Barbara Di Noi

(Firenze)

Baudelaires «Les Phares» und Nietzsches Gedicht
«Das Feuerzeichen» aus dem Zyklus «Dithyramben des Dionysos»

[Baudelaire’s «The Beacons» and Nietzsche’s Poem «The Fire Signal»
from the Cycle «Dithyrambs of Dionysus»
]

abstract. This essay reflects on the aesthetic and rhetorical strategies used by Nietzsche and Baudelaire in two poems, which at first glance scarcely show any resemblance. The poems are Baudelaire’s Les Phares and Nietzsche’s Feuerzeichen from the late Dithyramben. In both cases, the central image of the Lighthouse and the Symbol of Light refer to the diffi­cult relationship of the “Great Man” to the crowd; but they are also linked to the idea that “Great Men” follow their destiny of loneliness and are like stars, whose light will not be seen by others until after their death.

Bezüglich des Dithyrambus Ruhm und Ewigkeit hat schon Wolfram Grod­deck in seiner gründlichen Studie auf den Einfluss Baudelaires hingewie­sen[1]. Die Anregung zur Lektüre der Fleurs du Mal «dürfte von Paul Bourget ausgegangen sein», wie Groddeck mit Anlehnung an Pestalozzi (1978) be­hauptet[2]. In Frage kommt für Ruhm und Ewigkeit Baudelaires Gedicht Le voyage, wo das Bild der ballons in Verbindung mit den «vrais voyageurs» auf­taucht. Der Vergleich mit dem Balle kehrt bei Nietzsche in einer Notiz aus dem Jahre 1888, wo von den höheren Menschen gesagt wird: «In die Höhe gedrückt, gleich dem Balle – das nennen sie steigen» (KGW VII 1, 654). In Verbindung mit der aufsteigenden Bewegung stellt der stark dynamische Trieb das Bindeglied zwischen dem französischen Dichter und Nietzsches produktiver Rezeption[3] im Rahmen der Dithyramben dar, wo das ursprüng­liche «Voyage»-Thema zur «Welt-Flucht» der höheren Menschen wird. Da­mit verbunden ist der Fluch des Ruhms, der als Prostitution und Erniedri­gung des Dichters abgelehnt wird[4].

Hier wird die These vertreten, dass auch für Das Feuerzeichen der Einfluss Baudelaires von Belang ist. Bereits bei der Wahl des Titels könnte das pro­grammatische Gedicht Les Phares Pate gestanden haben[5]. Les Phares gehört nicht zu den Gedichten, die sich Nietzsche in seinem Exemplar angestri­chen hatte. Trotzdem teilt es mit den vermerkten Gedichten (Le Masque, Elévation, Hymne à la Beauté, L’amour de Mensonge, L’homme et la mer, De profundis clamavi, Le voyage)[6] den erhabenen Ton, das allegorische Verfahren, den stark selbstreflexiven Inhalt samt dem Hinweis auf die leere Transzendenz.

1. Ruhm und Wirkungsabsicht

Wie Benjamin erkannte, sind die ersten Gedichte der Fleurs «sämtlich der Figur des Dichters gewidmet. Aus ihnen geht, gerade indem der Dichter sich auf ein Amt und einen Auftrag beruft, hervor, daß die Gesellschaft keine solchen mehr zu vergeben hat»[7]. Die polemische Gegenüberstellung von Dichter und Gesellschaft samt der unsicher gewordenen Lage des Au­tors innerhalb einer Ordnung, die von der Betîse beherrscht ist, schreibt sich in Baudelaires Anwendung der Allegorie hinein. Wie bekannt hat Benjamin diese als Widerspiegelung derselben Gewalttätigkeit ausgedeutet, mit der der Dichter sich gegen die Vermarktung des eigenen Werks wehrt. Darüber hinaus besteht der zerstörerische Trieb der Allegorie in der Zerstückelung jeglicher organischen Einheit. Die Gewalt, die in Baudelaires Allegorie zum Ausdruck kommt[8], stammt aus dem Willen zur Unterbrechung des Welt­laufs, der mit einer entschiedenen Abweisung des Fortschrittsgedankens zu­sammenhängt; auch Nietzsche hat jede Idee des Fortschritts für sinnlos in Sache der Kunst gehalten und als solche abgewiesen[9].

Gegen Benjamin, der der Dichtung Baudelaires eine kurzerhand politi­sche Interpretation unterschoben hätte, hat sich Karl Heinz Bohrer über­zeugend geäußert[10]. Bohrers Bedenken gilt besonders dem Schock-Begriff, der wie bekannt im Mittelpunkt von einigen Interpretationen Benjamins steht (Über einigen Motiven bei Baudelaire mit Bezug auf das Gedicht A une passante); ausgerechnet der Schock-Begriff prägt darüber hinaus Benjamins Auffassung der Allegorie. Bohrer ist nämlich der Meinung, der Begriff finde in Benjamins Baudelaire-Interpretation nur eine vage, zu unbestimmte An­wendung[11]. Benjamin habe nämlich die temporale Bedingung nicht beach­tet, die keinen Gedächtnisraum zur Vergegenwärtigung der mythischen Fi­gur (etwa Andromache in Le Cygne) zulässt.

Ein gewisser Trieb zur Fragmentierung kündigt sich in Nietzsches Feu­erzeichen und besonders in der Genitivmetapher «Trümmer alter Sterne» an, wo «Trümmer» als Apposition der «verschlagenen Schiffer» vorkommt und an derselben Tendenz zur Versteinerung des Organischen teilnimmt, die das Gedicht als Ganzes durchzieht[12]. Ich vermute, dass hier etwas von der Phantasmagorie vom Lumpensammler weiterwirkt[13], die in der Bildlichkeit von Baudelaires Pariser Tableaux eine Zentralstelle einnimmt, und die mit der Allegorieauffassung des 19. Jahrhunderts zusammenhängt. Eine solche dekonstruierende Tendenz wirkt auf Nietzsche weiter, nur dass sie in Ge­gensatz zu Baudelaires Vision der Großstadt auf eine angeblich natürliche Landschaft transponiert wird[14].

