Maren Lickhardt

(Innsbruck)

Zeichen über Zeichen und kein Wunder in Braunschlag
David Schalkos Fernsehserie zeigt “Welt-Niederösterreich” in der Kontingenz-Krise

[Signs after signs but wonders have ceased in Braunschlag
David Schalko’s TV series shows “Welt-Niederösterreich” in a contingency crisis
]

abstract. This article examines how David Schalko’s series Braunschlag (2012) presents a community that is threatened by disintegrative forces and dysfunctional communications. The series is read as a political allegory on postmodernist struggles in Austrian culture – as a laboratory for western European societies in general – between globalisation and provincialism. As this is linked to aspects of popular culture in the series, the article includes theoretical thoughts about popular cultural “common grounds” with their inclusive and exclusive function, as analysed by M. Bauer, U. Eco and M. Tomasello.

I.

Im Jahr 2015 ist Leonard Nimoy verstorben, der besser bekannt ist als Mr. Spock, und seit diesem Jahr gibt es bei Apple den berühmten Vulkaniergruß als Emoji[1]. Das Handzeichen, so Nimoy, habe er selbst bei Star Trek eingeführt, weil er es als Kind während einer Zeremonie in einer Synagoge gesehen hatte[2]. Ein Versatzstück aus einem jüdischen Ritual wird durch die Verwendung in der Science Fiction-Serie dekontextualisiert. Es wandert aus dem religiösen in einen massenmedial-populärkulturellen Kontext, und in diesem neuen Kontext wird es mit einer neuen Funktion aufgeladen, sodass das Handzeichen nicht mehr auf das religiöse Ritual verweist, sondern den Gruß einer außerirdischen Spezies in einer Science Fiction-Serie bedeutet. Der Vulkaniergruß kann aber nun wiederum aus dem spezifischen Star Trek-Syntagma gelöst werden und überall zirkulieren. Mittlerweile verweist das Handzeichen nicht mehr nur auf Vulkanier/innen, sondern auf das Star Trek-Universum im Allgemeinen, darüber hinaus auf die reale Fan-Kultur rund um die Serie und außerdem auf deren wiederum fiktionale Verarbeitung z.B. in der Figur des Sheldon Cooper in der Serie Big Bang Theory. Als zwar spezifisch codiertes, aber letztlich selbstständiges Collageelement kann der Vulkaniergruß alle möglichen Verbindungen zwischen Fakt und Fiktion eingehen, u.a. eben mit dem Konzept des Emojis. Verwendet man nun das Vulkaniergruß-Emoji, kommuniziert man mehr als einen Gruß, denn für einen Gruß stünden auch andere Zeichen zur Verfügung. Nicht dass das Vulkaniergruß-Emoji nicht auch noch die Funktion eines Grußes hätte, aber viel mehr verweist es darauf, dass mindestens ein/e Kommunikationspartner/in ein Nerd ist und an einer bestimmten Pop-Kultur partizipiert/en, also an einer Kultur, die Länder und Schichten, Ethnien und Geschlechter überschreitet, oftmals bei vielen bekannt und beliebt ist, die aber bei allen Trans- und Interfiguren formal und ästhetisch distinguiert und distinguierend funktioniert[3]. Weil das Vulkaniergruß-Emoji Teil dieser Kultur ist, verweist es außerdem auf sich selbst, und es verweist darauf, dass es auf sich selbst verweist, dass es also um seiner selbst willen verwendet wird. Die appellative oder phatische Funktion des Grußes tritt zurück. Ähnliches hat Jochen Venus in Bezug auf das populäre Bild festgestellt: «Spektakuläre Selbstreferenz konstituiert sich in der Erfahrung einer figurativen Praxis, die unausweichlich anziehend, also spektakulär sein soll, dabei aber nur ihresgleichen darstellt und in diesem Sinne selbstreferenziell ist»[4]. Das basiert auf einer «Inversion der Darstellungslogik», weil ursprüngliche Zwecke zu einem Mittel werden und in den Hintergrund rücken, während als Zweck nun «eine selbstgenügsame spektakuläre Artistik»[5] im Vordergrund steht. Im vorliegenden Kontext ändern sich die sprachlichen Funktionen auf eine etwas andere Weise, als Venus dargelegt hat, aber wichtig ist, dass sich Zweck und Mittel verkehren, denn das Vulkaniergruß-Emoji zeigt selbstreferentiell auf sich als Medienprodukt und als Element der Pop-Kultur. Es sagt nicht: Ich grüße Dich. Und es sagt auch nicht zwingend: Live long and prosper. Vielmehr sagt es: Ich bin der Vulkaniergruß. Oder: Beachte, dass ich aus allen möglichen Gruß-Emojis den Vulkaniergruß gewählt habe, um Dich zu grüßen, und was das über Dich und/oder mich aussagt und welche Gemeinsamkeit ich dadurch voraussetze, welchen Common Ground.

Das Vulkaniergruß-Emoji beruht auf einer, um dies mit Michael Tomasello zu bezeichnen, «Szene gemeinsamer Aufmerksamkeit», die gemäß Matthias Bauer den sozialen «Hintergrund aller Bedeutungen, die kommunizierbar sind», bildet[6]. Mit dem Vulkaniergruß-Emoji findet ein Akt der wechselseitigen Bestätigung als Teil einer bestimmten Pop-Kultur statt. Moritz Baßler hat in einem ähnlichen Zusammenhang an Dean MacCannell erinnert[7], demzufolge Kommunikationspartner/innen in einem solchen Kontext nicht im üblichen Sinn bzw. im Rahmen traditionell postulierter Kommunikationsfunktionen interagieren. Was stattdessen stattfindet, ist ein «coparticipating in a semiotic production in which they are mutually complicious in the exaltation of an iconic image»[8]. Auf diese Weise bewegen wir uns tatsächlich auf etwas, das man in einem allgemeinen und weiten Sinn als Common Ground bezeichnen kann. Dieser Common Ground stellt die Möglichskeitsbedingung für gemeinsamen Symbolgebrauch und ästhetische Erfahrungen und auch für geteilte Werte dar, was letztlich eine gruppenkonstituierende Funktion hat. Aber das Wunder des Verstehens im Sinne einer wechselseitig anschlussfähigen Reaktion auf ein Zeichen und somit der Boden einer gemeinsamen (Kommunikations-)Kultur ist höchst voraussetzungsreich.

II.

