Elisa Garrett

(Bayreuth)

Kognitive Poetik und räumliche Ordnung
Wahrnehmungsprozesse in Ilse Aichingers «Das Plakat»

[Cognitive Poetics as spatial concepts
Perception processes in Ilse Aichinger’s «Das Plakat»
]

abstract. The study of literature should not be based only on a one-sided analysis of the text, it should also take account of the perspective of the reader. Considering the connection between literature and recipient, there are structures that influence cognitive perception during reading. Thus the spatial order of the story, dedicated to cognitive poetics, is very important. The  article focuses on the literary mechanisms of spatial perception and spatial concepts in narration, especially in the early work of the Austrian poet and novelist Ilse Aichinger.

Literatur ist zunächst ein geschriebener Text, der sich beim Lesen entfaltet. Daher sollte die Literaturforschung stets die Analyse der Textebene vornehmen, doch auch die Perspektive des Lesers berücksichtigen[1]. Beachtet man den mutuellen Zusammenhang zwischen literarischem Werk und Rezipient, lassen sich neuartige Strukturen erkennen: Strukturen, die die kognitive Wahrnehmung lenken und das Lesen somit beeinflussen. Von besonderem Interesse ist die entstehende Raumvorstellung, der sich die Kognitive Poetik im Speziellen widmet[2]. Neben der textuellen Gestalt kommen zusätzlich äußere Faktoren hinzu, wie beispielsweise der Entstehungszeitraum des Werks sowie kulturelle Bezugsrahmen generell[3]. Kontext dient hierbei als Faktor, nicht nur das Erzählen selbst, sondern auch das Verständnis und Empfinden des Lesers zu konstruieren. Um die literarischen Mechanismen der räumlichen Wahrnehmung exemplarisch betrachten zu können, wird die frühe Erzählung Das Plakat der österreichischen Schriftstellerin Ilse Aichinger herangezogen[4]. Sie befindet sich im gesammelten Erzählband Der Gefesselte und gehört mit ihrem Entstehungszeitraum um 1953 zur führenden Nachkriegsliteratur. Es ist naheliegend, dass der historische Kontext Einfluss auf die mentale Rezeption und Informationsverarbeitung nimmt. Mit der folgenden Analyse sollen Erzählstrukturen offenbart werden, die relational zum Leserempfinden stehen. Darunter fallen mitunter die werkeigene Raumsemantik sowie die dominierende Erzählperspektive.

In der Kognitiven Poetik werden narratologische Erkenntnisse der Erzähltheorie mit kognitionspsychologischen Ansätzen verknüpft[5]. So lassen sich der Wahrnehmungs- und Erzählprozess direkt miteinander assoziieren. Kognitionslinguist Peter Stockwell unterteilt den erzählten Raum zunächst in die Komponenten “figure” und “ground” – erstere beschreibt das Element, auf dem der Wahrnehmungsfokus liegt, letztere dessen Kulisse[6]. Vorder- und Hintergrund bilden eine Hierarchie. Doch wie lenkt der Text die Aufmerksamkeit auf das zutreffende Element? Psychologisch betrachtet kann der Fokus nicht beiden Komplexen gleichzeitig gelten[7]. Man denke zum Beispiel an optische Täuschungen: Die Aufmerksamkeit ist lediglich auf einen Bereich fixierbar. Das menschliche Gehirn ist also nicht in der Lage, zwei Komponenten wie “figure” und “ground” simultan zu erkennen[8]. Die “figure” markiert die organisierende Einheit von Text und Raum; sie wird daher als «dominant» oder «super-foregroundet» bezeichnet[9]. Hervorheben kann sich ihr Kern über rhetorische Stilmittel, unübliche Titel, innovative Beschreibungen und/oder kreative Metaphern[10]. Sie umfasst statische Elemente und bewegliche Charaktere – denn literarische Figuren bewegen sich ebenso innerhalb einer aktiven Kulisse[11]. Demgemäß basiert der Blickpunkt der Lesers auf einer selektiven Aufmerksamkeitslenkung, die durch zentrale Merkmale wie wechselnde Präpositionen oder andere deiktische Mittel organisiert ist[12]. So entsteht eine Vielzahl an semantisch und sprachlich bestimmten Raum- und Bildvorstellungen. Ziemlich identisch formuliert es die Kognitionspsychologie: Zuerst evoziert die Informationsaufnahme visuelle Bilder im Gehirn; deren Verarbeitung impliziert eine Repräsentation mentaler Ereignisse, die in der Kognitiven Poetik als “mental representations” benannt sind[13]. Beim natürlichen Wahrnehmungsprozess des Sehens werden Lücken und Leerstellen aufgefüllt, um die mentale Repräsentation zu ergänzen – dies trifft besonders auf die mentale Konstruktion räumlicher Anschauung zu[14]. In diesem Punkt wird eine direkte Relation zwischen dem psychologisch-kognitiven Prozess und der kognitiv-poetischen “figure-ground-theory” deutlich. Offensichtlich spielen das strukturelle Konzept und die mentale Konstruktion von Räumen in beiden Bereichen eine prädestinierte Rolle. Insofern sind die Reaktionen des Lesers oder Betrachters reflektorisch bedingt; das Verhältnis psychologischer und kognitiver Faktoren wird durch das Gehirn kontrolliert und ist selbstregulierend[15]. Bei der Wahrnehmung – mithin der Rezeption literarischer Texte – handelt es sich demnach selten um idiosynkratische Muster, sondern eher um mental organisierte Modelle[16]. Die subjektive Verarbeitung der Lektüre basiert auf manifestierten Wahrnehmungsformen- und mustern, die durch konkrete Reize gelenkt werden. In der Literatur ließen sich diese als stimulierende Textimpulse verstehen, die spezifische Reaktionen triggern.

Raumstrukturen in «Das Plakat»

Stimulierende Textimpulse sind in Aichingers Werken häufig zu finden. Besonders ergiebig ist die Analyse der räumlichen Ordnung: Das Plakat öffnet zwei begrenzte räumliche Dimensionen, die einerseits sinnvoll mit der “figure-ground-theory” erklärbar sind und andererseits eine Struktur der Verschachtelung bieten. Zunächst entwirft die Benennung eines einfahrenden «Stadtbahnzugs» das semantische Feld eines Bahnhofs (P, S. 39). Mit dieser Art Topos gehen diverse Ideen einher; mentale Repräsentationen sind durch eigene Erfahrung modifizierbar[17]. Insofern folgt die Raumvorstellung dem kognitionspsychologischen Konzept des “Top-down” – der Mensch entwickelt eigene «Regulierungssysteme», wobei seine Vorstellung aus Erwartungen, Erfahrungen und allgemein bekannten Konzepten und Topoi entspringt[18]. Hierfür werden im Gedächtnis «gespeicherte frühere Erfahrungen zu Schlüssen und Vergleichen» herangezogen, um ein vollständiges Bild zu ergeben[19]. Dementsprechend ist die mentale Repräsentation des Lesers nicht per se subjektiv, sie beruht auf gespeicherten Ideen von Prototypen und Referenzpunkten, die als Grundlage der mentalen Kategorisierung dienen[20].