Bei Nietzsche und Baudelaire geht es schließlich um einen Prozess der Ich-Verdinglichung, der bis zur Ich-Versteinerung getrieben wird. Das Ich veraltet, indem es von der eigenen Vergangenheit Abschied nimmt. Dies ließe sich auch mit Bohrers Theorie der Trauer versöhnen: die Vergangen­heit – sowohl die persönliche und als auch die geschichtliche – erscheint hier als Katastrophe; die Figuration des vereinsamten, isolierten Einzelnen, der sich polemisch der Menge entgegensetzt, hängen in beiden Dichtern mit der Bildlichkeit der Ruinen zusammen. Es ist kein Zufall, dass Nietz­sche im Zusammenhang mit dem französischen Dichter einen berühmten Horaz-Vers fand: «Ridentem – statt «impavidum» der Vorlage – ferient ru­inae». Den Vers hatte Gautier als Umschrift einer Photographie aus Bau­delaires letzten Jahren benutzt. Aber gerade den Vers hatte Baudelaire sel­ber in der Verteidigungsschrift verwendet, wo er Heinrich Heine gegen Janin in Schutz genommen hatte. Diese Schrift, die Baudelaire nie zur Lebenszeit veröffentlichte, konnte Nietzsche in seiner Crépet-Auflage der Fleurs fin­den.

Die Bildlichkeit der Insel, die entstehungsgeschichtlich zum ältesten Kern von Nietzsches Dithyrambus gehört, stellt in Form der metaphori­schen Versteinerung eine psychische Lage dar[15]. Die Verschmelzung von psychischer Gestimmtheit und äußerer Situation regiert die Textur des gan­zen Dithyrambus, wo das Ich und die öde, fast trauervolle Seelandschaft als umtauschbare und sogar aufeinander bezogene Elemente vorkommen. Ausgerechnet auf der Möglichkeit solchen Umtausches beruht das allegori­sche Verfahren, das darüber hinaus den Umschlag oder besser das Verlegen des Innen nach Außen voraussetzt. Die Aufhebung des Gegensatzes zwi­schen einem vermeintlichen Kern, der sich als Innerlichkeit stellt, und der in diesem Fall versteinerten physis erweist sich als Prinzip der zahlreichen Zusammensetzungen, die im Dithyrambus ausgestreut sind. Man könnte sogar behaupten, dass Nietzsches Komposita mit Metaphern, Vergleichen und Katachresen bei Baudelaire gleichzusetzen sind; der überwiegend no­minale Stil, der daraus resultiert, steigert den Eindruck einer erfrorenen, er­starrten Landschaft. Als Apposition der aus dem Meeresgrund aufsteigen­den Insel erscheint bei Nietzsche das Kompositum «Opferstein», das deut­lich den Tod und Selbsthingabe des Subjekts andeutet. Die Technik der Zu­sammensetzungen führt zur allegorischen Intention, die wiederum auf die Zerstörung des ästhetischen, harmonischen Scheins abzielt, an dessen Stelle sie die schriftlichen Zeichen aneinanderreiht[16]. Als Buchstaben einer Schrift, recte als syntagmatische Aufeinanderfolge von Zeichen, die auf die Schrift verweisen, symbolisiert diese «zusammengesetzte» Landschaft die Erset­zung des Ich durch die geschriebene Seite; das Subjekt wird also durch das eigene Werk abgelöst. Dies könnte neues Licht auf jene «konzentrische Stel­lung» des Gedichts selber im Zyklus der «Dionysos-Dithyramben» werfen, die Groddeck zurecht hervorgehoben hat[17]. Wie ein Feuerzeichen oder ein Leuchtturm ragt das Ich über das eigene fragmentarische Werk auf wie über eine tote Ruinenlandschaft, worüber es wacht. Obwohl der «schwarze Him­mel» auf die Nacht hinweist, kann man auch im fünften Dithyrambus eine ähnliche Opposition zwischen letheischer, horizontaler Fläche des Meers und vertikalem Aufschwung erblicken, die im Zarathustras «Großen Mit­tag» (IV) die Bildlichkeit der Ewigkeit prägte. Nicht anders als Baudelaires Polarität von spleen und idéal ist auch Nietzsches Auffassung der Ewigkeit immer vom Bewusstsein des nahen Untergangs des Ich geprägt. Nur auf Kosten des eigenen Schwundes und Selbsthingabe ist die Ewigkeit als Selbst-Vernichtung zu erreichen.

Es böte sich hier ein möglicher Schlüssel zum Verständnis des rätselhaf­ten Oxymoron «todtenstiller Lärm»[18]; diese Formulierung ist wiederum auf die Aufhebung einer Polarität zurückzuführen. Es geht nämlich hier um die Opposition «Stille»/«Lärm», wo die akustische Wahrnehmung auf das Er­tönen der Sprache hinweist, während die Todesstille das Aufhören jeder Sprache beschwört, das das Versinken des Bewusstseins ins Nichts beglei­tet. In seinem berühmten Sonett Correspondances hatte Baudelaire vom «lan­gage des fleurs und des choses muettes» gesprochen; er hatte eine Sprache beschworen, die dort anfängt, wo die menschliche Sprache aufhört. Diese Sprache, die das Ende der Wortsprache überhaupt voraussetzt, lenkt die Aufmerksamkeit auf die Musik als ideales Medium des dionysischen Erleb­nisses. Nietzsche strebt wie Baudelaire vor ihm nach der Überwindung je­der anthropozentrischen Bildlichkeit; nicht anders als Baudelaire ist er auf der Suche nach einer «neuen» Sprache, wodurch sich der Tod, bzw. das Aufhören des Subjekts aussagen ließe: diese Suche geht mit der Erkenntnis einher, dass das Tote, Versteinerte und Inorganische dem Lebendigen und Organischem überlegen ist. Im Rahmen solcher Überlegenheit, die wiede­rum das Streben des Lebendigen nach der Rückkehr zum inorganischen, lethargischen Zustand begründet, ließe sich die totenhafte Meerlandschaft ausdeuten. Das Meer, das auch bei Baudelaire als «Spiegel der Melancholie» auftritt, ist das wichtigste Symbol, das in seinen Gedichten auf den ständi­gen Wechsel von Tod und Leben hinweist. Oder man denke etwa an Invita­tion au Voyage, wo die Meerfahrt auf die Suche nach dem «nouveau» hinweist und das Neue mit dem Tod zusammenfällt. Meer und Musik bringen dar­über hinaus beide Dichter in Verbindung: so erkennt bei Baudelaire die menschliche Seele im Meer der Töne sich selbst, während bereits beim jun­gen Nietzsche der Rhythmus der Wellen (Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen) auf das ewige Spiel der Gegensätze, auf die ständige, ziellose Abwechslung von Schaffen und Zerstören hinweist.