Der fiktiven niederösterreichischen Gemeinde Braunschlag fehlt der Common Ground, was augenfällig wird an der Konkurrenz zwischen einem Vulkaniergruß und zum Gebet gefalteten Händen oder aber der Frage, wie man ein unbekanntes Flugobjekt bzw. eine eigentlich doch klar als solche erkennbare am Baum hängende, von Discolicht beleuchtete Marienstatue auffassen kann (I, 19:10). Innerfiktiv spielt David Schalkos Serie Braunschlag in dieser berühmt gewordenen Szene mögliche Register durch, wie dieses Objekt kognitiv gerahmt, interpretatorisch bewertet und performativ gespiegelt werden kann, und letztlich wirft sie damit einen kulturdiagnostischen Blick auf die – nicht nur – Braunschlager Kontingenz-Krise zwischen Globalität und Lokalität. Zur Sache: Bürgermeister Gerri Tschach hat die Gemeinde durch windige Geschäfte in den Ruin getrieben. Nach einem Radiobericht über Pilgertourismus beschließt Gerri zusammen mit seinem besten Freund, dem Diskothekenbesitzer Pfeisinger, für den erfolglosen UFO-Landeplatzbetreiber Matussek eine Marienerscheinung zu inszenieren, um den Tourismus in Braunschlag anzukurbeln. Sie hängen – das sehen wir Zuschauer/innen – eine Marienstatue im Wald an einen Baum, beleuchten sie mit violettem Discolicht und sprechen den nachts spazierenden Matussek mit einem Mikrophon an. Hat man dies als Zuschauer/in als Witz der Serie betrachtet, muss man verblüfft feststellen, dass es noch skurriler geht. Denn das Wunder von Braunschlag hat es nötig, sich mit den Worten «Ich bin ein Wunder» explizit als solches mitzuteilen. Nur mühsam ist aus Matussek das religiöse Wissen herauszukitzeln, das vorausgesetzt werden muss bzw. von Gerri und Pfeisinger vorausgesetzt wurde, damit der materielle Zeichenkörper als eine Marienerscheinung decodiert werden kann. Erst nach einer entsprechenden Nachhilfe wählt Matussek eine passende Anschlusshandlung im Sinne der Kommunikatoren aus dem religiösen Register, indem er sich hinkniet und die Hände faltet. Und er kann auf die Frage, ob er wisse, wer Maria sei, in Spuren und formelhaft deren Funktion und die Lehre von der göttlichen Trinität widergeben, die zwischen dem ersten Konzil von Nicäa und der Synode von Toledo im Mittelalter nach und nach entwickelt wurde: sie sei die Mutter Gottes, Jesu und des heiligen Geistes. Ganz unmittelbar ist Matussek viel souveräner. Er sieht ein unbekanntes Flugobjekt, macht sofort, also tatsächlich reflexartig, geradezu militärisch, soweit und sobald es sein Handschuh zulässt, einen Vulkaniergruß und fragt, ob eine Entführung oder eine Eroberung erfolgen soll. Das Wissen, das im Wesentlichen zwischen 1966 und 1969, aber auch in den folgenden Jahren in der amerikanischen und globalen Pop-Kultur durch Star Trek im Fernsehen hinterlegt wurde, hat Matussek unmittelbar parat. Auf Basis der Idee, dass eine violett angestrahlte Madonna im Wald nichts Anderes als einen Alien verkörpern kann, vermutet er nicht zu Unrecht, dass eine Eroberung oder Entführung könnte. Aber obwohl dies impliziert, die Aliens könnten ihn bedrohen, bekundet er Friedfertigkeit und Sympathie, denn der Gruß kann kaum das Gegenüber adressieren, das sich, wenn es invasiv wäre, nicht von einem Vulkaniergruß angesprochen fühlte, und das, wenn es vulkanisch wäre, weder eine Entführung noch eine Eroberung plante. Vielmehr stellt der Gruß eine emotive Botschaft seitens Matussek dar, der sagen will: Ich kenne mich aus. Ich bin auf Eurer Seite. Er inszeniert sich als williger Mitwisser von – entweder pop-kulturellen Zeichen und/oder der Existenz Außerirdischer? Auf der metafiktionalen Ebene adressiert er natürlich vor allem uns Zuschauer/innen, die wir die intermediale Anspielung und damit den Witz sofort verstehen. Wir bewegen uns auf einem Common Ground mit Matussek, indem wir nicht nur einen Zeichenvorrat teilen, sondern auch das Wissen darum, wie man sich performativ auf diesen bezieht.

Als Matussek nach der Erscheinung als erstes in Pfeisingers Dorfdisco rennt, um ausgerechnet Gerri und Pfeisinger und den dort anwesenden Polizist/innen von der Erscheinung zu berichten, sagt er beiläufig: «Zuerst, da hat sie ausgeschaut wie so eine billige Statue aus der Kirche. In so einem g’schissenen Gegenlicht wie in deiner Disco da». (I:24:11). Auf die Idee, dass er hereingelegt wurde, kommt er dennoch nicht, und er interpretiert die Erscheinung weiterhin vor dem Hintergrund seines pop-kulturellen Wissenshorizonts: Nachdem ihm klar geworden war – weil es ausdrücklich im Rahmen der Erscheinung so gesagt wurde –, dass ihm die heilige Jungfrau Maria erschienen sei, glaubt er nun eben, diese sei eine Außerirdische, was Gerri und Pfeisinger ihm auszureden versuchen. Wir Zuschauer/innen wissen, dass der Zeichenträger eigentlich nur auf einen Betrug referiert, und könnten annehmen, dass sich Gerri und Pfeisinger – erleichtert darüber, dass wenigsten der Betrug als solcher nicht aufgeflogen ist, obwohl dieser für einen Moment so greifbar war – vielleicht auch mit einer UFO-Sichtung zufrieden geben könnten, um den Tourismus anzukurbeln, aber sie insistieren auf der Marienerscheinung, indem sie u.a. durch einen Vergleich mit E.T. Matusseks Referenzrahmen als fiktional abqualifizieren und das religiöse Narrativ als potentiell wahr hinstellen. Gerri und Pfeisinger glauben zwar nicht an die katholische Lehre, aber sie glauben daran, dass diese mehr Tourist/innen anziehen oder aber den geeigneteren Tourismustypus anziehen wird. Nebenbei enthüllt sich auf science-fiktionalem Terrain, dass Matussek mit Star Trek einer globalen Völkerverständigungsutopie anhängt, während Gerri und Pfeisinger – natürlich liebenswerten – Hollywood-Kitsch im Blick haben. Es zeigt sich aber vor allem die Konkurrenz textbasierter Mythen: Star Trek vs. “Bibel”. Sowohl der pop-kulturelle als auch der religiöse Text haben eine globale, schichtenübergreifende Rezipient/innenschaft. Beide sind populär. Aber während Star Trek als pop-kulturelles Artefakt seine Fiktionalität ausstellt, u.a. weil sein Akt der Setzung in den 60er Jahren noch so präsent ist, setzt sich die Bibel absolut und erscheint aufgrund der historischen Dimension faktual, notwendig und selbstverständlich. Und das, obwohl Bibel hier metonymisch für das christliche Wissen verwendet wird, das eben nicht absolut war, sondern in den besagten Synoden und Konzilen ausgehandelt und nach und nach schriftlich fixiert wurde. Zunächst erweist sich die “Bibel” als geeignetes Bezugssystem, wird Gerris und Pfeisingers Wahl bestätigt; denn während Matusseks UFO-Landeplatz nie zu einer Tourist/innenattraktion geworden war, strömen die Pilger/innen nach Bekanntwerden der Erscheinung nach Braunschlag. Die einzigen, die restlos davon überzeugt sind, es mit Idiot/innen oder Betrüger/innen zu tun zu haben, sind der Dorfpfarrer und der vom Vatikan herbeigerufene Sachverständige für Wunder – korrekter gesagt: apostolische Visitator – Alfred Banyardi.