Der “Bahnhof” generiert allein durch seinen semantischen Gehalt eine universelle Raumvorstellung. Obzwar sich diese different äußern kann, basiert sie auf einem gemeinsamen Grundprinzip. Die mentale Repräsentation resultiert primär aus dem Kontextwissen des Lesers sowie dem semantischen “Framing” der realen Welt[21]. Zum Topos des Bahnhofs gehört zuweilen das typische Beisein von Werbeplakaten in Gleisnähe. Ein solches Plakat trägt im Text eine zentrale Funktion für die räumlichen Ordnung. Als organisierendes Element bleibt es nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern birgt eine eigene Dimension: Das Plakat ist als sekundäre Raumkategorie fassbar und impliziert eine Interferenz zweier Raumperspektiven. Mit Blick auf die Raumsemantik nach Juri Lotman ließen sich die beiden Komplexe als “komplementäre Untermengen” bezeichnen, in die die erzählte Welt teilbar ist[22]. Der fiktive Raum des Plakats wird in die fiktive Realität gebettet; das realistische Areal (Bahnhof) schlägt in eine neue Wirklichkeit (Plakatmotiv) um. In Hinsicht der “figure-ground-theory” ist dieses Phänomen als “perceptual shifting” bezeichnet – es zeigt eine deiktisch bedingte Wahrnehmungsverschiebung[23]. Die Mechanismen der Hinter- und Vordergrundierung verlagern die Fokussierung der Elemente. Daher sind “Figure” und “ground” relativ, sie können sich variabel verschieben. Während das Plakat zuerst zum “background-setting” gehört, etabliert es sich später zum leitenden Motiv der Erzählung[24]. Es verfügt selbst über eine “figure-ground”-Hierarchie, die sich anhand der Abbildung zeigt. Das Plakat wirbt für ein Ferienlager: Im vorderen Bereich das Bild eines Jungen, im Hintergrund ein Seebad. Stockwell führt diese Art Verschachtelung als sogenanntes “cross-space-mapping” auf, es handelt sich um ein «partial mapping of counterparts in two spaces»[25]. Im vorliegenden Beispiel besteht die räumliche Ambivalenz in der fernen Realität des Plakats und der konkreten Wirklichkeit seines Standorts:

Er [Plakatjunge] hätte ihr [Frau im Bahnhof] gerne erklärt, daß es eine Täuschung war, daß er nicht die See vor sich hatte, wie das Plakat glauben machen wollte, sondern ebenso wie sie nur den Staub und die Stille der Station (P, S. 40).

Während im Blickfeld der Bahnhofs-Figuren «sehnsüchtig» der Raum des Plakats liegt, hat die Plakat-Figur selbst nur den Bahnhof vor Augen (P, S. 40). Damit markiert der Text, dass das Plakat keinen dreidimensionalen, sondern einen zweidimensionalen und somit semiotischen Raum darstellt. Es herrscht eine gegenseitige Beobachtungsstruktur. Auffällig ist, dass die Perspektive aus beiden Seiten hervorgeht – also auch auf Ebene des Plakats besteht. Der abgebildete Junge wird anthropomorphisiert und erhebt sich zu einer aktiven Figur. Dieser Prozess impliziert einen Verfremdungseffekt. Devianz zur üblichen Norm lässt die Erwartung des Lesers und die erzählte Welt auseinanderdriften. Die Aufmerksamkeit richtet sich fortan auf das Plakat, denn:

[…] one of the main functions of literature is to defamiliarise the subjectmatter, to estrange the reader from aspects of the world in order to present the world in a creative and newly figured way.[26]

Zuerst wird das Plakat defamiliarisiert, bevor es zum Hauptgegenstand der Erzählung wird. Der Bahnhof verliert seine Funktion als zentraler Schauplatz, bleibt aber weiterhin strukturierendes Element der Erzählung[27]. Die explizite Darstellung des Plakats erzielt trotz der beschriebenen «Täuschung» eine bildhafte Vorstellung beim Betrachter und Leser (P, S. 40). Die visuelle Wahrnehmung beziehungsweise mentale Repräsentation des Raums basiert auf einem konkret beschriebenen Bildelement. Während das mentale Bild des Plakats entsteht, gewinnt der diegetische Raum an Struktur[28]. Der Leser scheint selbst ein Part der Diegese zu werden, indem er zum Betrachter ernannt wird. Zwischen Plakat/Leser und Bahnhof/Junge wird eine Art Dialogstruktur deutlich, die nicht zuletzt auf die allgemeine Funktion von Werbeplakaten rückführbar ist.

Strukturierung durch Textsegmente

Die Aufmerksamkeit ist bereits durch die Positionierung des Titels – Das Plakat – auf den Hauptgegenstand gelenkt. Der definite Artikel “das” trägt dazu bei, das explizite Plakat als vordergrundiertes Element zu begreifen. Mit dem Artikel wird ein konkreter Rahmen erzeugt, der das Plakat von seinen übrigen Werbegenossen abgrenzt. Da der Titel zugleich eine Rahmung der gesamten Erzählung darstellt, ist die Aufmerksamkeit als “textual deixis” fassbar. “Textual deixis” oder “textual shifting” lenkt das geistige Auge durch Textualität und somit der Eigenschaft der Erzählung, ein textuelles Gebilde zu sein[29]. Ferner bestärken innerdiegetische Textelemente den räumlichen Sektor: Das Plakat ist mit dem Werbetext «Jugend» sowie «Komm mit uns!» versehen (P, S. 41). In Betracht der Sprechtakttheorie nach Searle ist diese Äußerung als Direktiv einzuordnen: Der Text erfüllt die Funktion des Appells – und zwar die Ansprache des Betrachters[30]. Da auch der Leser eine solche Position einnimmt, lässt sich die Äußerung als direkte Ansprache an den Leser verstehen. Mit dem Imperativ (als gängige Marketingstrategie) wird der Leser in den diegetischen Raum integriert.

Das Wort «Jugend» birgt eine semantisch-semiotische Komponente, indem es «immer über seinem Kopf [des Jungen] hing wie ein Schwert, das nicht fallen wollte» (P, S. 45). Der Vergleich weckt eine symbolhafte Assoziation von Abhängigkeit und Gewalt. Er wertet das Plakatmotiv emotional auf. Dieses Empfinden ist auf den Leser übertragbar; es lenkt die Aufmerksamkeit durch eine semantisch aufgeladene Geltung. Die Ansprache «Komm» verringert die Distanz zwischen Betrachter und betrachtetem Objekt. Zudem evoziert das wiederholte Auftreten von Textsegmenten eine Verbindung der beiden Raumkategorien: Während der Werbetext das Plakat definiert, repräsentiert ein klassisches Warnschild («Das Betreten der Schienen ist verboten!») den Topos des Bahnhofs (P, S. 40). Der illokutionäre Akt erzeugt weniger Nähe zum Leser, sondern vielmehr Distanz zum Geschehen[31]. Es herrscht ein paradoxer Kontrast zwischen Reiz und Verbot, der sich im Auftakt der Warnung spiegelt. Gleichzeitig funktioniert das Warnschild als Impuls für die mentale Repräsentation der Lokalität. Kognitiv-poetisch betrachtet handelt es sich um eine “narrative representation”, indem die Vorstellung verbal-semantisch diktiert ist[32]. «Das Betreten der Schienen ist verboten!» ist als Zitat der außertextlichen Lebenswelt fassbar. Assoziationen zur eigenen Erfahrung werden begünstigt, wodurch die Visualität mentaler Ereignisse zunimmt[33]. Der innerdiegetische Gebrauch von Zitaten dient in beiden Segmenten als Struktur- und repräsentierendes Element sowie Ansprache und reizender Impuls für den Leser. Generell ist das Plakat sehr detailliert beschrieben, während der umgebende Raum Leerstellen behält. Dies ist mit Stockwell recht einfach erklärbar, denn: «objects (figures) are more attractive than backgrounds»[34]. Objekte sind bereits in ihrer Gestalt dazu prädestiniert, den Status der “figure” einzunehmen und wirken infolge reizvoller als ihr Hintergrund.

