Der deutsche Mensch als Symptom, Nachlassblatt VII/11/50:6-7 (KA; cfr. Robert Musil, L’uomo tedesco come sintomo, cit., p. 8).

[16] Robert Musil, La guerra parallela, tr. it. di C. Groff, Scurelle, Silvy 2011, p. 190.

[17] Robert Musil, La Germania in Europa, tr. it. di M. T. Mandalari, in M. Schettini (a cura di), La letteratura della Grande Guerra, Firenze, Sansoni 1968, p. 152.

[18] Robert Musil, Nachlassblatt VII/11/25:33-34 (KA; cfr. Robert Musil, L’uomo tedesco come sintomo, cit., p. 46).

[19] Giovane tormentato che scrive a Goethe due lettere angosciate in stile wertheriano. Lo scrittore gli fa visita durante il suo breve viaggio nello Harz (2 dicembre 1777) e gli dà buoni consigli senza rivelare la propria identità (cfr. Robert Musil, L’Europa abbandonata a se stessa, cit., nota n. 13, pp. 271-2).

[20] Robert Musil, Das hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten ins Tausendste, GW VIII, p. 1094; cfr. Robert Musil, L’Europa abbandonata a se stessa, cit., p. 129 e nota n. 13, p. 271.

[21] Robert Musil, Das hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten ins Tausendste, cit., p. 1094; cfr. Robert Musil, L’Europa abbandonata a se stessa, cit., pp. 129-30.

[22] Robert Musil, Heft 8/4:4 (KA).

[23] Robert Musil, Nachlassblatt II/5/245:19-20 (KA).

[24] Robert Musil, Heft 36/0a (KA).

[25] Robert Musil, Il redentore, Marsilio, Venezia 2013, p. 250; da qui in avanti IR.

[26] Colpisce sicuramente quanto Karl Corino si sia avvicinato allo spirito di questo passo musiliano. A proposito dei Naturmenschen osserva: «Allenthalben regten sich um die Jahr­hundertwende Reformbewegungen. In der Schweiz z.B. siedelten sich am und um den Monte Verità Anarchisten, Theosophen und Vertreter des dritten Weges zwischen Kapi­talismus und Kommunismus an, Lebensreformer, die eine «individualistiche vegetabilische Cooperative gründeten», eine Sonnen-Kuranstalt, ein Sanatorium. […] Aber nicht minder “erlöserisch” ging es oft in Berlin zu. Man konnte da um 1907 «Naturmenschen» durch die Straßen pilgern sehen mit langem Haar und Bart, mit wallenden Gewändern, barfuß in Sandalen. Oder man konnte den «Apostel Krebs» erleben, der mit einem Gefolge von zwanzig bis dreißig Menschen durch die Lande zog und die Menschheit anscheinend von Kausalität und Logik befreien wollte. […] Stellvertretend für viele andere Fleischverächter predigte ein Gustav Schlickeysen, der Vegetarismus sei «die Erlösung», sei «das Heil», er sei «das erfüllte Jenseits, der verhießene Messias, die Befriedigung aller Wünsche und die Befreiung von allen Übeln». Mit nicht geringerer Leidenschaft warben andere für Absti­nenz, Zahlenmystik, Astrologie, Antisemitismus, Joga, Wünschelrutengängerei, Atlantissu­che, Esperanto, Sexualreform, Rhythmische Gymanstik, Übermenschenkult, Gesundbe­ten, Weltfriedensbewegung, Brechung der Zinsknechtschaft, Theosophie, Bibelforschung oder Okkultismus. Gemeinsam war vielen dieser neuen Heiligen die Herkunft aus der Bohème oder aus dem Proletariat, war sie «deutlich von der gebildeten und esoterischen Welt eines Walther Rathenau oder Hermann Keyserling» schied – deshalb nannte man letztere «Propheten im Gehrock» oder «Christusse im Zylinderhut». Kein Zweifel, in Figu­ren wie Rathenau/Arnheim oder Hans Sepp wollte Musil falsche Propheten porträieren, solche eine Seelenkultes oder des «Symbols», des Antisemitismus – aber mit seinen Helden Anders ging er das Risiko ein, einen Erlöser im Wortsinne zu gestalten. Dies in einer Zeit, da ein leibhaftiger «Messias von der Lobau» durch Österreich geisterte, Arbeitslose um sich sammelte und schließlich eine Auswanderung nach Abessinien plante. Aparterweise hatte es weder bei den «Vereinigungen» noch bei den «Schwärmern» an Elogen gefehlt, die Musil selbst messianische Qualitäten zubilligten» (Karl Corino, Robert Musil. Eine Biographie, Ro­wohlt, Reinbeck bei Hamburg 2003, p. 829).