David Schalko, der Drehbuchschreiber und Produzent der ORF-Serie, präsentiert mit Braunschlag «eine Art Welt-Niederösterreich, wenn man Musil dafür strapazieren will. Denn Braunschlag ist, wie Kakanien und Niederösterreich, wie Musils Weltösterreich […]»[9]. Robert Musils Kakanien fehlt im Mann ohne Eigenschaften auch der Common Ground. Weil jede Figur als Repräsentant/in eines bestimmten Systems nur auf ihren eigenen Referenzrahmen fixiert ist und diese so auseinanderstreben, dass Kommunikationen keinen sinnvollen Anschluss mehr finden, konvergiert die Geschichte – im doppelten Sinn des Wortes Geschichte – gen Ersten Weltkrieg. Schalko zeigt einen ähnlich dysfunktionalen Provinzalltag im neuen Jahrtausend[10]: Gerri will den Tourismus ankurbeln, um seine krummen Geschäfte zu kompensieren. Pfeisinger will Gerris Sperma, weil er unfruchtbar ist, sich seine Frau aber nichts sehnlicher als ein Kind wünscht. Dabei bemerkt er nicht, dass Gerri und seine Frau ihn betrügen und seine Frau dabei längst schwanger geworden ist, aber glaubt, das Kind sei von Pfeisinger, weil sie wiederum nicht weiß, dass Pfeisinger unfruchtbar ist. Gerris Frau besucht derweil einen Streichelclub für Erwachsene, in dem Sex verboten ist, Menschen aber durch Hasenkostüme anonymisiert Zärtlichkeiten austauschen können. Elfies und Matusseks Vater glaubt, durch das Auflegen von Meerschweinchen von einer unheilbaren Krankheit – in Folge illegaler Atommülllagerungen – geheilt worden zu sein, was ihm aber nicht wirklich hilft, denn am Ende wird er von seinem eigenen Hund zerfleischt, dem Hund, den Matussek in jeder bedeutsamen Nacht im Wald gesucht hatte und den er am Ende ausstopfen wird. Aber aller desintegrierenden, widerstrebenden Interessen zum Trotz fungiert die Marienerscheinung kurzzeitig als kollektivierender Katalysator. Nicht alle oder eigentlich nur die wenigsten Figuren sind gläubig. Aber alle unterstellen den anderen, dass Glaubenssätze noch gelten, und setzen somit wechselseitig einen stabilen Erwartungsrahmen sowie eine stabile Erwartungserwartung voraus, die jeweils kalkuliert, um nicht zu sagen manipuliert und instrumentalisiert werden kann. Rituell und ästhetisch können die Figuren zunächst einmal oder auf den ersten Blick stimmig interagieren, weil ihnen der Katholizismus ein Skript zur Verfügung stellt. So hat Braunschlag z.B. keinen Pfarrer mehr aus den eignen Reihen, und den afrikanischen Pfarrer, den – gewissermaßen – katholischen Re-Import versteht kein Mensch:

Pfarrer: Und oft gebrauchte Wunder Weg zu Maria in Gott. Und ist er viele in Heilige Geist. Maria, Jesu in euch alle um Braunschlag, in uns, durch uns, über uns. Geht es um uns? In Kirche nicht hier. In Kirche überall. Auch wo kein Platz auf klein Stein nix passt. So geht in euch hinaus. Nehmt Kirche mit. Zu Stein und wohin ihr dann seid. Alle: Amen. (I, 36:16)

Man bestätigt sich wechselseitig mit «Amen» im katholischen Glauben und zeigt oder gibt vor, dass man weiß, um was es geht, auch wenn es sich bei dem Gesagten um eine unverständliche und in dieser speziellen Form unbekannte Zeichenfolge handelt, weil deren Versatzstücke zuvor in religiösen Texten encodiert wurden. So sagt Elfie an anderer Stelle: «Weiß doch eh jeder, was in der Bibel steht» (I, 25:25). Aber: Wenn man einen Common Ground als implizite Verständnisvoraussetzung auffasst, kann man in der Serie sehen, dass diese implizite Voraussetzung immer wieder implizit oder explizit vorausgesetzt wird, ohne dass sie tatsächlich vorhanden wäre. Zwar können sich in Braunschlag mehr Figuren auf den Katholizismus einigen als auf Pop-Kultur, aber letztlich werden sie nicht durch gemeinsame Werte, ein geteiltes Symbol oder eine geteilte ästhetische Erfahrung, sondern lediglich durch ökonomische Interessen auf gleichförmige Weise motiviert und aktiviert, und es wird klar ausgewiesen, dass letztere schließlich auch nicht als Common Ground fungieren können[11]. Zunächst strömen die Pilger/innen in den Ort. Pfeisingers Frau möchte nun T-Shirts verkaufen. Ihr Vater, der alte Matussek möchte einen kostenpflichtigen Meerschweinchen-Streichelzoo aufbauen, Matussek – seines Zeichens nicht nur UFO-Landeplatzbetreiber, sondern außerdem noch Hobbytierpräparator – kann seine Sammlung ausstellen und verkaufen. Andere veräußern Leitungswasser für 30 Euro pro Flasche. Wir haben es für eine gewisse Zeit mit dem Wirtschaftswunder Braunschlag zu tun. Alle, so die pessimistische Botschaft der Serie, lassen sich nicht durch eine spezifische Szene gemeinsamer Aufmerksamkeit kulturell binden, die eine gemeinsame Textkenntnis bzw. einen gemeinsamen Wissenshorizont, ein geteiltes Symbol bzw. eine geteilte ästhetische Erfahrung impliziert, sondern alle lassen sich nur in einem sehr unspezifischen Sinn durch Geld aneinander koppeln. Zunächst einmal schafft monetärer Tauschhandel Erwartbarkeiten und Verbindlichkeiten. Die einfachste Lesart der Serie ist die, dass der Katholizismus zu einer hohlen Form degeneriert ist, und dass das ebenso global zirkulierende Geld den eigentlich kommensurablen Wert darstellt, aber am Ende erst Recht zur Desintegration der Gemeinde beiträgt, weil die Gier nach Geld das Gebiet unbewohnbar gemacht hat, indem der alte Matussek es gegen Bezahlung als illegales Lager für tschetschenischen Atommüll zur Verfügung gestellt hatte[12]. In einem globalen kapitalistischen Netz können eben Gelder, Waren und Substanzen aller Art leicht zirkulieren. Menschen haben es da schon schwerer, denn es geht in Braunschlag die Angst vor dem Bau eines Asylbewerber/innenheims um. Überhaupt sind in Braunschlag zahlreiche, ganz heterogene Effekte der Globalisierung überdeutlich, die der – ebenso globale – Katholizismus nicht mehr richten kann oder seriöser ausgedrückt: deren Komplexität das Problemlösungspotential eines religiösen Glaubens übersteigt. Neben einer “Russen-Mafia” gibt einen afrikanischen Pfarrer, einen Auswanderer auf eine Südseeinsel, einen vatikanischen Sachverständigen, und die Tochter des Bürgermeisters kommt mit ihrem Kokain konsumierenden Freund immerhin aus der großen und weiten Stadt Wien zu Besuch. Gerri sitzt in einer bezeichnenden, metaleptischen Szene vor dem Fernseher und schaut eine Reportage, die weiße Tourist/innen bei einem vermeintlich archaischen Ritual zusammen mit einer schwarzen indigenen Bevölkerung zeigt. Wir schauen derweil auf das archaisch konstruierte Niederösterreich – hier werden Hühner geschlachtet, was nach dem Motto “Ein Huhn ist kein Schwein” als größtmögliche Konzession an Vegetarismus angesehen wird – und sehen, mit welchen – absurden – Abwehrreaktionen, Kompensationsmaßnahmen und Beruhigungsmechanismen es auf komplexe exogene Einflüsse reagiert, die aber natürlich willkommen sind, wenn sie korrupten provinziellen Interessen dienen. Schalko versetzt Globalität und Lokalität in Braunschlag in ein merkwürdiges – repräsentatives – Missverhältnis.