Mit höchster Prägnanz spricht Bohrer von «Gleichzeitigkeit von Glück und Unglück, von Präsenz und Schwinden der Präsenz»[19]. Das Bindeglied zwischen insularischer Bildlichkeit des Dithyrambus und Zarathustras «gro­ßem Mittag» stellt die Erläuterung der Bizetschen Musik dar, die ebenfalls in die Konstellation des alkyonischen Augenblicks gehört[20]. Also umfasst Nietzsches höchst komplexe Auffassung des Glücks den «großen Mittag» Zarathustras wie die afrikanische Heiterkeit von Bizets Musik, die schwarze und tödliche Meer-Landschaft des fünften Dithyrambus. Dass Bewusstsein des Glücks bei ihm mit dem Abschied vom Glück selbst zusammenfällt, hat mit der gegenseitigen Feindseligkeit zu tun, die Denken und Selbster­kenntnis dem wahren Glück entgegensetzen. Die Intuition eines Glücks, das nur solange dauern kann, bis es sich selbst nicht kennt, umschreibt Nietz­sche mit der Konstellation einer «unschuldigen Musik»: einer Musik näm­lich, die erst in der Verkennung von sich selbst bestehen darf, was in den Dithyramben dem «grossen Schweigen» des Meers entspräche.

Mir liegt hier nicht daran, mechanische Korrespondenzen zwischen Bau­delaire und Nietzsche festzustellen; noch weniger gehe ich von Nietzsches passiver Übernahme bzw. Rezeption vereinzelter Bilder des französischen Dichters aus. Mit einigen davon war Nietzsche allerdings schon lange vor der Lektüre Baudelaires vertraut, wie etwa die Metapher der untergehenden Sonne aufzeigt, die er zunächst von Schopenhauer und später von Emerson übernahm[21]. Im Rahmen der Dithyramben unterliegt jedoch das Motiv einer semantischen Verschiebung; die ursprünglich erkenntnistheoretische Be­deutung der Vorlage – bei Schopenhauer kommt nämlich die Sonne als Me­tapher des Willens und besonders des Willens zum Untergang vor – tritt in den Schatten der poetologischen Reflexion zurück: Da Nietzsche jetzt «nur Narr, nur Dichter» sein will, kommt dem alten Bild eine überwiegend äs­thetische und selbstreflexive Prägung zu.

Mir liegt vielmehr daran, auf eine gewisse Wahlverwandtschaft zwischen Nietzsche und Baudelaire aufgrund einer ähnlichen Auffassung des dichte­rischen Berufs und des Subjekts überhaupt aufmerksam zu machen. Von jeweils verschiedenen Gesichtspunkten her haben beide Dichter die Krise der traditionellen Idee des cartesianischen Subjekts erlebt. An die Stelle die­ses einheitlichen Ich tritt jetzt ein Subjekt auf, das sich aus einer Mannigfal­tigkeit von Rollen und Masken zusammensetzt. Ein Ich also, das weder Kern noch Schale hat, ein Individuum, das sich als Dividuum erweist und sich über den gemeinen Gegensatz von Leiden und Handeln hinwegsetzt. Im Gedicht L’heautontimoroumenos («Der Selbsthenker») sagt Baudelaire: «Je suis la plaie et le couteau! […] Et la victime et le bourreau! Je suis de mon coeur le vampire …»)[22]. Im Dithyrambus Zwischen Raubvögeln liest man: «Jetzt – / von dir selber erjagt, / Deine eigene Beute, / in dich selber ein­gebohrt»: Auch hier begegnet uns das Ich als Selbsthenker, und dies viel­leicht wegen der tragischen Unfähigkeit, den Trieb zur Selbsterkenntnis los­zuwerden.

Eine solche neue Auffassung des Subjekts als Herde und aus einer Man­nigfaltigkeit von Teilen zusammengesetzt, die sich nur noch perspektivisch zur Einheit reduzieren lässt[23], bringt die Desavouierung der übertragenen poetologischen Formen mit sich: in einer Welt ohne Subjekt – wo das Ich sich als grammatische Funktion bzw. Fiktion enthüllt – gerät auch die über­nommene Erlebnisdichtung ins Wanken; dies geht auf formaler Ebene mit dem Umstand einher, dass auch die Grenze zwischen Poesie und Prosa flie­ßend wird, was von den jeweiligen Zeitgenossen eher als Mangel rezipiert wurde. Sie warfen der Dichtung Nietzsches und Baudelaires vor, mehr pro­saisch/philosophisch als lyrisch zu sein[24]. Beiden wurde überhaupt eine Ar­mut an «Naturbildern» vorgeworfen[25].

Eine weitere Verbindung lässt sich bei beiden Dichtern zwischen den Begriffen von Glück und Rhythmus herstellen. Noch ehe er Baudelaire las, hatte Nietzsche in Menschlich Allzumenschliches nach der Metapher des Tanzes in Ketten gegriffen, um auf den Rhythmus hinzuweisen, der der Dichtung und der Prosa nicht weniger als der Musik innewohnt[26]. Im Aphorismus 92 der Fröhlichen Wissenschaft theorisiert er den poetischen Wert der Prosa: «Man beachte, dass die großen Meister der Prosa fast immer auch Dichter gewe­sen sind, sei es öffentlich oder auch nur im Geheimen und für das Käm­merlein»[27]. Die Verwischung der Grenze zwischen philosophischer Refle­xion und Dichtung geht mit der Durchdringung von Prosa und Poesie ein­her, die sich bei Baudelaire und Nietzsche als höchstes Ideal erweist. So konnte Baudelaire in seinem Vorwort zu den Kleinen Prosagedichten schrei­ben: «Wer hat nicht vom Wunderwerk einer poetischen Prosa geträumt?» («Qui n’a pas rêvé le miracle d’une prose poétique?»).

Was Baudelaire über die beschwörende Macht von Rhythmus und Pro­sodie sagt, deckt sich teilweise mit dem Rhythmus-Begriff des jungen Nietz­sche. In seinen Vorlesungen über die griechische Rhythmik hatte bereits der junge Philologe den Unterschied zwischen rhythmos (Ordnung) und rhyth­mizomenon (geordneter Stoff, was sich auf rhythmische Weise ordnen lässt) festgestellt. Schon damals verstand Nietzsche in seiner antidetermi­nistischen, äußerst dynamische Auffassung den Rhythmus als die vorläufige Form, die eine unfeste, der fortwährenden Verwandlung ausgesetzte Mate­rie im selben Augenblick einnimmt, als sie sich in Bewegung setzt. Dieser augenblicklichen und äußerst wandelbaren Form entspricht etwa die flüch­tige Bewegung der Wellen. Bei allen Musikern, auf die er sich später als Gegenpol zur Musik Wagners berief, hob Nietzsche die Eigenschaften der tänzerischen Leichtigkeit und den tanzenden oder wiegenden Rhythmus hervor. So etwa im Fall von Chopins Barcarole[28] oder Bizets Carmen.