[27] Robert Musil, MoE I, p. 519; cfr. Robert Musil, Usq I, pp. 504-5.

[28] Robert Musil, Nachlassblatt VII/8/27:49-50 (KA).

[29] Robert Musil, Heft 26/8: 2 (KA).

[30] Robert Musil, Nachlassblatt II/1/3:5-7 (KA).

[31] Robert Musil, Nachlassblatt II/1/229:78 (KA).

[32] Robert Musil, Nachlassblatt VII/10/63: 2-4 (KA).

[33] Osserva proprio questo Musil: «Hat eine Niederlage erlitten, aber ist durchaus nicht niedergeschlagen» (Robert Musil, Nachlassblatt VII/10/63: 5-6 [KA]).

[34] In Morgengefühl riecheggia infine la nietzschiana Morgenröthe che come osserva Mittner è «rinascita […] aurorale dei sensi: «vedere con occhi nuovi» è la sola felicità che ci sia concessa» (Ladislao Mittner, Storia della letteratura tedesca, Torino, Einaudi 1971, vol. III*, tomo secondo, p. 826).

[35] Cfr. Robert Musil, IR, p. 89.

[36] Robert Musil, Nachlassblatt VII/10/94:22-23 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 121).

[37] Robert Musil, Nachlassblatt II/1/3: 3-4 (KA).

[38] Robert Musil, Nachlassblatt I/1/10:2-3 (KA).

[39] Die Welt.

[40] Robert Musil, Nachlassblatt II/4/26: 41-53 (KA).

[41] Nome usato tra il 1919 e il 1921 (cfr. la voce Ulrich nella sezione Nachlass-Apparate della Klagenfurter Ausgabe dedicata alle Figuren).

[42] «Achilles hat schon als junger Mensch das Vertrauen in sich, der Erlöser zu sein. Das ist der Einsatz seines Lebens, die Wurzel seiner Moral, das am Ende vielleicht verlorene Spiel» (Robert Musil, Nachlassblatt VII/8/6:32-34 [KA]).

[43] Cfr. Robert Musil, Nachlassblatt II/4/26:24 (KA).

[44] Robert Musil, Nachlassblatt II/4/26:25-34 (KA).

[45] «Sie [die Welt] könnte anders sein, sie war schon anders. Ihre Bruchstücke lassen sich anders deuten» (Robert Musil, Nachlassblatt II/4/43:33-43 [KA]).

[46] Robert Musil, Nachlassblatt VII/11/43:5-8 (KA; cfr. Robert Musil, L’uomo tedesco come sintomo, cit., p. 63).

[47] Dalla «Illustrierte Kronenzeitung» del 21 ottobre 1911.

[48] Robert Musil, Nachlassblatt VII/3/257:9-13 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 158).

[49] I curatori della Klagenfurter Ausgabe ricostruiscono il Lesetext di Der Erlöser sulla base di alcuni frammenti tratti dagli Hefte 36 e 22, qui riproposti (Robert Musil, Heft 36/8:5; Heft 22/35:6-10, 16-17; Heft 22/37:1; 6-11 [KA]; cfr. Robert Musil, IR, pp. 51-2).