Interdependenz von “figure” und “ground”

Neben der Wahrnehmungsrichtung des “Top-down” ist ebenso der konträre Prozess des “Bottom-up” zu verzeichnen. Hierbei lässt sich der Bezug zum narrativen Konzept besonders gut herstellen. Beim “Bottom-up” wird die Wahrnehmung nicht durch externes Kontextwissen gelenkt; sie geht auf stimulierende Reize zurück[35]. Reizende Impulse sind an kognitiv-deiktische Mittel gebunden, insofern ist die “spatial deixis” für die mentale Raumkonstruktion im Text von zentraler Bedeutung. Sie konkretisiert die Vorstellung durch lokale Adverbien, Lokative, Demonstrativpronomen oder Verben, die einen Ortswechsel markieren[36]. Im vorliegenden Beispiel wird die Raumkonzeption aus verschiedenen Perspektiven sichtbar und liefert dem Leser einen Rundumblick. Der Leser wird abwechselnd in die Position der Figuren versetzt und bekommt explizite Angaben über das Geschehen «links», «rechts», «über», und «unter» ihm (P, S. 39). Die lokale Verortung liegt stets diametral zum Punkt gegenüber, siehe «auf der anderen Seite» (P, S. 39/41/44) oder «gegenüber» (P, S. 41/42/43/46/47). Die werkspezifische Dialogstruktur basiert demnach nicht nur auf Textsegmenten und Blickrichtungen, sondern spiegelt sich in der räumlichen Organisation der Handlung.

Der Aufbau ist vorwiegend symmetrisch, so ergeben sich klare Strukturen[37]. Die Bahnsteige liegen parallel zueinander, ebenso die Werbeplakate in Gleisnähe. Klare und schließende Linien tragen dazu bei, das relevante Motiv als “figure” zu identifizieren, denn: «The more symmetrical a closed region, the more it tends to be seen as figure»[38]. Die Symmetrie des Plakats resultiert aus seiner geschlossenen und rechteckigen Form. Gleichzeitig nehmen umgebende Elemente analoge Strukturen an; der perspektivische Wechsel verändert zum Beispiel die Optik des Himmels: «als wäre der Himmel selbst zum Plakat geworden» (P, S. 39). Der Himmel, der zuvor eindeutig der Kategorie des Bahnhofs angehört, steht in direktem Konflikt zur zweidimensionalen Werbetafel. Er bewirkt einen Effekt der Begrenzung und szenischen Rahmung. Der Perspektivwechsel basiert auf einer Überblendung der Horizontalen (Himmel) und Vertikalen (Plakat). Die lokale Umgebung wird plakativ transformiert und findet sich indessen auf dem Plakat wieder – auch über dem abgebildeten Jungen ist der Himmel erkennbar zu sehen[39].

Der Himmel des äußeren Raums (Hintergrund) setzt sich semantisch im inneren Raum des Plakats (Aufmerksamkeitszentrum) fort. Äußere und innere Sphäre stehen sich lokal gegenüber. Hier ließe sich erneut eine Parallele zu Lotman ziehen: Ihm zufolge sind die Teilräume der erzählten Welt häufig durch topologische Oppositionen organisiert[40]. Neben topologischen Kontrasten sind zudem semantische Oppositionen vorhanden, im Text realisiert durch jene antithetische Formulierung, die den Himmel als «im gleichen Maß bereit, zu schützen und einzustürzen» beschreibt (P, S. 39). Der Widerspruch wirkt als irritierender Impuls auf den Leser. Die Kombination von Schutz und Einsturzgefahr weckt Instabilität und führt zum mentalen Zustand der Unsicherheit. Abseits der emotiven Wirkung erzielt die Anordnung der Elemente eine perspektivische Tiefenwahrnehmung. Die räumliche Dimension kann verstärkt wahrgenommen werden, obschon die Motive bewegungslos bleiben[41]. Die “figure” bleibt zwar statisch, doch mit dem Anspruch, Charakterzüge zu führen[42]. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kontrast im vorliegenden Analysebeispiel als dominantes Stilmittel auftritt. Dies zeigt sich auf topographischer Ebene (Bahnhof vs. Seebad), auf Ebene der Raumzustände (Dynamik vs. Statik) sowie in der formalen Ordnung der Szenen und Figuren selbst[43]. Stockwell zufolge ließe sich das Plakat nicht nur als semiotischer Raum, sondern auch als eine angelehnte Form der “deictic sub-world” bezeichnen, denn: «Shifts into deictic sub-worlds involve a variation in one or more world-building elements, most usually shifts in time and location»[44]. Im Text herrscht ebenfalls eine lokative Veränderung vor, wobei sich die beide Räume durch das verknüpfende Element des Himmels aneinander orientieren. Das Plakat kann im Topos des Bahnhofs als “figure” bezeichnet werden, die jedoch selbst als autonomer (Sub-)Raum funktioniert – und somit eine eigene “figure”, nämlich den Jungen, verkörpert. Die beiden Raumkategorien stehen in einem reziproken Verhältnis und sind dementsprechend interdependent.

Kognitive Deixis: Stimulation durch Form und Inhalt

Im Untersuchungstext ist die deiktische Ordnung vermehrt an Metaphern gebunden. Zum Beispiel hier: «Die Stille des Mittags lag wie eine schwere Hand über der Station» (P, S. 39) oder «über allem war ein Schleier von Staub, in den das Licht sich vergeblich zu hüllen versuchte» (P, S. 41). Die Metapher – die als Katachrese hervortritt– steht in Verbindung zur “spatial- und “temporal deixis”, also der räumlichen und zeitlichen Verweisstruktur[45]. In Kombination von Metapher und Deixis sind adverbiale Begriffe wie “über” besonders relevant für die mentale Repräsentation, denn: «such a sentence is relative to the normal way we understand the world by projecting orientation and entity structure onto it»[46]. Sofern Aspekte der Orientierung gegeben sind, fällt es leichter, die Metapher korrekt einzuordnen. Es folgt eine semantische Übertragung in einen neuen Bedeutungsrahmen. So trägt die Metapher zur Strukturierung des Denkens bei und führt folglich zum kognitiven Verständnis des Lesers. Auch die dominante Kontraststruktur spiegelt sich innerhalb der Rhetorik: «Die Ferne hatte die Nähe verschlungen und die Nähe die Ferne» (P, S. 39). Der Chiasmus umfasst eine antithetische Struktur, die erneut für Irritation sorgt – Irritation im Wechselspiel von Nähe und Distanz.