2. «Les Phares» und die «erstarrte Unruhe».

In Baudelaires Gedicht Les Phares wird jeder Maler metonymisch durch das eigene Werk vergegenwärtigt. Der Künstler hat sich in eine imaginäre Malerei, eine künstlerische Landschaft verwandelt, die jedoch keinem be­stimmten, tatsächlich von dem jeweiligen Künstler gemalten Werk ent­spricht. Geschichtsphilosophisch stellt Les Phares die Idee des Fortschritts in der Kunst radikal in Frage.

Wie Cornelia Klettke richtig erkennt, die an Baudelaires Gedicht eine gründliche Analyse gewidmet hat, durchdringt die Opposition von Spleen und Idéal das gesamte Textsystem[29]. Die ersten acht Strophen präsentieren eine ideelle Pinakothek, sind gleichsam ein imaginäres Museum oder Gale­rie, wo Baudelaire sieben Maler aus verschiedenen Epochen und unter­schiedlicher Herkunft sammelt. Auch die Auswahl der Künstler scheint jede gewöhnliche Erwartung enttäuschen zu wollen: was haben nämlich Wat­teau und sogar Puget, ein Bildhauer, mit Goya, Michelangelo, Leonardo da Vinci gemeinsam? Solche bizarre und höchst willkürliche Sammlung ist je­doch auf die Apotheose des «peintre-Poète» Delacroix orientiert, der hier als Identifikationsfigur des Dichters und somit als Paradigma des modernen Künstlers überhaupt auftritt. Hier liegt wie gesagt keine exakte Beschrei­bung der Werke vor. Metaphorizität und Allusionstechnik stehen eher im Dienste einer Ersetzung des jeweiligen Künstlers mit dem Werk. Es handelt sich um acht «Miniaturportraits», gleichsam Medaillons, wobei jeder Künst­ler durch eine Häufung von Metaphern charakterisiert wird[30]. Mit der Be­schwörung Delacroix’ eröffnet das Gedicht autoreflexive Perspektiven. Wie der Maler betrachtet auch Baudelaire die ganze sichtbare Welt als ein «ma­gazin d’images et des signes», wo alles zur Allegorie wird. Noch wichtiger erscheint mir, was Cornelia Klettke gegen Ende ihrer Interpretation sagt: «Es scheint, als konstruiere Baudelaire mit seinem Identifikationsmodell eine Konstellation, die einem Sonnensystem gleicht»[31].

Das hat mit derselben konzentrischen Auffassung zu tun, die Blanquis Kosmologie ins Weltall projiziert[32]. Baudelaires Wandlung der Allegorie und Blanquis L’eternité par les astres haben die Struktur der «erstarrten Un­ruhe» gemeinsam. Einen konzentrischen Bau konnte Groddeck anhand ei­ner gründlichen Analyse auch als Gerüst des Gedichts Das Feuerzeichen fest­stellen[33]. Aus der Abhandlung Fatum und Geschichte des jungen Nietzsche (Osterferien 1862) geht ganz klar hervor, wie das Denkbild der kreisenden Laufbahnen Nietzsche von vornherein vertraut war. Hier bedient er sich nicht mehr der übertragenen Vorstellung von «Stufen», sondern des Bildes von umeinander bewegenden Kreisen: «Alles bewegt sich in ungeheuren immer weiter werdenden Kreisen um einander; der Mensch ist einer der innersten Kreise»[34].

Wenn man davon ausgeht, dass in Baudelaires Gedicht die einzelnen bil­denden Künstler ersatzweise für ebenso viele Sterne ein und derselben Konstellation stehen, dann ergibt sich eine ähnliche konzentrische Struktur von kreisenden Laufbahnen, wie sie Blanqui im letzten Kapitel des genann­ten Werks umrissen hatte. Auch bei Nietzsche ist seit dem Zarathustra die Gleichsetzung von Sonne/Gestirn und höherem Menschen anzunehmen. Nicht anders als in der «erstarrten Unruhe», die der Allegorie ihre oxymori­sche Struktur verleiht, halten sich in Nietzsches Feuerzeichen zwei gegenläu­fige Bildlichkeiten die Waage: die eine verweist auf die Erstarrung und Ver­steinerung und dient zur Beschwörung einer zeitenthobenen Urlandschaft; die andere besteht aus Luft, Rauch, züngelnde Flamme, bewegliche Schlange. Diese zweite metaphorische Reihe ruft zusammen mit den Wellen die ge­gensätzliche Vorstellung der Flüchtigkeit und unaufhaltsamen Wandels her­vor. Ein solcher Gegensatz von Versteinerung und Bewegung, Erstarrung und Auflösung geht mit der geradezu rhythmischen Abwechslung von Ein­zelheit und Mannigfaltigkeit, von Singular und Mehrzahl einher, die das Ge­dicht bis zur mikrologischen Struktur durchzieht.

Zur Zeit von Ecce Homo wird Nietzsche ausgesprochen zu seinem eige­nen Leser; was die rhetorische Suche nach der Wirkung begründet[35]. Aus diesem Grund spielt er eine Doppelrolle: er will Dichter und Philosoph, Künstler und Kunstkritiker, aber zugleich Dichter, Philologe und Selbst­deuter sein. In diesem Sinne werden ihm die eigenen Werke zu «Zeichen», aus denen sich das eigene Ich rückwärts herauslesen lässt. Bei Nietzsche könnte die Absicht, das eigene Werk gleichsam in verkehrter Abspiegelung zu lesen, als ganz für sich existierend und selbständig für die Gebärde der Umkehrung zuständig sein: Darüber hinaus könnte das Bestehen auf solche Selbständigkeit des Werks vom eigenen Urheber das zyklische Auftauchen des Zeichenmotivs begründen[36]. Eng mit der Zeichenhaftigkeit hängt das Thema des Ausdrucks zusammen[37]. Groddeck schlägt zurecht vor, das «Fragezeichen» als Grundfigur des eigenen Werkes zu lesen[38]. Das Frage­zeichen ist allerdings auch das Ergebnis einer Verwandlung: die Schlange, die alttestamentarische Allegorie der Sünde und der Verführung, wird eben zum Fragezeichen. Hier verführt die Schlange zur Selbsterkenntnis. Die Su­che nach dem eigenen Selbst kann und darf zu keinem eindeutigen und endgültigen Ergebnis gelangen; darauf verweist die ironische Verwandlung der Schlange selbst.