[50] Robert Musil, Heft 36/12:21-4 (KA); cfr. Robert Musil, IR, p. 52.

[51] Cfr. Karl Corino, Robert Musil. Eine Biographie, cit., pp. 882-91.

[52] R. Musil, Heft 26:25 (KA); cfr. Robert Musil, Diari 1899-1941, tr. it. di Enrico De Angelis, Torino, Einaudi 1980, voll. I/II, p. 987 (da qui in avanti Diari I o II).

[53] Robert Musil, Heft 19/21:13-4,36-9 (KA); cfr. Robert Musil, Diari II, cit., pp. 802-3.

[54] Robert Musil, La guerra parallela, cit., p. 205.

[55] Robert Musil, Nachlassblatt VII/11/43:8-10 (KA; cfr. Robert Musil, L’uomo tedesco come sintomo, cit., p. 63).

[56] Cfr. Robert Musil, IR, p. 54.

[57] Robert Musil, Heft 36/2:33 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 47).

[58] Robert Musil, Nachlassblatt VII/6/125:9-10 (KA; cfr. Robert Musil, IR, pp. 183-4).

[59] Si pensi anche al momento in cui Agathe vorrebbe convincere il fratello di desistere dall’idea di salvarlo: questi non demorde e dice chiaramente: «Jetzt wollen wir den Wolf befrein» (Robert Musil, Nachlassblatt VII/8/30:14).

[60] Cfr. Robert Musil, IR p. 53.

[61] Robert Musil, Heft 36/2:30-1 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 47).

[62] Robert Musil, Heft 36/9:12-3 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 61).

[63] «I-III: Der Titel Erlöser, dann die Schilderung von M.[oosbrugger] weisen auf Erlö­sung durch Güte und Antirationalismus» (Robert Musil, Nachlassblatt VII/8/27:46-7).

[64] R. Musil, Nachlassblatt IV/3/354:9-21 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 55).

[65] «M.[oosbrugger], der für den Essayisten alles mögliche bedeutet, ist in Wirklichkeit einfach gefährlich» (Robert Musil, Nachlassblatt I/1/10:15-17 [KA]).

[66] Cfr. Robert Musil, IR, p. 64.

[67] Ibidem.

[68] Robert Musil, Nachlassblatt VII/15/19:11 (KA).

[69] Cfr. Robert Musil, IR, p. 139.

[70] Robert Musil, Nachlassblatt I/10/10:23-24 (KA).

[71] Oskar Maurus Fontana, Was arbeiten Sie? Gespräch mit Robert Musil, GW VII, p. 940.

[72] Robert Musil, Heft 36/9:26-7 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 61).

[73] Ibidem, p. 47.

[74] Ibidem, p. 127.

[75] Robert Musil, Heft 36/3:23-9 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 48). Anders giunge anche al punto di vedere nei giudici «vor Urzeiten freigesprochenen Moosbruggers» (Robert Mu­sil, Heft 36/12:30-1 [KA]; cfr. Robert Musil, IR, p. 52).

[76] Ibidem, p. 127.

[77] Robert Musil, Nachlassblatt II/4/35:35-41 (KA).

[78] Robert Musil, IR, p. 52.

[79] Robert Musil, Heft 36/12:21-22 (KA). A questo proposito nello Heft 30 Musil cita alcuni passi da Zur Einführung des Narzißmus di Freud (1914) e una di questi riguarda l’amore per gli errori e abitudini linguistiche, messo in stretta relazione con l’Io: «Ich las gerade Freud, «Zur Einführung des Narzißmus», und so fiel mir der Zusammenhang mit den Ich­gefühlen auf. Diese bedingungslose Liebe zu den Sprachfehlern und in weiterem Sinn -gewohnheiten, weist auf den nahen Zusammenhang von Sprache und Ich hin» (Robert Musil, Heft 30/45:8-11 [KA]). Dunque il linguaggio del criminale Moosbrugger è anche il riflesso di un io narcisistico.