Der Leser wird in verschiedene Positionen versetzt, die eine kognitive Orientierung erfordern. Diese wird – ganz im Sinne Lotmans – vornehmlich durch die räumliche Organisation der Erzählung erzeugt[47]. So endet beispielsweise die erste Passage im Bahnhof mit dem Wegfall einer Figur: ein Mann «nahm die Leiter über die Schulter und ging» (P, S. 39). Unmittelbar darauf folgt das “perceptual shifting” im Anschlusssatz: «Der Junge auf dem Plakat lachte schreckerfüllt» (P, S. 40). Während die eine Figur aus dem Handlungsfeld schwindet, wird eine weitere eingeführt. Der Standpunkt des Lesers bleibt gleich, der Fokus orientiert sich neu. Das “shifting” basiert auf der Verschiebung des «narrator’s here-and-now» beziehungsweise dem nach Bühler benannten Ich-Jetzt-Hier-Origo[48]. Das Bewegungsverb «ging» steigert die Distanz zur Figur des Mannes und lenkt die Aufmerksamkeit auf das anknüpfende Plakatmotiv. Im gleichbleibenden Modus und fließenden Übergang der Aufmerksamkeitslenkung wirkt auch die Figur des Jungen wie ein Akteur. Das (Handlungs-)Subjekt positioniert sich also ebenfalls neu[49].

«Der Junge auf dem Plakat lachte schreckerfüllt» wirkt weniger wie eine objektive Beschreibung des Motivs, sondern meint vielmehr eine aktive Handlung. “Perceptual” und “spatial shifting” transferieren das kognitive Bild von Bahnhof und Plakat, wodurch das Motiv Figurenstatus erlangt. Der Fokus hängt zudem mit der verhaltensbedingten Wertung zusammen, denn der Mann «haßte diese glatten, jungen Gesichter» (P, S. 43). Diese Erkenntnis unterstützt den topographischen Wechsel: Die negative Haltung kann den Jungen als Sympathie- oder Antipathieträger herausstellen. In jedem Fall lenkt sie den Blickpunkt und appelliert an die Meinung des Lesers. Auch dieses Vorgehen zeigt eine kognitiv-deiktische Methode und kennzeichnet ein “relational shifting” zwischen den beiden Figuren[50]. Gleichzeitig tritt die Optik des Plakats in den Fokus:

Der Junge auf dem Plakat lachte schreckerfüllt mit weißen Zähnen und starrte geradeaus. Er wollte dem Mann nachschauen, hatte aber keine Möglichkeit, den Blick zu senken. Seine Augen waren aufgerissen. Halbnackt, die Arme hochgeworfen, im Lauf festgehalten wie zur Strafe von Sünden […] (P, S. 40).

Obwohl die Figur mit einem “Willen” – und somit eigenständigen Zügen – versehen ist, bleibt das Abbild statisch und starr. Das Motiv steht im komplementären Kontrast zur Erwartung: Ein Ferien-Werbeplakat könnte fröhlicher sein. Darin lässt sich eine erneute Verfremdung und Defamiliarisierung erkennen. Das Plakat gewinnt auf vielfache Weise kognitive Aufmerksamkeit im Text. Zunächst transportiert die Bildbeschreibung einen misslichen Zustand von Gefangenschaft und Machtlosigkeit. Ähnliche Assoziationen wecken die nebenstehenden Plakate, auf denen beispielsweise «Wolken […] von silbernen Linien wie von Ketten umgeben» abgebildet sind (P, S. 40f.) Semantische Eindrücke von Gewalt (Schwert/Ketten) gehen demnach nicht nur auf die subjektive Wahrnehmung des Lesers zurück, sondern basieren auf der kognitiven Verweisstruktur der Erzählung. Überdies greift der Prozess des “Top-down” – indes die Erwartung des Lesers unerfüllt bleibt, übernehmen diverse Erfahrungskonzepte und Wissenskomplexe Einfluss auf die Interpretation des Motivs: Die Konstellation der Arme und der Zusatz «wie zur Strafe von Sünden» erinnern lose an die Kreuzigung Christi und funktioniert somit als Stimmungsimpuls (P, S. 40). Als Koeffizient dient die sogenannte «image and action representation» – die Stimulation des Betrachters und Lesers geschieht durch «non-verbal representations, such as body-language and facial expressions»[51].

Ausdruck und Körperhaltung tragen zum kognitiven Empfinden bei und resultieren in einer signifikanten Grundstimmung. Diese ähnelt der nach Stockwell benannten “ambience” und bewirkt einen «delicate sense of a halo of associations, some barely conscious, some subliminal but coalescing cumulatively across a stretch of discourse»[52]. Das Erkennen und Herstellen von Assoziationen steht (wenngleich unbewusst) in enger Relation zu gesellschaftlichen Diskursen und Mustern. Es ließe sich daher als “soziales Wahrnehmen” begreifen[53]. Weiterhin ist die kognitionspsychologische Perspektive zu beachten. Die Wahrnehmung von “ambience” hängt nicht nur mit gesellschaftlichen Mustern zusammen, sondern auch mit dem «sozialen Gehirn» des Menschen: In der Neuro- und Kognitionswissenschaft gilt der Mensch als biologisch vorprogrammiert, empathisch und emotional zu reagieren und interagieren[54]. Empathische Reaktionen zeigen sich speziell bei der Betrachtung von Porträts[55]. Dieses Phänomen begünstigt den «Zugang zur geistigen Welt einer anderen Person» und in diesem Fall einem Bild[56]. Im Text wird Zugang zur “geistigen Welt” mit der räumlichen Konzentration auf das Plakat indiziert. Der Leser übersetzt die fremde Wahrnehmung des Jungen in seinen eigenen Horizont und kann so in seine Gedankenwelt eintauchen. Dieser Vorgang wird als “Immersion” und/oder “sensual ambience” bezeichnet[57].

Trotz Beschreibung des gesamten Körpers liegt die Aufmerksamkeit speziell auf Gesicht und Torso. Die visuelle Wahrnehmung ist an bestimmten Fixpunkten orientiert. Zunächst setzt die Beschreibung mit der Nennung kleinerer Teilbereiche wie Zähne und Augen ein; in Kombination sind sie als Meronym für “Gesicht” zu verstehen. Ähnlich der Wirkung beim Betracht von Porträts begünstigt die Fokussierung die empathische Reaktionsfähigkeit. Das Abbild des Jungen basiert auf einer Teil-Ganzes-Beziehung, deren Leerstellen der Leser paradigmatisch füllt. Die mentale Repräsentation gleicht der mentalen Konstruktion von Raum: Die resultiert aus dem schöpferischen Prozess des kognitiven “Framings” und der Stimulation richtungsweisender Textimpulse.