3. Kosmologie der ewigen Wiederkunft

Im Rahmen von Nietzsches Zyklus stiftet die Wiederkunft des Wortmo­tivs «Zeichen» die wichtigste Korrespondenz zwischen fünftem und achtem Dithyrambus, wie Groddeck erkannt hat[39]. Zurecht bemerkt er diesbezüg­lich eine perspektivische Umkehrung, die sich im Übergang vom fünften zum achten vollzieht[40]. Auch hinsichtlich anderer Gebärden und Motive bestimmt das Prinzip der perspektivischen Umkehrung das Verhältnis zwi­schen den einzelnen Gedichten des Zyklus. In Ruhm und Ewigkeit ist etwa das lyrische «Ich», das «aus fernsten Fernen» ein Zeichen sieht, und zwar ein sinkendes Sternbild. Im fünften Dithyrambus ist hingegen das Zeichen mit dem lyrischen Ich identisch, und ausgerechnet dieses Zeichen wird aus der Ferne von unbekannten Zuschauern wahrgenommen:

Meine Seele selbst ist diese Flamme,
unersättlich nach neuen Fernen
lodert aufwärts, aufwärts ihre stille Gluth.

Das Kompositum Sternbild bezieht sich hier nicht auf den einzigen Stern, sondern auf eine Sterngruppe, eine Konstellation also; die Zusam

Friedrich Nietzsche: Nietzsche’s Werke, Band VIII.
C. G. Naumann, Leipzig 1906, S. 425.

mensetzung «Sternbild» wird somit zum Träger einer kosmologischen Auf­fassung, die in den gestirnten Himmel die Vorstellung der ewigen Wieder­kunft, der Vervielfältigung und Wiederholung projiziert. Wie in einem Kurzschluss führt die Konstellation zum Zeichen- und Zahlmotiv zurück; so entsprechen in Ruhm und Ewigkeit den sieben Einsamkeiten die sieben Sterne, die wiederum auf verschiedene Dichter hinweisen. Es wäre also möglich, in diesem Zugriff nach dem Zahlmotiv einen Hinweis auf die in­tertextuelle Dimension einzusehen. Wie Groddeck sehr scharfsinnig be­merkt, wird in Ruhm und Ewigkeit die thematische «siebente Einsamkeit» des Gedichts Das Feuerzeichen zum kompositionellen Prinzip[41]. Daraus zieht er die Folge, dass das Sternbild sich als «Siebengestirn», d.h. als Plejaden aus­deuten lässt[42].

Auch in Baudelaires Gedicht Les Phares kommt die Zahl sieben vor. Sie­ben sind nämlich die Maler, die dem achten, Delacroix, also dem Leucht­turm der modernen Kunst vorangehen und dessen düstere Apotheose gleichsam vorbereiten. Dem «Sieben» haftet also Zeichencharakter an. Die Wiederkehr der Zahl stellt darüber hinaus bei Nietzsche eine Verbindung zwischen den Dithyramben Das Feuerzeichen, Die Sonne sinkt und Ruhm und Ewigkeit her. In Baudelaire vorletzten Strophe befindet sich sogar die drei­fache Wiederholung der Zahl «tausend», wo «mille» offensichtlich auf die unendliche und vergebliche, trostlose Wiederkehr des Gleichen verweist:

C’est un cri répété par mille sentinelle,
Un ordre renvoyé par mille porte-voix;
C’est un phare allumé sur mille citadelles,
Un appel de chasseurs perdus dans les grands bois!

[Ein Schrei, den tausendfach die Schildfach wiederholt,
Verstärkt durch tausend Stimmen, ein Befehl;
Ein Feuer angefacht auf tausend Zitadellen,
Ein Ruf von Jägern, die verloren in den großen Wäldern irren!]

Die Zahl hat also einerseits mit der Wiederholung zu tun, sie weist an­dererseits auf den perspektivischen Wandel ein und derselben Substanz hin, die sich unter immer neuen Masken verbirgt. Ähnliches hatte Baudelaire in seinen Tableaux Parisiens zum Ausdruck gebracht und dies ganz besonders dort, wo das Ich (ironischerweise auch als «héros» bezeichnet), einer ano­nymen Menge («la foule») gegenübersteht, oder wo es in der Vervielfälti­gung einer Figur, die wie in einem Spiegelbild siebenmal multipliziert wird (Les sept Vieillards), den Reflex der eigenen Spaltung wie in einer Halluzina­tion erblickt. So schrieb Baudelaire selber in den Fusées, einem Text, den Nietzsche las und tief verstand: «Le plaisir d’être dans les foules est une expression mystérieuse de la jouissance de la multiplication du nombre … Le nombre est dans tout … L’ivresse est un nombre … Ivresse religieuse des grandes ville»[43].

Auch Nietzsche spricht in den Fragmenten vom Frühjahr-Sommer 1883 von der «Lust an Seines-Gleichen, als seinen Vervielfältigungen»; er fügt jedoch hinzu, sie sei nur dann möglich, «wenn man an sich selber Lust hat»[44].

Es ist wohl möglich, dass Baudelaire die Intuition der «ivresse du nom­bre», des Rausches der Vervielfältigung einem anderen Dichter verdankt, jenem Henri Heine, der er gegen Janin und die Betîse der Bildungsphilister seiner Zeit in Schutz genommen hatte. Von ihm kannte Baudelaire nicht nur das Buch der Lieder, sondern auch die Salons, deren Wichtigkeit für seine eigene Kunstkritik kaum zu überschätzen ist[45]. In einem der Salons hatte Heinrich Heine seine mystisch anmutende Auffassung der Zahl ausgelegt. Aus der folgenden Stelle geht u.a. hervor, wie eng das Zahlenmotiv mit dem Ausdruck, d.h. mit dem zeichenhaften und notwendigerweise mangelhaften Hinweis auf das Unaussprechliche zusammenhängt:

Man kann die Ideen, wie sie in unserem Geiste und in der Natur sich kundgeben, sehr treffend durch Zahlen bezeichnen; aber die Zahl bleibt doch immer Zeichen der Idee, nicht die Idee selber. Der Meister bleibt dieses Unterschieds noch bewußt, der Schüler aber vergißt des­sen und überliefert seinen Nachschülern nur eine Zahlenhieroglyphik, bloße Chiffren, deren lebendige Bedeutung niemand mehr kennt […] das Geistige in seiner ewigen Bedeutung erlaubt kein Fixieren.