[80] Cfr. Robert Musil, Heft 36/28:38 (KA).

[81] Si tratta dei fogli M 23 e M 24 della Mappe siglata con la lettera M, dedicata a Der Erlöser (ibidem).

[82] Robert Musil, MoE I, p. 72; cfr. Robert Musil, Usq I, p. 67.

[83] Robert Musil, MoE I, p. 240; cfr. Robert Musil, Usq I, p. 231.

[84] Carlo Salzani, Crisi e possibilità: Robert Musil e il tramonto dell’Occidente, Bern, Peter Lang 2010, pp. 57-8.

[85] Robert Musil, Parafrasi, Enrico de Angelis (a cura di), Milano, BUR 2013, pp. 24-5.

[86] «Und sie [Grigia] hatte Zauberworte. Die Nos sagte sie etwa, und statt Bein der Schenken. Der Schurz war die Schürze. Tragt viel aus, bewunderte sie, und geliegen han i an bissl ins Bett eini, machte es unter verschlafenen Augen. Als er ihr einmal drohte, nicht mehr zu kommen, lachte sie: «I glock an bei ihm!» und da wusste er nicht, ob er erschrak oder glücklich war, und das musste sie bemerkt haben, denn sie fragte: «Reut’s ihn? Viel reut’s ihn?» Das waren so Worte wie die Muster der Schürzen und Tücher und die farbigen Borten oben am Strumpf, etwas angeglichen der Gegenwart schon durch die Weite der Wanderschaft, aber geheimnisvolle Gäste. Ihr Mund war voll von ihnen, und wenn er ihn küßte, wußte er nie, ob er dieses Weib liebte, oder ob ihm ein Wunder bewiesen werde, und Grigia nur der Teil einer Sendung war, die ihn mit seiner Geliebten in Ewigkeit weiter verknüpfte.» (Robert Musil, Musil en Bernstol. Grigia. Diari e poesie, Palù del Fersina, Ist. Cult. Mòcheno 2012, p. 63).

[87] Vicinissimo al pensiero di Nietzsche: «l’uomo «razionale» per Nietzsche è un essere complicato perché non si avvale della natura, ma poggia le sue costruzioni con la materia dei concetti che lui stesso si fabbrica, cioè non fa come le api che si avvalgono della loro cera per costruire l’alveare» (Alberto Giacomelli, Simbolica per tutti e per nessuno. Linguaggio e figurazione in «Così parlò Zarathustra», in: http://paduaresearch.cab.unipd.it/4562/1/Tesi_ PHD-Giacomelli.pdf).

[88] Filosofo (1818-50).

[89] «Globus Bd 98 (1910): Danzel, Magisches u.[nd] mitteilendes Zeichnen» (Robert Musil, Nachlassblatt VII/11/80:29 [KA]).

[90] Th. W. Danzel, Magisches und mitteilendes Zeichnen, «Globus», 22 Dezember 1910, in: http://digi.evifa.de/viewer/image/DE-11-001832363/376/LOG_0445/.

[91] Robert Musil, Nachlassblatt II/7/67:87 (KA).

[92] Robert Musil, Nachlassblatt VII/8/11:57-66 (KA; cfr. Robert Musil, IR, pp. 126-7).

[93] Cfr. Alberto Giacomelli, Simbolica per tutti e per nessuno. Linguaggio e figurazione in «Così parlò Zarathustra», in: http://paduaresearch.cab.unipd.it/4562/1/Tesi_PHD-Giacomelli. pdf. Sul linguaggio dei primitivi assimilabile a quello dei bambini cfr. anche Massimo Sal­garo, «L’altro stato» dell’infanzia William Stern nella ricezione di Robert Musil, in «Intersezioni», Bologna, Il Mulino (2008), 2, pp. 259-72, qui p. 266.