Dabei stellt sich ein existentieller Leerlauf ein. Nur vordergründig geht es um finanzielle Probleme, ebenso wie Geld nur vordergründig eine Lösung darstellt. Nach und nach werden die immer gleichen und doch in ihrer Singularität aneinander vorbei zielenden Lebensträume und Sehnsüchte der Figuren offenbar, die insofern unter Entfremdung leiden, als sie sich nach eben jenem Common Ground, nach gelingender Kommunikation sehnen, die durch Kirche und Geld nicht zu stiften ist. Tatsächlich kann man Common Ground hier auch einmal wörtlich als Platz oder Ort verstehen, als Idylle, also als begrenzter, überschaubarer, behaglicher Raum, in dem persönliche Beziehungen gelingen und Freundlichkeit oder Zärtlichkeit waltet, in dem man vom Vater oder der Mutter geachtet, vom Ehepartner geliebt, vom Freund geschätzt wird, man Kinder bekommt usw. usf. Das Dorf gäbe eine solche Idylle, ein eidýllion, ein Bildchen ikonographisch oder szenographisch durchaus her. Und wir erleben auch ganz selten idyllische Momente mit, die aber jeweils gestört oder verstörend sind. Man denke an Banyardis erotische Momente, die in gleißendes gift-gelblich-grünliches Licht getaucht sind (III, 07:32), oder besser noch daran, dass Gerris und Pfeisingers Männerfreundschaft über alle Affären hinweg unbeschadet bleibt: Nachdem das Dorf evakuiert wurde und auch die Ehefrauen ausgezogen sind, bleiben sie, springen Trampolin, spielen Fußball, aber: besoffen und verstrahlt (VIII, 39:28). Man könnte versucht sein, ein Zitat aus der Bibel zu bringen, denn «wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind […]» (Mt. 18,20). Die zynische Botschaft der Serie könnte lauten, dass sich ein Common Ground sehr persönlich zwischenmenschlich einstellen kann, aber eine gesellschaftliche Integration unwahrscheinlich ist, weil die postmoderne globale Gesellschaft zu komplex für solche persönlichen Eskapaden ist bzw. weil sie zu komplex ist, um sie persönlich auf einen Common Ground zu bringen, weil sich jeder Ort als Knotenpunkt in einem transnationalen Netzwerk aufgelöst hat, ohne dabei – und das ist der eigentliche Punkt – seine Provinzialität abzustreifen, wodurch kein Umgang mit der netzförmigen Globalität gefunden wird. Auch wenn das Buddy-Film-Ende rührend und menschlich anmuten mag, würde man Gerri und Pfeisinger doch keinerlei gesellschaftliche Verantwortung zutrauen, versänken sie sofort wieder in Hilflosigkeit und Dysfunktionalität, wenn sich die Gesellschaft im Dorf wieder einstellte. Schalko präsentiert eine politische Allegorie auf männerbündische Korruption – nicht nur – in Österreich, die eine Gesellschaft nicht mehr zusammenhalten kann, und Österreich wird hier einmal mehr zur Experimentalfläche für die gesamte europäische oder gar globale postmoderne Kultur, der es bei aller Globalität nicht gelingt, eine Zivilisation zu sein, und er es bei aller Provinzialität nicht gelingt, eine Gemeinschaft zu sein.

III.

Metafiktional bezogen auf die Serie und damit real oder zumindest fiktionalfaktual oder faktualfiktional bewegen wir Zuschauer/innen uns mit Matussek auf einem Common Ground bzw. die Serie etabliert und setzt gleichzeitig voraus, dass es einen pop-kulturellen Common Ground zwischen Matussek und uns gibt. Zwar verblüfft uns sein Vulkaniergruß, weil wir wissen, dass es sich um das falsche Register im Sinne der Initiatoren der Täuschung handelt, aber wir wissen sofort, was er meint, und wohl kaum jemand wird die Figur in dieser Szene unsympathisch finden können. Während Gerri und Pfeisinger ihm einreden möchten, Außerirdische seien in jedem Fall nicht real, was man von der Jungfrau Maria wenigstens nicht mit Bestimmtheit sagen könne, adressiert Matussek ein Konzept, das für uns Zuschauer/innen sehr greifbar ist: Pop-Kultur ist real. Die Serie Star Trek ist real, wenn deren Inhalt auch fiktiv ist. Unsere Rezeptionssituation war wirklich; unsere Anschlusskommunikationen stellen oder stellten echte Dialoge dar; die entsprechenden Conventions bestehen aus leibhaftigen Menschen usw. usf. Unsere pop-kulturelle Lebenswelt basiert in großem Maß auf Fiktionen, ist aber selbst nicht völlig fiktional. Während sich der Katholizismus innerhalb der Serie als Fiktion erweist und der Kapitalismus sich im Virtuellen verliert, stellt sich intertextuell und metafiktional die Faktualität der Pop-Kultur ein. Zumindest verschwimmen die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion, was uns mit der Fiktion verbindet und eine gemeinsame Deixis mit Matussek ermöglicht, aber, um es noch einmal zu wiederholen und theoretisch zu untermauern, auch Pop-Kulturen sind voraussetzungsreich und exklusiv.