In seiner Einleitung der platonischen Dialogen hatte Nietzsche mit Bezug auf den Timaeus auf das mathematische Wesen der Weltseele verwiesen:

Zwischen dem Sinnlichen u. den Ideen steht nur das Mathematische in der Mitte. Nun aber hält auch die Weltseele die Mitte zwischen den Ideen u. dem Sinnlichen, also muß sie der Gattung der mathemat. Dinge angehören.[46]

4. Glück und Wille zum Untergang

Das Glück, das sich bei Nietzsche und Baudelaire im Rhythmus reali­siert, involviert den Selbstmord bzw. Opfertod des Subjekts und zielt somit auf die Wiederherstellung einer Ureinheit, die den Schranken des principium individuationis vorangeht. Deshalb bezeichnet Nietzsche die Insel als Opfer­stein: nur im Zeichen des Todes und des nahen Untergangs darf das Ich vorläufig zur Selbstbehauptung kommen, um kurz darauf wieder ins Nichts zu versinken. Der Augenblick vor dem Untergang, als die Sonne, d.h. der höhere Mensch seine ganze Kraft und Wärme ausstrahlend schenkt und großzügig verschwendet, hat wiederum mit demjenigen Glück zu tun, das sich schon im Spiel von Eraklits königlichen Kinder als prekäre Ausbalan­cierung von Schöpfung und Zerstörung ankündigte. Nietzsche hat eine Stelle aus Baudelaire übersetzt, an der die «schönen Schiffe», die unmerklich auf dem ruhigen Wasser schwanken, zur Metapher des Glücks werden. Fol­gende Stelle befindet sich in Baudelaire Bekenntnisprosa Fusées: «Ces beaux et grands navires, imperceptiblement balancés (dandinés) sur les eaux tran­quilles, ces robustes navires, à l’air desoeuvré et nostalgique, ne nous disent-ils pas dans une langue muette: quand partons nous pour le bonheur?».

So lautet Nietzsches ausgezeichnete Übersetzung: «Diese großen schö­nen Schiffe, unmerklich schwankend auf dem ruhigen Wasser, diese starken Fahrzeuge, mit müßiger und von Heimweh redender Miene, sagen sie uns nicht in einer stummen Sprache wann reisen wir ab pour le bonheur?»[47].

Nach Groddeck gilt «Glück» als hermetische Metapher des Gedichts und des Werks überhaupt[48]. Das Paradox eines Glücks, dass erst dann kommt, wenn man zu müde ist, geht deutlich aus dem fünften Dithyrambus hervor, in dem sich eine Korrespondenz zwischen Lichtfeuer und unterge-hender Sonne herausstellt. Erst mit dem Untergang des höheren Menschen ist es zu erreichen. Erst den verschlagenen Schiffern kann in unserem Text der höhere Mensch zum Leuchtturm werden. Das Glück kündigt sich erst dann, wenn es schon dahin ist, oder vom untergehenden Subjekt nicht mehr zu fassen[49]. Darin deckt sich der Glücksbegriff mit Nietzsches Auffassung der Musik, die bei ihm «Spätling jeder Kultur» und immer posthumer Nach­klang und Wiederhall einer abgelegten Seligkeit ist. Sowie in diesem höchst zweideutigen Glücksbegriff nicht mehr Aufstieg von Abstieg, Leben von Tod zu unterscheiden sind, überlagern sich auch im Gedicht die gegensätz­lichen Bilder, indem sie aneinander gepasst werden. Diese Dialektik, in der sich das Glück nur im Augenblick des Verschwindens ankündigt, und die Musik immer auch Schwanengesang ist, erinnert an die Situation von Bau­delaires A une passante, wo sich die Schöne, wie von der Welle der städti­schen Menge getragen, dem Ich annähert, um gleich darauf wieder zu ver­schwinden[50].

Hinsichtlich eines solchen Glück-Motivs, das von einer so tiefen Ambi­valenz gekennzeichnet erscheint, haftet dem Anruf «Trümmer alter Sterne» zentrale Bedeutung an. Er signalisiert den selben Umschlag, der Untergang und Aufgang der Sonne gleichsetzt[51]. Die Sterne, die alt, d.h. schon gestor­ben sind, führen uns wieder in den Mittelpunkt des allegorischen Diskurses hinein: die Genitivmetapher «Trümmer alter Sterne» entspricht dem Bild des Feuerzeichens. Was als Sterne wahrgenommen wird, ist nichts als das Licht längst verstorbener himmlischer Körper, das den Beobachter noch aus der Ferne/Tiefe der Zeit erreicht. Auf die künftigen oder unzeitgemä­ßen Zuschauer beziehen sich «verschlagene Schiffer» und «Trümmer alter Sterne», die appositionell am Anfang der vierten Strophe von Feuerzeichen stehen:

Verschlagene Schiffer! Trümmer alter Sterne!
Ihr Meere der Zukunft! Unausgeforschte Himmel!

«Verschlagene Schiffer» und «Trümmer alter Sterne» entsprechen sich wie spiegelverkehrte Bilder: beide verweisen metaphorisch auf den «post­humen» Charakter des Ich. Die nach streng parallelistischem Prinzip gereih­ten Versen weisen zugleich eine doppelte coincidentia oppositorum auf. Wie in einem Rebus oder Vexierbild werden Dinge und Wörter sorgsam gestellt, die sowohl in horizontalem wie auch vertikalem Verhältnis zueinander ste­hen. Die Aufeinanderfolge neutralisiert folgende Oppositionen: Zukunft und Vergangenheit, Scheitern und Erfolg, sowie die entgegengesetzten Richtungen nach oben (Himmel) und nach unten (Meeresabgrund)[52]. So bilden die Trümmer alter Sterne zusammen mit den Meeren der Zukunft eine chiastische Struktur, der den verschlagenen Schiffern und Unausge­forschten Himmeln entspricht. Unausgeforschte Himmel = in Baudelaires Voyage spricht man von «Astrologues noyés dans les yeux d’une femme».

5. Rollenspiel und ewige Wiederkunft

Eine Stelle aus dem Nachlass 1888 scheint mir den Zusammenhang zwi­schen «performativer» Auffassung des Subjekts, das eine Fülle von «Rollen» in sich unterbringt, und Nietzsches Gedanken der ewigen Wiederkunft aus­zudrücken. Das Fragment trägt den Titel Die Philosophie der Wiederkunft und wird von Michel Haar in seinem ausgezeichneten Aufsatz zitiert:

Wir dürfen nicht einen Zustand wollen, sondern wir müssen periodi­sche Wesen werden wollen = gleich dem Dasein.[53]

Diese Mannigfaltigkeit von Rollen soll uns den zyklischen Charakter des Daseins lehren. «Rollen», wie Haar sehr gut erklärt, stammt wie das franzö­sische Substantiv «rôle» aus dem Latein «rotulus», «rota»[54]. Es kann kein Zufall sein, dass sowohl Baudelaire als Nietzsche nach dem Bild der rollen­den Wellen greifen, um auf das schillernde Wechselspiel der Reflexe beim Sonnenuntergang hinzuweisen.