[94] «Moosbrugger ist ein Gleichnis. Später Agathe» (Robert Musil, Nachlassblatt VII/8/ 176:16 [KA]).

[95] Robert Musil, Nachlassblatt VII/7/29-30:25 (KA).

[96] Cfr. Heinz D. Pohl, Familiennamen slowenischer Herkunft in Kärnten (mit Ausblicken auf die Familiennamen Kärntens und Österreichs im Allgemeinen), in: http://members.chello.at/heinz.pohl/FS_Udolph.pdf.

[97] «Deshalb sind alle Versuche, sie durch ein Zurückgreifen auf frühere Bindungen (re­gressiv) zu sanieren, wider den Sinn und die Kraft der Entwicklung» (Robert Musil, Nach­lassblatt II/4/26:9-11 [KA]).

[98] Robert Musil, IR, pp. 39-42.

[99] Robert Musil, Nachlassblatt IV/2/510:25-38 (KA; cfr. Robert Musil, IR, pp. 42-3).

[100] Robert Musil, Nachlassblatt IV/2/511:4 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 43).

[101] Ibidem, p. 55.

[102] Ibidem, p. 42.

[103] Robert Musil, Heft 22/1-2:20-1 (KA).

[104] Moosbrugger rappresenta come abbiamo visto l’irrazionale, al di là della normalità.

[105] Con la parola Ekel entriamo ancora una volta nel campo semantico bellico giustifi­cato da un appunto risalente al 1918-19: «Friedenspsychose: – Wenn man das Anfangsge­fühl als eine Psychose erklärt, dann wäre zu bedenken: Der lange Krieg hat eklige Erfah­rungen gezeitigt. Den Kriegswucher, die rohe Unausgeglichenheit der Lasten, die Kriegsphraseologie. Man hat sich nie vorher so gut kennen gelernt wie im Krieg und ist bis zum bittren Ekel enttäuscht. Aus dieser Enttäuschung am nächsten Nachbarn flüchtet sich das Gefühl irrsinnigerweise zum Gedanken (Robert Musil, Nachlassblatt IV/3/492: 25-32 [KA])».

[106] Cfr. Robert Musil, Nachlassblatt II/1/3:8-9 (KA).

[107] Cfr. Martin Buber, Confessioni Estatiche, C. Romani (a cura di), Milano, Adelphi 1987, p. 253.

[108] Cfr. Robert Musil, IR, p. 43.

[109] Claudio Magris scrive: «Il romanzo ideologico o sociologico, il racconto che non è più tale ma solo pretesto allo svolgimento d’una problematica intellettuale, al dispiega­mento d’una concezione del mondo, si sostituiva a quello d’ambiente e a quello psicolo­gico» (Claudio Magris, Il mito absburgico: umanità e stile del mondo austroungarico nella letteratura austriaca moderna, Torino, Einaudi 1963, p. 300).

[110] «(Vorstadtgasthof) Sage dann: Genau so, mit allen Einzelheiten hat es Ach.[illes] geträumt. (Er weiß damals schon von Moosbr.) Gibt irgendwie einen unheimlichen, gehei­men Anfang, man weiß noch nicht, wie das mit der Erzählung kommuniziert» (Robert Musil, Heft 8/135:6-10 [KA]).

[111] Cfr. https://it.wikipedia.org/wiki/Il_perturbante.

[112] Per S. Freud il perturbante è quella sorta di spaventoso che risale a quanto ci è noto da lungo tempo, a ciò che ci è familiare. Per Schelling unheimlich è ciò che potrebbe restare segreto, nascosto e che invece è affiorato.

[113] Cfr. Robert Musil, MoE I, p. 76.

[114] Robert Musil, MoE II, p. 2019; cfr. Robert Musil, IR, pp. 62-3.

[115] Robert Musil, Nachlassblatt VII/6/415: 7-10; cfr. Robert Musil, IR, p. 80.