Pop-Kulturen und Common Grounds setzen sich wechselseitig voraus; Pop-Kulturen basieren auf und erschaffen Common Grounds. In die Linguistik wurde das Konzept des Common Grounds u.a. von Herbert H. Clark und Edward F. Schaefer eingeführt[13]. Sehr grob gesagt, wird mit Common Ground ein – impliziter oder expliziter – gemeinsamer pragmatischer Wissenshintergrund bezeichnet, der – gelingenden – Kommunikationen vorausgesetzt werden muss, sie begleitet und wiederum von ihnen geprägt wird. Dies lässt sich auch – nun in einem allgemein kulturtheoretischen und weniger in einem spezifisch linguistischen Sinn – mit dem auf Marvin Minksy zurückgehenden Begriff des Frames beschreiben.

A frame is a data-structure for representing a stereotyped situation, like being in a certain kind of living room, or going to a child’s birthday party. Attached to each frame are several kinds of information. Some of this information is about how to use the frame. Some is about what one can expect to happen next. Some is about what to do if these expectations are not confirmed.[14]

Es handelt sich bei einem Frame um eine mentale Datenstruktur, die dazu dient, eine stereotype Situation zu repräsentieren, die angesichts neuer Situationen erinnert und aktualisiert wird[15]. Es liegen also prästabilisierte Skripte für Orte, Zeiten, Handlungen, konventionalisierte Standartsituationen etc. vor, die Verständigung erleichtern, Handlungsabläufe vorgeben, Verhaltensweisen regulieren[16]. Mediale Präformierung ist dabei von entscheidender Bedeutung, was vor allem Umberto Eco hervorgehoben hat, der sich auf Minsky bezieht, Frames aber als Szenographien bezeichnet. «Kein einziger Text wird unabhängig von den Erfahrungen gelesen, die aus anderen Texten gewonnen wurden». Die intertextuelle Kompetenz

[…] stellt einen besonderen Fall von Übercodierung dar: sie gibt die eigenen Szenographien vor. […] Die intertextuelle Kompetenz […] umfaßt alle dem Leser vertrauten Systeme. […] Tatsächlich könnte der Begriff der intertextuellen Szenographie den Topoi der klassischen Rhetorik oder den Motiven angenähert werden […].[17]

Wichtig ist also eine bestimmte literarische oder massenmediale Sozialisation, aufgrund derer intertextuelle Frames verfügbar sind. Dabei bilden sie eine Beschränkung für den prinzipiell unbegrenzten Semioseprozess, weil sie recht konkrete Vorgaben sind oder machen, unter welchem Gesichtspunkt ein Gegenstand aufgefasst wird, welche Relevanz ihm zugeschrieben wird und welche Interpretation oder Folgehandlung gewählt wird[18]. Eco weist darauf hin, dass gerade literarische Texte durchaus einen «Fundus» bemühen können, «über den nicht alle Mitglieder einer bestimmten Kultur verfügen»[19]. Außerdem stellt er fest, dass einige Texte eine scharf umrissene Zielgruppe adressieren. Frames bilden also die Voraussetzungen dafür, dass kommunikative Anschlüsse möglich sind, und sie sind ihrerseits voraussetzungsreich, sodass sie auch Ausschlüsse produzieren[20]. Man könnte sagen, wie eingangs bereits kurz skizziert, dass Frames auf “Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit” im Sinne Tomasellos basieren, die gemäß Bauer den sozial geteilten Kommunikationshintergrund bilden[21]. Damit justieren sie den korrekten Zeichengebrauch in einer Kommunikationsgemeinschaft ein. Es liegt bei Tomasello eine Spracherwerbstheorie zugrunde, die die Relevanz sozialer Partizipation, deiktischer Gesten und gemeinsamer Blickwinkel betont. Indem auf konkrete gemeinsame, geteilte Szenen verwiesen wird, stellt sich ein pragmatischer Rahmen für den Gebrauch von Symbolen und Zeichen ein, der über deren einfache Referentialisierung hinausgeht. «In verschiedenen Kommunikationssituationen kann z.B. ein und dasselbe Objekt als Hund, Tier, Haustier oder als Plage aufgefaßt werden […], wobei jede solcher Auffassungen von den Kommunikationszielen des Sprechers abhängt»[22]. Bauer konkretisiert:

Im gesellschaftlichen Zeichenverkehr kommt es darauf an, «die eigenen Handlungen und die der verschiedenen Interaktionspartner einerseits auf die ihnen gemeinsame Umwelt, andererseits aber auch auf die Gedanken und Empfindungen von ego und alter zu beziehen, die diese Handlungen motivieren oder reflektieren»[23].

D.h. Kommunikation ist stets auf eine gemeinsame Umwelt bezogen, und es kommt zu einer wechselseitigen Verständigung nicht nur über dieses Bezugsfeld, sondern auch voneinander anhand dieses Bezugsfeld. Und dieses Bezugsfeld ist in großem Maß nicht das der realen Umwelt, sondern fiktionaler oder allgemein massenmedialer Angebote. In diesem Sinne bietet Schalkos Serie uns Zuschauer/innen den Vulkaniergruß an, um uns daran zu erinnern, dass wir eine globale Rezeptionsgemeinschaft darstellen. Der Vulkaniergruß ist verbindend über die meisten soziodemographischen Schranken hinweg, aber bewirkt auch eine kommunikative Schließung oder Exklusion, weil er nur dann verständlich ist, wenn man den Text/Mythos kennt, was Zugang zu bestimmten Medien voraussetzt. Dass und wie Pop-Kulturen exklusiv und desintegrativ sein können, wird noch zu diskutieren sein und zeigt sich ja daran, dass Matussek mit seinem Vulkaniergruß im fiktiven Braunschlag alleine dasteht. Diese Insel der Einsamkeit – das Bild wird gewählt, weil in der Serie nicht umsonst eine – scheiternde – Südsee-Aussteiger-Phantasie gezeigt wird –, kann sich aber auch in eine Idylle verwandeln. Das scheint nun assoziativ hergeleitet oder weit hergeholt zu sein, wird aber an der Gestaltung Matusseks deutlich. Die letzte Einstellung der Serie zeigt Matussek von hinten in starkem Gegenlicht, das uns blendet, wie er seine Hand langsam und lässig, fast erhaben zu einem Vulkaniergruß erhebt. Ikonographisch wird hier – nicht so sehr fiktionsimmanent, sondern metafiktional – eine UFO-Erscheinung inszeniert. Wir haben hier ein Bildchen, weil die Szene tatsächlich bildhaft inszeniert wird und in ihr alles am rechten Fleck ist: Matussek auf einem Stuhl neben seinem ausgestopften Hund Bauxi auf seinem UFO-Landeplatz und gleißendes Licht, das ein UFO anzitiert (VIII, 44:55). Indem die Serie hier aus dem fiktiven Szenario springt, inszeniert sie eine Komplizenschaft mit uns Zuschauer/innen, die wir gemeinsam mit Matussek Star Trek kennen. Das Wunder stellt sich am Ende ein, weil ein ästhetisches Zeichen eben doch verbindet. Nicht in einem realistischen Gestus wird nun behauptet, die Außerirdischen seien doch real, sondern reflexiv wird an die gemeinsame Kultur mit den realen Zuschauer/innen erinnert, und so endet die Serie versöhnlich. Man freut sich für Matussek, dass er seinen Vulkaniergruß endlich im richtigen Kontext verwenden kann, und zwar in seiner abgezirkelten, kleinen Lichtung im Wald. Oder anders formuliert: Was Matussek mit der ganzen Welt verbindet, was netzartig und transnational funktioniert, nämlich die Pop-Kultur, findet seine örtliche Niederlassung auf Matusseks UFO-Landeplatz, und wir sind die verständigen Zeugen. Hätten Gerri und Pfeisinger doch lieber auf die Außeririschen gesetzt.