 Ein enger Zusammenhang besteht zwischen der rhythmischen Ab­wechslung der Wellen und jener kreisenden Bewegung, die bei Baudelaire durch das Verb «rouler» und dem Partizip «roulant» signalisiert wird. Das Verb kommt auch in der letzten Strophe der Phares vor:

Que cet ardent sanglot qui roule d’âge en âge
Et vient mourir au bord de votre éternité!

Noch eine weitere Parallele betrifft eben die kreisende Bewegung, die sich diesmal auf die Meereswellen bezieht. Die zweite Strophe von Baude­laires Sonnet La vie antérieure lautet:

Les houles, en roulant les images des cieux,
Mêlaient d’une façon solennelle et mystique
Les tout-puissants accords de leur riche musique
Aux couleurs du couchant reflété par mes yeux.

Eine ähnliche «rollende» Bewegung der Wellen findet sich auch im drit­ten Gedicht von Ruhm und Ewigkeit:

Ich sehe hinauf –
Dort rollen Lichtmeere:
oh Nacht, oh Schweigen, oh todtenstiller Lärm! […]

Zurecht bemerkt Groddeck, dass der Bildzusammenhang «Lichtmeere» zurück auf den fünften Dithyrambus verweist, wo Himmel und Meer me­taphorologisch äquivalent sind[55]. Es handelt sich um die Umkehrung von den Gegensätzen «oben» und «unten», die schon im Zarathustra zu finden war. Aber auch im Epikur-Aphorismus von Menschlich Allzumenschliches ging es um eine Doppelbespiegelung: das schillernde Wellenspiel spiegelte sich in Epikurs Auge wider, das wiederum vom Ich des Aphorismus erblickt wurde[56].

Hinter den «rollenden Lichtmeeren» könnte eine andere Quelle stecken, und zwar Heines Poseidon aus dem zweiten Nordsee-Zyklus:

Die Sonnenlichter spielten
Über das weithinrollende Meer;
Fern auf der Reede glänzte das Schiff,
Das mich zur Heimat tragen sollte […]
[57]

Das Gedicht, das 1848 Gerard de Nerval übersetzt hatte, war höchst wahrscheinlich Baudelaire bekannt[58]. Es ist schließlich in diesem Zusam-menhang zu bemerken, dass das Verb «rollen» von Stefan George nicht in der Übersetzung von La vie antérieure erscheint[59], sondern an einer andern Stelle. Und zwar ausgerechnet in der Wiedergabe der Schlußstrophe der Phares:

Der glühende seufzer der hinrollt von zeiten zu zeiten
Und der am rande deiner ewigkeit stirbt.
[60]

6. Aus den «Tableaux parisiens»: «Le Cygne»

Das Zusammenfallen und die Gleichsetzung von Scheitern («Schiff­bruch») und Gelingen («Entdecken») hängt mit einer polemischen/heroi­schen Haltung zusammen, die das vereinsamte Ich den Zeitgenossen ent­gegensetzt. Nach Groddeck ist Zarathustra, d.h. das kaschierte Ich des Ge­dichts, mit den verschlagenen Schiffern gleichzustellen. Ich vermute, dass auch hinter diesem letzten Motiv der Einfluss Baudelaires spürbar ist. Ich beziehe mich auf ein anderes Gedicht der Fleurs, das wie Jean Starobinski sehr gründlich gesehen hat, Baudelaires Fixierung an das Auge, an die visu­elle Wahrnehmung, mit dem Thema der Melancholie verbindet: es handelt sich um das «Tableau parisien» Le Cygne. Der Melancholiker, der seinen Ge­genstand grübelnd starrt, sondert ihn aus «den Zusammenhängen des Le­bens» aus[61]; mitten in der Wüste des neuen Paris, hält die allegorische In­tention am Fragment, am einzelnen Zeichen fest. Starobinski hat darauf hingewiesen, dass in der französischen Sprache das Wort für «Schwan», cygne, wie das Wort «signe», Zeichen identisch ausgesprochen wird. In ei­nem Kurzschluss, der jeden zeitlichen und geschichtlichen Abstand ver­nichtet, werden in Baudelaires Le Cygne Allegorie und Mythus, aber auch Moderne und Antike unmittelbar nebeneinandergestellt. Ihre Verwandt­schaft steht im Zeichen der Vergänglichkeit[62].

Das Tier, das vergeblich um Regen und Erfrischung bittet, indem es sei­nen Hals gegen den Himmel richtet («vers le ciel ironique et cruellement bleu, / Sur son cou convulsif tendant sa tête avide, comme s’il adressait der reproches à Dieu»), ruft bei Baudelaire die mythische Figur der exilierten Andromache hervor die, ihrem mächtigen Gatten entrissen, sich voller Sehnsucht über «den kleinen Fluß» neigt, der zum Spiegel ihres Schmerzes von Witwe wird. Aber der Schwan, «le cygne», wird gleichzeitig und viel­mehr zum Zeichen und Allegorie für all diejenigen, die etwas verloren ha­ben, das sich an keinem Ort mehr finden lässt. Der Dichter denkt

A quiconque a perdu ce qui ne se retrouve
Jamais! Jamais! […]
Ainsi dans la forêt où mon esprit s’exile
Un vieux Souvenir sonne à plein souffle du cor!
Je pense aux matelots oubliés dans une île,
Aux captifs, aux vaincus! … à bien d’autres encore.

In seiner gründlichen Analyse erforscht Bohrer beide Gestalten des Ge­dichts, «Andromache» und den «Schwan» vom Gesichtspunkt der Zeit her[63]. Nach Bohrer handle es sich nicht so sehr darum, die Identität beider Figuren zu bestimmen, als vielmehr in ihnen die Bestandteile einer «Verlus­treflexion» zu erkennen[64]. Sowohl die Figur des Mythos, als das verschwun­dene bzw. veränderte Paris werden von ein und demselben Akt der Zeit­kontemplation umfasst. Der Schwan gehört weder zur Gegenwart noch zur Vergangenheit; er gehört vielmehr zu einer immerwährenden, visionären Vergegenwärtigung. Er ist somit so wenig anwesend wie Andromache, aber gleichzeitig ebenso latent wie diese: dem visionären und melancholischen Blick kann er sich auf jedem Moment bieten[65].