[116] Robert Musil, Nachlassblatt VII/6/415:20-4 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 80).

[117] Robert Musil, Nachlassblatt VII/10/73:7-8 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 90).

[118] Robert Musil, Nachlassblatt VII/10/74:8-18 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 91).

[119] Così viene tradotta la parola Schwelle (Robert Musil, IR, p. 91).

[120] Robert Musil, Nachlassblatt VII/10/73:9 (KA).

[121] Robert Musil, Die Nation als Ideal und Wirklichkeit, GW VIII, p. 1060.

[122] Nel geistiger Rausch del redentore riecheggia quel berauschendes Gefühl che aveva ac­compagnato Musil alla guerra e nella guerra, almeno all’inizio: «Im «berauschende(n) Ge­fühl» von 1914 findet eine Ich – Auflösung statt, die den Einzelnen in ein «überpersönli­ches Geschehen» einordnet und gerade erfahren werden kann. Der Unterschied zum Auf­satz von 1914 besteht jedoch darin, daß es sich um die Beschreibung eines Erlebnisses handelt, das nun nicht mehr geteilt wird; darauf verweist insbesondere der letzte Satz, der den Umstand «späterer Besinnung» betont. Das einstige Gemeinschaftsgefühl ist nach 1918 unerreichbar geworden, wie auch eine Tagebuchnotiz Musils aus der Nachkriegszeit unmißverständlich festhält: «Ich kann nicht Brüder sagen, mir kommt statt dessen immer Schieber über die Lippen»» (P. Zöchbauer, Der Krieg in den Essays und Tagebüchern Robert Musils, cit., p. 50).

[123] Robert Musil, Der deutsche Mensch als Symptom, Nachlassblatt VII/11/61:10-3 (KA; cfr. Robert Musil, L’uomo tedesco come sintomo, cit., p. 100).

[124] Fine maggio – agosto 1915.

[125] Cfr. Alessandro Fontanari – Massimo Libardi (a cura di), Musil en Bernstol, cit., pp. 45-6.

[126] Ibidem, p. 46.

[127] Micaela Latini, «Il ricordo è un dispositivo scadente». Robert Musil e la scrittura della guerra, cit., p. 38.

[128] Cfr. Robert Musil, Diari I, cit., p. 517. Da Die Nation als Ideal und Wirklichkeit: «Dieser individualistische Separationsgeist übersieht aber noch eines: jenes bekannte Sommerer­lebnis im Jahre 1914, den sogenannten Aufschwung zur großen Zeit, und ich meine das durchaus nicht nur ironisch. Im Gegenteil, was man anfangs stammelte und später zur Phrase entarten ließ, daß der Krieg ein seltsames, dem religiösen verwandtes Erlebnis ge­wesen sei, kennzeichnet unzweifelhaft eine Tatsache; Entartung beweist nichts gegen den ursprünglichen Charakter. Es ist zu einer Phrase gemacht worden, in der üblichen Weise eben dadurch, daß man es ein religiöses Erlebnis nannte und ihm damit eine archaistische Maske gab, statt zu fragen, was da eigentlich an einen doch längst entschlafenen Vorstel­lungs- und Gefühlsbereich so heftig seltsam poche: dennoch läßt sich nicht leugnen, daß die Menschheit zu jener Zeit (und natürlich alle Völker in der gleichen Weise) von etwas Irrationalem, Unvernünftigem, aber Ungeheurem berührt worden ist, das fremd, nicht von der gewohnten Erde, war und deshalb, noch bevor die eigentlichen Kriegsenttäuschungen kamen, einfach weil es sich bei seiner atmosphärisch unbestimmten Natur nicht fassen und halten ließ, schon als eine Halluzination oder ein Gespenst erklärt wurde» (Robert Musil, Die Nation als Ideal und Wirklichkeit, GW VIII, p. 1060).

[129] Alessandro Fontanari – Massimo Libardi (a cura di), Musil en Bernstol, cit., p. 47.