IV.

Insgesamt gestaltet sich die Serie ihrerseits als Element der Pop-Kultur, nicht weil es sich um eine populäre Serie handelt und sie für den ORF, also für ein breites Publikum konzipiert wurde, sondern weil ganz klar darauf gesetzt wird, dass Zusehende populär- und pop-kulturelle Anspielungen verstehen und sich auf einem Common Ground bewegen müssen, der sich durch geteilte intertextuelle Kompetenz eingestellt hat. Die Serie lebt nicht so sehr vom – wunderbaren – Narrativ, sondern verfährt sehr szenisch und bildlich, spielt permanent reflexiv auf einen Common Ground mit den Rezipient/innen an, indem sie vor Zitaten sprüht. Dabei bietet sie in einem selbstironischen Gestus nicht wenige Klischees über Österreich, etwa wenn sie an den Sexualstraftäter Josef Fritzl erinnert, aber nur so vage, dass man gerade noch in Deutschland, aber wohl kaum darüber hinaus die Anspielung verstehen würde. Und genau dadurch, dass die Serie klar abzirkelt, wer die Zitate erkennt, macht sie sich zu einer kulturell gebundenen, ästhetischen Insider-Szene und trotz beißend satirischem Gestus partiell zu einem Idyll gelingender Kommunikation. Es soll nicht darum gehen, diesen Anspielungsreichtum im Detail zu beschreiben oder Anspielungen zu decodieren, sondern es soll ein Beispiel für scheiternde Anschlusshandlungen und -kommunikationen, also wiederum für das Fehlen des vorausgesetzten Common Grounds auf der metafiktionalen Ebene geliefert werden. Eco – um noch einmal theoretisch zu werden – weist Verstehen als zirkulären Prozess aus. Er konstatiert ganz hermeneutisch, dass es keine formalisierbaren Reaktionen – als primäre Rezeption und als wissenschaftliche Betrachtung dieses Prozesses auf einer Metaebene – ohne ein sinnzuweisendes Vorverständnis geben kann. «Formale Strukturen zu isolieren, bedeutet zugleich, ihre Relevanz zu erkennen; relevant aber sind sie nur im Hinblick auf eine umfassende Hypothese, in welcher der Sinn des Kunstwerks bereits antizipiert wird»[24]. Dies lässt sich im Sinne Ecos auf jeden Text anwenden und nicht nur auf populärkulturelle Phänomene, aber diese basieren in besonders hohem Maß auf einer Partizipation, die auf Vorwissen durch mediale Präformierung basiert. Und wie exklusiv das unter Umständen sein kann, muss im Folgenden anekdotisch hergeleitet werden. Gegen Ende der Serie sehen wir den frustrierten und betrunkenen Banyardi in der Dorf-Disco (V:17:14). Ein Lied – Orango – wird eingespielt. Er reagiert mimisch schlagartig – ebenso unmittelbar und schnell wie Matussek auf die Erscheinung im Wald –, springt auf die Tanzfläche, tanzt dort wie ein Affe, und die anderen Figuren auf der Tanzfläche imitieren sofort seine Bewegungen. Die Unvermitteltheit, mit der er handelt und alle anderen ihm dabei folgen, indiziert, dass sich der Tanz nicht erst innerhalb der Diegese nach uns nach entwickelt. Banyardi kennt das Lied und den Tanz, den alle anderen aber nicht nur ganz offensichtlich auch kennen, sondern sie wissen auch alle gleichzeitig, dass hier ein Ritual zu erfüllen ist, indem sie den Tanz nicht für sich allein tanzen, sondern auf Banyardi achten und diesen imitieren. Das Zeichen Orango aktiviert also wie die Marienstatue eine Person zu einer reflexartigen Handlung, und im Gegensatz zum von Matussek allein ausgeführten Vulkaniergruß findet sich hier eine ganze Gesellschaft von Discobesucher/innen – in einem Dekor, das an das erinnert, was schon in den späten 70ern und 80ern in Dorfdiscos an ein europäisches Lieblingsurlaubsland, nämlich an Italien erinnern sollte –, die sich Banyardi anschließen. In einem deutschen Podcast zur Serie interpretiert eine Sprecherin die Szene textimmanent und meint, sie sei besonders passend, weil sich hier alle Figuren wie die Affen verhielten, die sie nun einmal innerhalb der Diegese seien[25]. Sie deutet die Szene also allegorisch. Wenn man aber über zwei abstrakte formale Frames verfügt, nämlich einen für den Ablauf pop-kultureller Rituale und einen für Markierungen von Intertextualität, ist völlig klar, dass diese Passage textimmanent ein Ritual zeigt, dessen Ablauf alle Figuren kennen, und dass sie metafiktional einen Intertext einbringt, den wir Rezipient/innen kennen sollten. Wir werden hier ganz offenkundig Zeuge einer pop-kulturellen Kollektivhandlung, die auf einer Szene gemeinsamen Aufmerksamkeit beruht. Ich – möglicherweise als Deutsche – habe also verstanden, dass die Szene signifikant ist. Aber ich habe zuerst nicht verstanden, was sie signifiziert. Die Szene wirkte seltsam genug, um beim ORF und der Produktionsfirma Superfilm nachzufragen, was es mit dem Lied auf sich habe. Diese teilten mit, dass es sich bei dem Lied Orango um eine Eigenproduktion handelt. Man kann sie weder kennen noch googeln. Sie kann also bei Rezipient/innen kein Wiedererkennen oder eine stimmige Folgehandlung anstoßen. Die Eigenproduktion wurde aus Rechte-, Lizenz- oder Urheberrechtsgründen für die Netflix-Fassung der Szene verwendet. In der ORF-Original-Fassung läuft allerdings ein anderes Lied: Adriano Celentanos Uh, Uh. Und dann ist auch alles klar. Die Szene geht auf den Film Bingo, Bongo mit Adriano Celentano zurück. Und wenn man das weiß, glättet sich das Ganze in einem hermeneutischen Sinn. Erstens: Es wird metafiktional auf einen Star, nämlich Adriano Celentano verwiesen, der in Österreich etwas beliebter war als in Deutschland und vielleicht ein wenig stärker im kulturellen Gedächtnis verankert sein dürfte[26]. Zweitens: Es wird vorgeführt, wie sich pop-kulturelle Rituale verselbstständigen, denn offenbar kennen alle Figuren das Skript aus Bingo, Bongo und reagieren dem entsprechend. Drittens: Man kann die Szene nach wie vor auch textimmanent allegorisch deuten. Viertens: Eine solche Deutung würde durch den Film Bingo, Bongo gestützt, der kultur- und zivilisationskritisch ist. Ein von Affen sozialisierter unverdorbener Mensch gelangt in die von Zwängen geprägte Gesellschaft und erlebt dann auch noch seine sexuelle Initiation. Ähnliches ist Banyardi widerfahren. Aber nun steht das Dorf Braunschlag für die verdorbene und korrupte Zivilisation, und die unschuldigsten und unverdorbensten in diesem Szenario sind letztlich der weltfremde Banyardi und der waldschratige Matussek, die aber letztlich doch global aufgestellt sind: Banyardi als Katholik, Matussek als Fernseher. Man sieht an der Serie, und sie exerziert systematisch durch, dass ein Common Ground nicht nur eine inklusive Funktion hat, sondern dass es verschiedene Common Grounds mit jeweils exklusiven Funktionen gibt.