Die Wahrnehmung des Lesers wird aus dem Zusammenspiel von “Top-down” und “Bottom-up” Prozessen organisiert. Im Unterschied zur Raumkonstruktion sind die richtungslenkenden Impulse nicht deiktischer Natur, eher stehen sie in Relation zum sozialen Gehirn und der biologischen Grundeigenschaft des Menschen, Teilbilder zu vervollständigen. Ferne ließe sich der Entstehungszeitraum des Werks mit der Wirkung der Figur verknüpfen[58]. Brigitte Desbrière-Nicolas zufolge weckt das Bild des nackten Jungen in Kombination mit der Werbeschrift «Komm mit uns!» und dem semantischen Feld des Bahnhofs – der zum Transport von Menschen im Zug dient – Parallelen zum Holocaust[59]. Der historische Kontext wäre hierbei ein Faktor, der den Leser kognitiv beeinflusst und zu einer spezifischen Deutung beiträgt. Wie bereits erwähnt, hängt die kognitive Position des Lesers vornehmlich mit dem organisierenden Element des Textes zusammen[60]. Der prominente Status des Plakats ist erstens raumsemantisch bedingt, zweitens über die emotionale Wirkung begünstigt und drittens im Erzählmodus fassbar: Neben der expliziten Nennung im Titel ist auch die Erzählinstanz eher beim Geschehen des abgebildeten Jungen verortet. Der Beginn der Erzählung lautet wie folgt: «Du wirst nicht sterben!» (P, S. 39). Es handelt sich um die Figurenaussage des Mannes – um eine direkte Ansprache, die jedoch keinen speziellen Adressaten zu haben scheint. Da noch keine weiteren Figuren eingeführt sind, dient zunächst der Leser als Ansprechpartner. Dadurch wird der Rezipient schon zu Beginn der Geschichte als zentraler Bestandteil ermittelt. Dies wird im mehrfachen Aufgriff und der Modifikation des Satzes verstärkt. Es entsteht eine Art dynamischer Sog: «komm mit uns – komm mit uns – komm mit uns!» – ein Teil der Werbeanzeige verändert sich, denn: «Hinter der Stirne des Jungen begann es zu rasen. […] Der Reim sprang um: Du wirst nicht sterben – du wirst nicht sterben – du wirst nicht sterben!» (P, S. 42f.) Die beschriebene Dynamik entsteht vor allem durch die Repetition ein und derselben Worte. Zudem markiert die dynamische Ordnung eine Überlagerung beider Raumkategorien:

Das sangen sie, wenn sie auf Ferien fuhren, das sangen sie, wenn ihnen die Haare flogen. Das sangen sie noch immer, wenn der Zug auf der Strecke hielt, das sangen sie, wenn ihnen die Haare im Fliegen erstarrten (P, S. 42).

Der epanaleptische Duktus steigert die Dynamik immens, erfährt jedoch im Erstarren einen abrupten Abbruch. Dieser Prozess zeigt sich gleichsam in der Semantik, wodurch Form und Inhalt eng miteinander verknüpft sind. Das Motiv wird in einen direkten Zusammenhang mit seiner Umgebung gestellt. Die Fusion der beiden Raumkategorien wird durch den dramatischen Modus begünstigt. Anschließend richtet sich der Blick konstant auf den Jungen, sodass eine interne Fokalisierung des personalen Erzählers vorliegt: «Sterben, das hieß vielleicht die Bälle fliegen lassen und die Arme ausbreiten, sterben, das hieß vielleicht tauchen […]» (P, S. 43)[61]. Der Rezipient ist deutlich auf die gedankliche Welt des Jungen fixiert. Dies wird durch die monologische Satzstruktur unterstützt. Selbst aus neurowissenschaftlicher Perspektive ist erwiesen, dass der innere Monologe einen tieferen Einblick in die Psyche der (literarischen) Figuren ermöglicht und die kognitive Aufmerksamkeit beeinflusst[62].

Sterben – Höhepunkt und Konflikt

Inhaltlich nimmt der thematische Bezug zum Sterben stets zu. Das ist vorwiegend durch den Wegfall irrelevanter Wörter markiert, sodass die Äußerungen rapide auf das Wesentliche zentriert werden: «sterben – sterben – sterben!» (P, S. 44)[63]. Zudem wird der Fokus mit der erlebten Rede und interrogativ-Konstruktion verstärkt: «Sterben – dachte er – sterben, daß ich nicht mehr lachen muss! Ist das Sterben, wenn man seine Stirn falten darf? Ist das Sterben?» (P, S. 44). Das Zitat birgt eine aufmerksamkeits-erregende Satzstruktur im Kyklos und einen Wechsel der grammatischen Person. Nur drei Passagen der gesamten Erzählung sind in der 1. Person Singular verfasst, die jeweils im Zusammenhang mit Junge und Sterben stehen: «Ich sterbe, dachte der Junge, ich kann sterben!» sowie «Ich sterbe, rief er, ich sterbe!» (P, S. 46/47). Die Wahl der Pronomina hat Auswirkung auf die kognitive Leistung des Lesers[64]. Sie öffnen den Zugang zur geistigen Welt der Figur, indem sie das Hineinversetzungsvermögen in der direkten Rede bestärken. Es handelt sich folglich um ein “perceptual shifting” durch Personalpronomen und Perspektivierung[65].

In Betracht der drei Ich-Varianten sind besonders die beiden letzten Formulierungen interessant: Der Übergang vom Denken zum Rufen, also der Transposition der mentalen Idee zur Handlungsebene, markiert einen Akt der Erlösung. Die Figur wird aus ihrer Statik gelöst, in der sie zuvor als «stumm» galt (P, S. 44). Sterben funktioniert demnach – entgegen der allgemeinen Erwartung – als Form der Befreiung. Der Ausdruck erfährt eine semantische Neubestimmung, die im Kontrast zur alltäglichen Lebenswelt steht. Sterben wird explizit als «Wunsch» formuliert und markiert eine weitere Dimension des Plakatraums, in der Bewegung und Handlung möglich ist (P, S. 42). Die Vorstellung von Mobilität und Agilität kann entsprechend als “wish world” bezeichnet werden[66]. Doch auch die übliche Semantik von Tod ist im Erzähltext vertreten: «sterben mußte man, um nicht überklebt zu werden» (P, S. 43). Der Akt des Überklebens impliziert ein Verschwinden von Figur und Plakat. Es gleicht dem menschlichen Ableben, wobei das Sterben die Mortalität betont. Es erhebt das Motiv erneut zum Akteur, der in zweierlei Welten lebt. Neben der Thematik des Sterbens sind auch Kommunikationssituationen ohne Adressat oder Partner (siehe: «Du wirst nicht sterben!») rekurrierendes Element der Erzählung. Zwischen Bahnhofsmann und Plakatjunge finden vier Perspektivwechsel statt, ohne dass eine direkte Kommunikation zustande kommt. Dies ändert sich mit der Einführung einer weiteren Figur. Erst mit Perspektive eines Kindes/Mädchens wird das Plakatmotiv als potenzieller Interaktionspartner deutlich. Kinder gelten bei Aichinger als besonders zentral und vertreten meist eine «erlösende Rolle», indem sie eine «andere Haltung zur Realität als die Erwachsenen» einnehmen[67]. Dies trifft sowohl auf Mädchen und Junge zu. Die Hinwendung erfolgt verbal und gestisch: «Da! Rief das Kind und zeigte mit der Hand hinüber» (43f.) Die Äußerung funktioniert ähnlich dem deiktischen “spatial shifting” – räumliche Bewegung und Fokussierung werden durch die konkrete Verweisstruktur des Zeigens erzeugt. Zusätzlich entsteht Dynamik; das Kind bewegt sich spielerisch auf den Plakatjungen zu. Mit Blick auf Stockwells ist das Kind als “agent” und das Abbild des Jungens als “patient” erkennbar:

In an active clause, the agent acts as the head of an action chain, which moves through several stages perhaps including an instrument to arrive at the tail of the action chain with the patient.[68]

Der Bewegungsverlauf erfolgt über einzelne Stufen, sodass die “action chain” klar erkennbar ist: Das Kind «zeigte»; «faltete die Stirne»; «streckte seinen Fuß ein wenig vor»; «ging an den Rand»; «hob den Fuß ein Stück über den Rand» und «sprang auf die Schienen» (P, S. 44/45). Dieser spielerisch-tänzerische Prozess, der mit dem Sprung in den Tod endet, hängt laut Desbrière-Nicolas mit dem Kindlichen zusammen, denn: «Im Spiel gelingt es den Kindern, die Angst vor dem Tod zu überwinden und existentielle Wahrheiten zu erblicken»[69]. Die Aufmerksamkeit auf die Wahrheit des Jungens basiert zum einen auf deiktischen Mitteln, zum anderen auf dem aktiven Bewegungsprozess innerhalb der Diegese. Verfolgt man die Bewegung weiter, konzentriert sie sich von allen Seiten aus auf die Schienen. Das Kind «sprang», der Zug «raste», der Plakatjunge «stürzte» und «sprang» ebenfalls, es folgt ein «einfahrende[r]» Gegenzug (P, S. 45-47). Zentraler Schauplatz der Handlung ist dementsprechend das Gleis. Der Fokus lässt sich insofern erkennen, dass die Handlung mit einer Abfahrt einsetzt: «Der Stadtbahnzug war eben weggefahren» und anschließend mit der Einfahrt endet: «niemand beachtete es, daß [das Plakat] von dem einfahrenden Gegenzug zerfetzt wurde» (P, S. 39/47)[70]. Die Szene markiert ein Zwischensegment.

Auch innerhalb der Erzählung werden Züge benannt, wie «der nächste Zug war noch immer nicht gekommen» sowie «aus der Ferne hörte man das Anrollen des nächsten Zuges» und zuletzt «der Zug raste um die Kurve» (P, S. 41/45). Die Verweise äußern sich in direkter Ansprache sowie der nach Bühler benannten «Deixis am Phantasma»[71]. Obschon der Zug nur zu Beginn und Ende aktiv ist, bleibt seine Frequenz stets hoch. Der Erzählvorgang ist durch den Zugverkehr strukturiert; der “background” findet seine Funktion in der zeitlichen Strukturierung der Handlung. Auf den Gleisen sind deutliche Bezüge zur Raumsemantik Lotmans erkennbar: Wie bereits erwähnt, ist die Diegese in zwei komplementäre Untermengen (Bahnhof/Plakatraum) aufgeteilt. Zwischen diesen Untermengen besteht eine impermeable (undurchlässige) Grenze, die sich nur für den Helden als permeabel (durchlässig) erweist – daraus entsteht Ereignis (“sujet”) der Erzählung[72]. Als Grenzüberschreitung gilt die zentrale Handlung in der erzählten Welt, so auch im vorliegenden Analysebeispiel: Die Zerstörung des Plakats markiert die Integration des Sub-Raums beziehungsweise der “deictic sub-world” in den Raum des Bahnhofs: «die See stürzte auf die Schienen» (P, S. 46). Ferner bietet der Text hierbei zwei Perspektiven des Sterbens – zum einen den Unfall des Kindes, zum anderen den symbolischen Tod des Jungens, der positiv konnotiert bleibt[73]. Der vermeintliche Tod ist als Anbeginn von Lebendigkeit ausgezeichnet: «Ich sterbe! […] Er atmete tief, zum ersten Male atmete er» (P, S. 46). Die statische Grenze ist überwunden, der Junge wird aus seinem Zustand erlöst. In der Fusion beider Zonen erfolgt ein Bruch der bisherigen Raumordnung: «schräg gegenüber war zwischen den Schienen ein heller Flecken Sand» (P, S. 47). Nach dem Übergang der “figure” in den rahmenden “ground” des Bahnhofs verschiebt sich die dominante Kontraststruktur, die Opposition weicht einer Diagonalen. Dies bezeugt einen Einschnitt der “story world” – der die Erzählung schließlich zum Ende führt. Obwohl das Ereignis dramatische Szenen zeigt, überwiegt das Gefühl von Erleichterung. Dieses Ergebnis ist nur zu erreichen, indem der Text von Beginn an das Plakat und den abgebildeten Jungen visiert und somit die Immersion steigert. Auch hier ist erneut die Funktion des Slogans «Komm mit uns!» zu beachten, der sowohl Leser als auch Mädchen direktional auf sich lenkt. Wahrnehmungsprozesse finden außerhalb und innerhalb der Diegese statt. Trotz des letztlichen Unglücks ist die Werbestrategie als doppelt “geglückt” zu fassen: Einerseits lenkt sie den Rezipienten und erzielt somit den gewünschten Effekt, andererseits betont sie den Befreiungsakt des Jungen, auf den die gesamte Erzählung strukturell, deiktisch, emotiv, semiotisch und semantisch hinarbeitet. Die narrative Verweisstruktur steht im permanenten Zusammenhang mit der kognitiven Wahrnehmung des Lesers, ohne die das Verständnis des Textes nicht möglich wäre.