[130] «Man wußte nicht mehr: war Kampf oder herrschte schon Ewigkeit» (Robert Musil, Die Maus, GW VII, p. 489).

[131] Cfr. Robert Musil, La guerra parallela, cit., p. 222.

[132] «Der Versuch einer solchen Ordnung, deren Schaffung nötig sei, muß nach Musils Auffassung allerdings einen Zustand der Liebe und Güte berücksichtigen, der im Leben eines jeden Menschen den Gegensatz zu seinem gewöhnlichen Agieren in einer Welt von Ich-Sucht und Gewalt geprägten Welt bildet. Musil nennt ihn den «anderen Zustand»» (Paul Zöchbauer, Der Krieg in den Essays und Tagebüchern Robert Musils, cit., p. 65).

[133] Cfr. Robert Musil, IR, pp. 187-8.

[134] Robert Musil, Heft 21/67:30-3 (KA; Robert Musil, IR, p. 187).

[135] Da Grenzerlebnisse: «Da wurden die Augen der Seele aufgetan» (Robert Musil, Nach­lassblatt II/1/1:46 [KA]).

[136] Robert Musil, Nachlassblatt VII/8/169:8 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 188).

[137] Ibidem.

[138] Robert Musil, Heft I/23-24 (KA; cfr. Robert Musil, Diari I, cit., p. 478).

[139] Vedi nota n. 94.

[140] Robert Musil, Nachlassblatt IV/2/346:10-8 (KA; cfr. Robert Musil, Narra un soldato e altre prose, tr. it. di C. Ciardi e E. Krammer, Pistoia, Via del Vento 2012, p. 12).

[141] Robert Musil, La guerra parallela, cit., p. 208.

[142] Robert Musil, Nachlassblatt VII/8/169:11-13 (KA; cfr. Robert Musil, IR, p. 188).

[143] Robert Musil, Nachlassblätter VII/8/169:14-19; VII/8/170:2-6 (KA; cfr. Robert Mu­sil, IR, p. 188).

[144] Con questa risata cerca forse lei stessa di riempire il vuoto che è in lei, incapace com’è di seguire Anders nei suoi ragionamenti, ma non fa altro che amplificarlo.

[145] Massimo Salgaro scrive: «L’altro stato è tout court caratterizzato da una partecipazione totale dell’individuo – vale a dire sia razionale che emotiva – e da uno stato di fusione con il suo ambiente (cfr. Massimo Salgaro, «L’altro stato» dell’infanzia William Stern nella ricezione di Robert Musil, cit., p. 260).

[146] Nell’onda è implicito anche il riferimento allo spazio del mare. Nel Nachlass Musil usa per due volte la parola Wellenberg, in una di queste due citazioni essa è cancellata, ma è interessante notare che è inserita in una pagina in cui l’autore parla di due modi di vivere la realtà: uno di questi è la partecipazione mistica (cfr. Robert Musil, Nachlassblatt V/6/17 (KA).

[147] Cfr. Robert Musil, Nachlassblatt II/1/1 (KA).

[148] Ma anche per la storia sadomasochistica delle due amanti, per la crisi creativa di Clarisse e Walther che è anche procreativa e per l’inconcludente e opportunistico cerchio dell’Azione Patriottica, nuclei narrativi che qui non abbiamo trattato.

[149] Da Das Hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten Ins Tausendste: «Sie ist eine Zeit der Erfüllung, und Erfüllungen sind immer Enttäuschungen; es fehlt ihr an Sehnsucht, an et­was, das sie noch nicht kann, während es ihr am Herz nagt» (Robert Musil, Das Hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten Ins Tausendste, GW VIII, p. 1088; cfr. Robert Musil, L’Eu­ropa abbandonata a se stessa, cit., p. 122).

[150] Robert Musil, Nachlassblatt I/1/3:75-7 (KA).

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Studia austriaca

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