V.

Wenn bzw. da es ästhetische/pop-kulturelle Gemeinschaften gibt oder Vergemeinschaftung auf ästhetischen/pop-kulturellen Erfahrungen basieren kann, wäre es nicht uninteressant, systematischer zu ermitteln, welche konkrete Reichweite bestimmte pop-kulturelle Common Grounds haben und an welche soziodemographischen Variablen sie geknüpft sind. Noch interessanter wäre es, pop-kulturelle Common Grounds als eigene soziodemographische Variable zu betrachten, also nicht zu fragen, was Frauen in Österreich zwischen 29 und 39 Jahren über Europa wissen und wie sie darüber urteilen beispielsweise im Vergleich mit Männern, Deutschen und anderen Altersklassen, sondern was die Trekkis im Vergleich zu den Star Wars-Leuten dazu sagen. Wenn es lediglich um Kenntnisstände geht, ähneln solche Methoden der schon existierenden Diffusionsforschung, und in dem Kontext haben u.a. Paul F. Lazarsfeld und Elihu Katz schon vor langem bekannte Arbeiten vorgelegt[27]. Aber auch Übersetzungspraktiken – ähnlich zu der Transponierung von Braunschlag vom ORF zu Netflix – können als Indikatoren für Common Grounds fungieren. Welche Sendung Peggy Bundy in Eine schrecklich nette Familie im Amerikanischen gerne sieht, weiß ich nicht. In der deutschen Fassung hat man sich in den frühen 90er Jahren entschieden, die Schwarzwaldklinik zu nennen. Dagegen nennt die Haushälterin Berta Alan Harper in Two and a half Men auch in der deutschen Version der 00er Jahre Zippy, was auf den amerikanischen Comic Zippy the Chimp aus den 50er Jahren zurück geht, den man in Österreich aber eigentlich kaum kennen dürfte, weshalb der Spitzname für österreichische – und auch deutsche – Rezipient/innen befremdlich sein dürfte. Auch in den 00er Jahren essen die Gilmore Girls in der deutschen Übersetzung «Toaster Waffeln», während in der Serie Life in Pieces in den 10ern auch im Deutschen Pop Tarts gegessen werden. Das Benennen amerikanischer Begriffe, Marken, Titel etc. indiziert, dass im Laufe der Zeit auf der Seite der Rezipient/innen eine immer größere Detailkenntnis der amerikanischen Konsum-, Populär- und Pop-Kultur vermutet wird. Aber so oder so wird sich immer wieder zeigen, dass Pop-Kulturen distinktiv und exklusiv sind. Was sich als Szene gemeinsamer Aufmerksamkeit Geltung verschaffen kann und einen Aufmerksamkeitserfolg erlangt, kann weder von Akteur/innen noch von Beobachter/innen vorhergesagt werden, aber dass eine Szene gemeinsamer Aufmerksamkeit vorgelegen haben muss, wann immer ein pop-kultureller Common Ground existiert, ist zwingend. Man muss einmal die gleiche Blickrichtung gehabt, das gleiche gesehen haben und dabei gelernt haben, wie man sich darauf beziehen und damit umgehen soll. Das hängt vom Zugang zu einem bestimmten Kommunikationsraum ab, und das ist wiederum von Verbreitungsmedien abhängig. Mittlerweile scheiden sich die Geister ja schon zwischen Fernseher/innen und Netflixnutzer/innen, den so genannten Linears und Non-Linears, die in einem Detail, dem besagten Lied sogar verschiedene Braunschlag-Versionen kennen. Und so entstehen möglicherweise je exklusive pseudo-soziodemographische Gruppen, die an die Variable “Umgang mit ästhetischen Zeichen” geknüpft sind. Pop-Kulturen sind nicht schrankenlos global und schichtenübergreifend zugänglich. Im Gegensatz zu traditionellen oder auch populistischen Grenzziehungen postulieren sie aber keine vermeintlich essentiellen Kategorien, verhüllen sie nicht ihre eigene Kontingenz, sondern stellen sie aus. Braunschlag zeigt, wie Katholizismus, Kapitalismus und diverse Populismen ihre Gültigkeit verlieren, wenn es darum geht, eine gemeinsame Kommunikationskultur zu stiften, und wie diese zu Unrecht zu diesem Zweck bemüht werden, während sich die Serie selbst samt ihrer pop-kulturellen Elemente ganz kontingent zur Disposition stellt und dabei zumindest partiell Anschlüsse findet, was einen Grund für ihren außerordentlichen Erfolg darstellt.

Literatur

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https://www.rollingstone.de/video-leonard-nimoy-erklaert-wie-der-vulkanier-gruss-entstand-377194/.



[1] Teil des Forschungsprojekts I 5049-G / SFB 1472 Transformationen des Populären (Gefördert von FWF Der Wissenschaftsfonds I 5049-G / > Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – SFB 1472 «Transformationen des > Populären – 438577023).

[2] LINK (letzter Zugriff: 20.07.2018).