Narrative Strukturen als Kognitionsmechanismen der Raumvorstellung

In der Analyse hat sich herausgestellt, dass Aichingers Das Plakat eine abgewandelte Variante der “figure-ground” Theorie darlegt. Die klassische Hierarchie wird durch eine Verschachtelung der Segmente um einen Sub-Raum erweitert. Dies wirkt sich auf die Wahrnehmungslenkung des Lesers aus. Mit der doppelten Struktur der Räume kann der Rezipient tiefer in das Geschehen eindringen und eine emotionale Verbindung zum Hauptelement herstellen. Hineinversetzungsvermögen und Informationsverarbeitung sind durch verschiedene Mittel gesteigert. Die räumliche Organisation ist von zentraler Bedeutung für das kognitive Verständnis der Handlung. Zudem evoziert die Erzählung mit bewährten Textsegmenten und direkter Rede eine Kommunikation zwischen Text und Leser. Die soziale Interaktion mit dem Text – das Lesen und Verstehen – basiert auf einem stimulierenden Spiel von Nähe und Distanz zum Geschehen. Ebenso tragen rhetorische Mittel und Tropen zur Lenkung des Leseverhaltens bei. Narrative Strukturen greifen auf biologisch begründete Muster zurück und navigieren den Leser durch den Text. Im Analysebeispiel erfolgt die Navigation primär durch die Verwendung kognitiv-deiktischer Mittel und “shiftings” unterschiedlicher Art. Deiktische Mittel erfüllen eine organisierende Funktion, die nicht nur den Fortlauf der Handlung bedingt, sondern auch die kognitive Erfassung des Lesers. Die Vorstellungen und Bilder der beschriebenen Szenen (mentale Repräsentationen) sind weder idiosynkratisch noch subjektiv, sondern durch diverse Faktoren im Text motiviert. Bei Aichinger dominiert das rekurrierende Motiv der Kontraststruktur: Kontraste und antithetische Formulierungen spielen mit der Rezeption des Lesers, sorgen für Irritation und versehen Begrifflichkeiten mit neuer Semantik. Während die temporale Ebene speziell über das innerdiegetische Element des Zugverkehrs strukturiert ist, findet der außerdiegetische Kontext besondere Relevanz für die Perspektive des Lesers: der rahmende Topos des Bahnhofs und Assoziationsketten, die den Effekt des Plakatjungens mitgestalten. Regulierungssysteme zur Einordnung literarischen Inputs in mentale Kategorien entstehen durch Erfahrung, Erwartung und allgemein bekannten Konzepten – oder den Bruch mit solchen. Die Kognitionsfähigkeit des Lesers ist von zentraler Relevanz für die Informationsverarbeitung von Texten; gleichzeitig können narrative Strukturen zu neuen Variationen von Reizen, Impulsen und Inhalten führen. Die narrative Struktur der Erzählung funktioniert selbst als eine Art Kognitionsmechanismus – so wie der kognitive Vorgang bei der Lektüre ein aktiver, schöpferischer Prozess bleibt. Narration und Kognition stehen in einem reziproken Verhältnis und tragen zu einer erweiterten Systematik des erzählten Raums bei.

Verwendete Literatur

Primärliteratur

Aichinger, Ilse: Das Plakat. In: dies.: Der Gefesselte. Erzählungen 1 (1948-1952), Werke in acht Bänden, hrsg. von Richard Reichensperg. Frankfurt am Main: Fischer 1991, S. 39-47.

Sekundärliteratur

Bühler, Karl: Sprachtheorie. Ungekürzter Neudruck der Ausgabe Jena 1934. Stuttgart: Fischer 1982.

Cozic, Alain: Ilse Aichingers erste Erzählungen (1949-1955): Literatur, um die Wirklichkeit zu “kontern”. In: Ingeborg Rabenstein-Michel, François Rétif, Erika Tunner (Hrsg.): Ilse Aichinger. Misstrauen als Engagement? Würzburg: Königshausen und Neumann 2009, S. 123-136.

Desbrière-Nicolas, Brigitte: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder… » Ilse Aichingers Erzählungen in den 40er Jahren. In: Germanica 34 (2012), S. 61-70.

Fässler, Simone: Von Wien her, auf Wien hin: Ilse Aichingers “Geographie der eigenen Existenz”. Köln: Böhlau 2011.

Genette, Gérard: Discours du récit. In: ders.: Figures III. Paris: Seuil 1972, S. 6-282.

Goffman, Erving: Frame Analysis. An Essay on the Organization of Experience. New York: Harper & Row 1974.

Hartung, Franziska et. al.: Taking Perspective: Personal Pronouns Affect Experiential Aspects of Literary Reading. In: PLoS ONE 11,5 (2016), S. 1-18.

Hartung, Johanna: Sozialpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer 2006.

Lakoff, George / Johnson, Uwe: Metaphors we live by. Chicago: 1980.

Kandel, Eric: Das Zeitalter der Erkenntnis. Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute. München: Siedler 2012.

Kandel, Eric: Die Konstruktion des visuellen Bildes. In: ders. et al. (Hrsg.): Neurowissenschaften. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum 2011, S. 393-412.

Kandel, Eric / Kupfermann, Irving: Emotionale Zustände. In: Eric Kandel et al. (Hrsg.): Neurowissenschaften. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum 2011, S. 607-624.

Kandel, Eric: Von den Nervenzellen zur Kognition. In: ders. et al. (Hrsg.): Neurowissenschaften. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum 2011, S. 327-352.

Martínez, Matías / Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. 10., überarbeitete aktualisierte Ausgabe. München: C.H. Beck 2016.

Reuven, Tsur: Metaphor and figure-ground relationship: comparisons from poetry, music, and the visual arts. In: Geert Brône, Jeroen Vandaele (Hrsg.): Cognitive poetics: goals, gains, and gaps. Berlin: Walter de Gruyter 2009, S. 237-277.

Searle, John R.: Expression and meaning. Studies in the theory of speech acts. Cambridge: Cambridge University Press 1985.

Stockwell, Peter: Atmosphere and tone. In: ders., Sarah Whiteley (Hrsg.): The Cambridge Handbook of Stylistics. Cambridge: University Press 2014, S. 360-374.

Stockwell, Peter: Cognitive Poetics. An Introduction. London: Routledge 2002.

Stockwell, Peter: Texture. A cognitive Aesthetics of Reading. Edinburgh: University Press 2009. 



[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird «Leser» im folgenden Beitrag im generischen Maskulinum verwendet. Dies soll keineswegs eine geschlechterspezifische Diskriminierung andeuten; der Gebrauch umschließt jedes Geschlecht gleichermaßen.

[2] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics. An Introduction. London: Routledge 2002, S. 24.

[3] Vgl. ebd., 123.

[4] Ilse Aichinger: Das Plakat. In: dies.: Der Gefesselte. Erzählungen 1 (1948-1952), Werke in acht Bänden, hrsg. von Richard Reichensperg. Frankfurt am Main: Fischer 1991, S. 39-47. Im Folgenden wird für den Verweis auf das Werk die Sigle «P» verwendet.

[5] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2012), S. 8.

[6] Vgl. ebd., S. 13.

[7] Vgl. Eric Kandel: Die Konstruktion des visuellen Bildes. In: ders., James H. Schwartz, Thomas M. Jessel (Hrsg.): Neurowissenschaften. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum 2011, S. 393-412, hier S. 396.

[8] Vgl. ebd., S. 396.

[9] Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 14.

[10] Ebd., S. 14.

[11] Vgl. ebd., S. 16.

[12] Vgl. ebd., S 18, 22.

[13] Vgl. Eric Kandel: Von den Nervenzellen zur Kognition. In: ders., James H. Schwartz, Thomas M. Jessel (Hrsg.): Neurowissenschaften. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum 2011, S. 327-352, hier S. 328; Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 96.

[14] Vgl. Eric Kandel: Von den Nervenzellen zur Kognition (2011), S. 394, 397, 403.

[15] Vgl. Eric Kandel, Irving Kupfermann: Emotionale Zustände. In: ders., James H. Schwartz, Thomas M. Jessel (Hrsg.): Neurowissenschaften. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum 2011, S. 607-624, hier S. 604.

[16] Vgl. ebd., S. 617.