[3] Hecken, Thomas/Kleiner, Marcus (2017): Einleitung. In: Hecken, Thomas/Kleiner, Marcus (Hg.): Handbuch Popkultur. Stuttgart: Metzler, S. 1-14; Hecken, Thomas (2013): Pop-Konzepte der Gegenwart. In: LINK (letzter Zugriff: 20.07.2018).

[4] Venus, Jochen (2013): Die Erfahrung des Populären. Perspektiven einer kritischen Phänomenologie. In: Kleiner, Marcus S. /Wilke, Thomas (Hg.): Performativität und Medialität Populärer Kulturen. Theorien, Ästhetiken, Praktiken. Wiesbaden: Springer, S. 53.

[5] Venus (2013), S. 65.

[6] Tomasello, Michael (2006): Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Zur Evolution der Kognition. Frankfurt am Main: Suhrkamp; Bauer, Matthias (2003): Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit. Medien als Kulturpoetik. Zum Verhältnis von Kulturanthropologie, Semiotik und Medienphilosophie. In: Ernst, Christoph/Gropp, Petra/Sprengard, Karl Anton (Hg.): Perspektiven interdisziplinärer Medienphilosophie. Bielefeld: transcript, S. 94.

[7] Baßler, Moritz (2015): Leitkultur Pop? Populäre Kultur als Kultur der Rückkopplung. In: Kulturpolitische Mitteilungen 148/1, S. 34-39.

[8] MacCannell, Dean (1986): Sights and Spectacles. In: Bouissac, Paul u.a. (Hg.): Iconicity. Essays on the Nature of Culture. Tübingen: Stauffenburg Verlag, S. 425/426.

[9] Schalko, David/Riedl, Joachim (2012): Wunderbarer Onkelstaat. Regisseur David Schalko über seine Heimatfilm-Fernsehserie Braunschlag, die im niederösterreichischen Waldviertel spielt und der Republik einen Spiegel vorhält. In: LINK (letzter Zugriff: 20.07.2018).

[10] Hintermeier, Hannes (2012): Fernsehserie Braunschlag. Robinson Crusoe lebt jetzt im Waldviertel. In: LINK (letzter Zugriff: 20.07.2018).

[11] Daher kann man Geld im Sinne Luhmanns als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium auffassen (Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 202-205, 316-320, 331/332), das aber letztlich gerade keinen spezifisch in- und exklusiven Common Ground darstellt.

[12] Mit Blick auf die Ibiza-Affäre kann man diesen Handlungsstrang als geradezu prophetisch ausweisen.

[13] Clark, Herbert H./Schaefer, Edward F. (1989): Contributing to Discourse. In: Cognitive Science 13, S. 259-294.

[14] Minsky, Marvin (1974): A Framework for Representing Knowledge. MIT-AI Laboratory Memo 306, June 1974. In: web.media.mit.edu/~minsky/papers/Frames/frames.html (letzter Zugriff: 15.02.2012).

[15] Eco, Umberto (1987): Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten. München, Wien: dtv, S. 99/100.

[16] Bauer, Matthias (2007): «Berlin ist eine ausführliche Stadt». Einleitende Bemerkungen zur Berliner Stadt-, Kultur- und Mediengeschichte. In: Bauer, Matthias (Hg.): Berlin. Medien- und Kulturgeschichte einer Hauptstadt im 20. Jahrhundert. Tübingen: A. Francke, S. 15/16.

[17] Eco (1987), S. 101.

[18] Lickhardt (2015).

[19] Eco (1987), S. 104.

[20] Es ist bezeichnend, dass Frame-Semantiker/innen oft Beispiele aus kommerziellen und ökonomischen Kontexten wählen, wenn sie gelungene Kommunikation auf Basis geteilter Erfahrungshorizonte als Voraussetzung illustrieren wollen. Minsky spricht von Kindergeburtstagen und zitiert dabei Euegene Charniak: «Charniak’s thesis (1972) studies questions about transactions that seem easy for people to comprehend yet obviously need rich default structures. We find in elementary school reading books such stories as: She wondered if he would like a kite. She went to her room and shook her piggy bank. It made no sound. Most young readers understand that Jane wants money to buy Jack a kite for a present but that there is no money to pay for it in her piggy bank». (Minsky (1974)) Eco führt seine Beispielfigur in einen Supermarkt: «Giovanni sollte eine Party geben und ging zum Supermarkt» (Eco (1987), S. 100). Dass der Begründer der Frame-Semantik, Charles J. Fillmore, Kauf-Ereignisse beschreibt, wenn ein Beispiel braucht, bei dem er von der allgemeinen Kenntnis eines zugrundeliegenden kognitiven Schemas ausgeht (Fillmore, Charles J. (1986): Frame semantics and the nature of Language. In: Harnard, Steven R./Steklis, Horst D./Lancaster, Jane (Hg.): Origins and Evolution of Language and Spreech. New York: New York Academy of Sciences, S. 20-32; vgl. Busse, Dietrich (2012): Frame-Semantik. Ein Kompendium. Berlin: De Gruyter, S. 61, 65), ist allgemein bekannt. Dietrich Busse bezeichnet den “Finanziellen Transaktions-Frame” als «Parade-Beispiel für die gesamte Frame-Theorie» (Busse (2012), S. 61). Und das ist es natürlich deshalb, weil sich Geldwirtschaft durchgesetzt hat, und damit vermeintlich (!) globale und naturgegebene kommensurable Werte und Vorgänge verhandelt werden. Man müsste die Beispiele der Frame-Semantik einmal einer diskurskritischen Meta-Analyse unterziehen. Letztlich zeigt die Serie, dass eine allzu allgemeine und abstrakte Verbindlichkeit eben keine mehr ist.

[21] Tomasello, Michael (2006): Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Zur Evolution der Kognition. Frankfurt am Main: Suhrkamp; Bauer, Matthias (2003): Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit. Medien als Kulturpoetik. Zum Verhältnis von Kulturanthropologie, Semiotik und Medienphilosophie. In: Ernst, Christoph/Gropp, Petra/Sprengard, Karl Anton (Hg.): Perspektiven interdisziplinärer Medienphilosophie. Bielefeld: transcript, S. 94.

[22] Tomasello (2006), S. 20.

[23] Bauer (2003), S. 96.

[24] Eco (1987), S. 13.

[25] LINK Minute 15:45 (letzter Zugriff: 14.09.2017).

[26] LINK (letzter Zugriff: 14.09.2017).

[27] Wenngleich man dies theoretisch ganz anders rahmen müsste. Katz, Elihu/Lazarsfeld, Paul (1955): Personal Influence. New York: Transaction Publishers; Katz, Elihu (1973): The two-step flow of communication. An up-to-date report of an hypothesis. In: Enis, Ben M./Cox, Keith K. (Hg.): Marketing Classics. Boston: Prentice Hall.