[17] Vgl. Eric Kandel: Von den Nervenzellen zur Kognition (2011), S. 328.

[18] Eric Kandel: Das Zeitalter der Erkenntnis. Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute. München: Siedler 2012, S. 503.

[19] Ebd., S. 488.

[20] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 29; Vgl. Peter Stockwell: Texture. A cognitive Aesthetics of Reading. Edinburgh: University Press 2009, S. 7f.

[21] Der Begriff des «Framings» geht auf den Soziologen Erving Goffman zurück. «Frames» beschreiben einen allgemeinen Interpretationsrahmen des beschriebenen Gegenstands, der kognitiv erfasst wird. Vertiefend siehe: Erving Goffman: Frame Analysis. An Essay on the Organization of Experience. New York: Harper & Row 1974.

[22] Matías Martínez, Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie. 10., überarbeitete aktualisierte Ausgabe. München: C.H. Beck 2016, S. 159.

[23] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 45.

[24] Vgl. ebd., S. 65.

[25] Ebd., S. 98.

[26] Ebd., S. 14.

[27] Siehe: Alain Cozic: Ilse Aichingers erste Erzählungen (1949-1955): Literatur, um die Wirklichkeit zu «kontern». In: Ingeborg Rabenstein-Michel, François Rétif, Erika Tunner (Hrsg.): Ilse Aichinger. Misstrauen als Engagement? Würzburg: Königshausen und Neumann 2009, S. 123-136, hier S. 132.

[28] Vgl. ebd., S. 16.

[29] Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 54.

[30] Vgl. John Rogers Searle: Expression and meaning. Studies in the theory of speech acts. Cambridge: Cambridge University Press 1985, S. 44f.

[31] Vgl. ebd., S. 18.

[32] Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 154.

[33] Hinzu kommt, dass die Beschreibung von Örtlichkeit bei Ilse Aichinger vermehrt auf das Stadtbild Wiens verweist, so auch in der Erzählung Das Plakat. Einwohnern und Ortskundigen ist demnach eine gesteigerte Vorstellungsmöglichkeit der beschriebenen Allgemeinplätze möglich. Es zeigt sich die Differenz zwischen der mentalen Visualisierung eines semantischen Topos und der reellen Vorstellung konkreter Orte. Vgl. Simone Fässler: Von Wien her, auf Wien hin: Ilse Aichingers «Geographie der eigenen Existenz». Köln: Böhlau 2011, S. 25.

[34] Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 19.

[35] Vgl. Eric Kandel: Das Zeitalter der Erkenntnis (2012), S 488.      .

[36] Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 45.

[37] Siehe hierzu auch: Simone Fässler: Von Wien her, auf Wien hin (2011), S. 41.

[38] Tsur Reuven: Metaphor and figure-ground relationship: comparisons from poetry, music, and the visual arts. In: Geert Brône, Jeroen Vandaele (Hrsg.): Cognitive poetics: goals, gains, and gaps. Berlin: Walter de Gruyter 2009, S. 237-277, hier S. 239.

[39] Dabei werden noch weitere Adverbien deutlich, siehe: «hinter sich der Strand» (P, S. 40).

[40] Vgl. Matías Martínez, Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie (2016), S. 159.

[41] Übereinstimmungen zwischen dem äußeren Rahmen und den Abbildungen auf dem Plakat werden zusätzlich durch farbliche Kongruenzen unterstützt (Blau von Himmel und Seebad).

[42] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 16.

[43] Topographische Gegensätze gelten nach Lotman als drittes Strukturelement, welches den komplementären Gegensatz der Teilräume der erzählten Welt darstellt. Vgl. Matías Martínez, Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie (2016), S. 159.

[44] Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 140.

[45] Ebd., S. 45.

[46] George Lakoff, Uwe Johnson: Metaphors we live by. Chicago: 1980, S. 162.

[47] Vgl. Matías Martínez, Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie (2016), S. 159.

[48] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 140; Vgl. Karl Bühler: Sprachtheorie. Ungekürzter Neudruck der Ausgabe Jena 1934. Stuttgart: Fischer 1982, S. 102.

[49] Vgl. Simone Fässler: Von Wien her, auf Wien hin (2011), S. 41.

[50] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 45.

[51] Ebd., S. 154.

[52] Peter Stockwell: Atmosphere and tone. In: Peter Stockwell, Sarah Whiteley (Hrsg.): The Cambridge Handbook of Stylistics. Cambridge: University Press 2014, S. 360-374, hier S. 373.

[53] Vgl. Johanna Hartung: Sozialpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer 2006, S. 32f.

[54] Eric Kandel: Das Zeitalter der Erkenntnis (2012), S. 466.

[55] Vgl. ebd., S. 466.

[56] Ebd., S. 466.

[57] Vgl. Franziska Hartung et. al.: Taking Perspective: Personal Pronouns Affect Experiential Aspects of Literary Reading. In: PLoS ONE 11,5 (2016), S. 1f.; Peter Stockwell: Atmosphere and tone (2014), S. 371.

[58] In vielen Werken Aichingers ist der direkte Zeitbezug zum Stadtbild nach dem zweiten Weltkrieg zu vernehmen. Vgl. Simone Fässler: Von Wien her, auf Wien hin (2011), S. 102.

[59] Siehe hierzu auch: Brigitte Desbrière-Nicolas: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…» Ilse Aichingers Erzählungen in den 40er Jahren. In: Germanica 34 (2012), S. 61-70, hier S. 64.

[60] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 14.

[61] Der Begriff der Fokalisierung geht auf den Literaturwissenschaftler Gérard Genette zurück und beschreibt das perspektivische Verhältnis zwischen Erzählinstanz und Figur. Siehe: Gérard Genette: Discours du récit. In: ders.: Figures III. Paris: Seuil 1972, S. 65-282, hier S. 206.

[62] Vgl. Eric Kandel: Das Zeitalter der Erkenntnis (2012), S. 106.

[63] Der Kontext des Sterbens in Relation zum Bahnhof verstärkt den Interpretationsansatz, die Erzählung als Anspielung auf das radikale Sterben im Holocaust zu lesen.

[64] Vgl. Franziska Hartung et. al.: Taking Perspective: Personal Pronouns Affect Experiential Aspects of Literary Reading (2016), S. 15.

[65] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S. 53.

[66] Ebd., S. 95.

[67] Vgl. Brigitte Desbrière-Nicolas: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder… » (2012), S. 3,7.

[68] Vgl. Peter Stockwell: Cognitive Poetics (2002), S 65, Hervorhebung im Original.

[69] Brigitte Desbrière-Nicolas: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder… » (2012), S. 7.

[70] Die mehrfache Formulierung «niemand beachtete es» trägt ferner dazu bei, dass der Leser das Plakat sehr wohl beachtet, da es textuell hervorgehoben wird (P, S. 47).

[71] Vgl. Karl Bühler: Sprachtheorie (1982), S. 121.

[72] Matías Martínez, Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie (2016), S. 159.

[73] Positive Konnotation zeigt sich zum Beispiel anhand der Äußerungen der «wunderbaren Kühle» und «Entzücken in den Wangen» (P, S. 45).