Baudelaires Zeitreflexion richtet sich auf das Fließen der Zeit als solches; dieses Fließen bestimmt den Abschied als Figur der Trauer, einer fortwäh­renden Trennung und Verabschiedung[66]. Einer solchen Melancholie kann nur ein textimmanenter, nicht ein soziologischer Ansatz gerecht werden, wie Bohrer wiederholt unterstreicht, indem er sich polemisch von Benjamin und dessen Interpretation der Allegorie distanziert[67]. Die Figur der Andro­mache wird deshalb als Zeichen des Unwiederbringlichen gewählt, weil sie in Verbindung mit dem Fluss- und Spiegelmotiv steht.

Heine, Baudelaire, Nietzsche: Alle haben sich als Meister ohne Schüler verstanden. Von wem hätte die angestrebte Anerkennung kommen sollen? Offensichtlich nur von denjenigen, die der Autor als eigene Verwandte be­trachtet, also von jenen «verschlagenen Schiffern», die wie das lyrische Ich dem Festland den Rücken gewandt haben, um sich ins Meer der siebten Einsamkeit zu wagen. Dies entspräche wiederum den «vrais voyageurs» des Gedichts Le Voyage[68], dem in der gesamten Architektur der Fleurs eine wich­tige Schlussstellung zukommt:

Mais les vrais voyageurs sont ceux-là seuls qui partent
Pour partir; coeurs légers, semblables aux ballons,
De leur fatalité jamais ils ne s’écartent,
Et, sans savoir pourquoi, disent toujours: Allons!

Nietzsche sprach in Ecce Homo vom Schicksal und von der Notwendig­keit zu werden, was man ist. Das Schicksalsmotiv kommt auch bei Bau­delaire zum Ausdruck: die «wahren Reiser» sind nach ihm nämlich nur die­jenigen, «die dem eigenen Schicksal nie ausweichen». Bei Nietzsche weist das Sternbild auf das Schicksal des Dichters hin. Nur schwingt das «Stern­bild» zwischen Innen und Außen, indem es mal das Subjekt selber als «hö­heren Menschen», mal das ferne Ziel signalisiert, das es zu erreichen gilt:

Ich sehe ein Zeichen –,
aus fernsten Fernen
sinkt langsam funkelnd ein Sternbild gegen mich.
[69]

Dem höheren Menschen wird das eigene daimon zum unentwirrbaren Schicksal. «Pas de chance», wie Baudelaire zu sagen pflegte. D.h. er erkannte sich selbst das Recht nicht an, dem eigenen Schicksal auszuweichen. Auch das Motiv des Sternbilds lässt sich im Rahmen des amor fati und der Wie­derkunft des Gleichen ausdeuten. Die Wiederkunft der gleichen Konstella­tion markiert nämlich das Ende einer Periode bzw. Maske oder fiktionale Identität und den zyklischen Anfang einer neuen[70]. So ähnelt in mancher Hinsicht Baudelaire jenem Wagner, den Nietzsche wenigstens seit Menschli­ches Allzumenschliches loszuwerden glaubte. In den Dithyramben versucht er, seine Idee der ewigen Wiederkehr der modernen Poetik des Vergänglichen der modernen Flüchtigkeit anzupassen. Hinter der Maske Baudelaires ist Nietzsche wieder der Konstellation der Romantik begegnet, die er mit der wagnerschen Musik in Verbindung bringt[71]. Auch die Idee einer poetischen Prosa ist romantischer Herkunft und erweist eine tiefe Ähnlichkeit mit dem, was die Frühromantik (Fr. Schlegel und Novalis vor allem) als «erweiterte Poesie» verstanden. Im Schlusskapitel seiner Dissertation, Die frühromantische Kunsttheorie und Goethe, zitiert Benjamin einen Brief des Novalis an Fr. Schle­gel, wo der erste den Begriff dieser «erweiterte Poesie» als «das höchste Problem des (gegenwärtigen) poetischen Dichters» bezeichnet[72]. Das Zau­berwort für den vorliegenden Sachverhalt habe aber Hölderlin mit seiner Forderung nach der «Nüchternheit der Kunst» getroffen[73]. Die Klärung des romantischen Begriffs einer «erweiterten Prosa» öffnet zugleich für Benja­min den Blick für Baudelaires Spleen de Paris, mit dem er sich später ausei­nandersetzen sollte. So schreibt G. Oesterle: «Die rhythmisierte Prosa oder prosagesättigte Poesie Heinrich Heines, Friedrich Nietzsches oder Eduard Mörikes ist ohne diese vorausgegangenen romantischen Experimente nicht zu denken»[74].

Was Oesterle über die Zersetzung und Entgrenzung der Poesie durch die Prosa bemerkt, führt uns wiederum zum destruktiven Charakter der Al­legorie und erklärt darüber hinaus die enge Verwandtschaft Baudelaires und Nietzsches mit den spätlateinischen Schriftstellern.

Schlussbemerkungen

Der Mangel an Lektürespuren reicht keineswegs aus, Nietzsches Gleich­gültigkeit den Phares gegenüber zu beweisen. Das Gegenteil ist wahr, wenn man an die zahlreichen Stellen denkt, wo in den NF der Jahre 1887-1888 der Name Delacroix fällt. In Ecce Homo werden Baudelaire, Wagner und Delacroix in einem genannt und bilden gleichsam ein Dreigestirn der De­kadenz[75].

In seinen Notizen zur Kunst von Delacroix, zum größten Teil in dem Nachlass enthalten, bringt Nietzsche treffsicher den zentralen Aspekt seiner Malerei zum Ausdruck. Es dürften ihm wohl in seiner Auseinandersetzung mit dem bildenden Künstler entscheidende Anregungen aus Baudelaire ge­kommen sein[76]: beide stellen in ihrer Besprechung der Kunst Delacroix’ das Thema des Ausdrucks, der expression, in den Vordergrund. Wo Ausdruck in seiner prägnantesten Bedeutung als Erpressung und Einprägung in einem zu verstehen ist, und zwar mit Bezug auf die formgebende Funktion der Zeit. So liest man etwa bei Baudelaire, an einer Stelle, die nicht zufällig auch von Benjamin zitiert und in den Baudelaire-Aufsatz aufgenommen wird: «Mal­heur à celui qui étude dans l’antique autre chose que l’art pur, la logique, la méthode générale! Pour s’y trop plonger […] il abdique […] les privilèges fournis par la circonstance; car presque toute notre originalité vient de l’es­tampille que le temps imprime à nos sensations» (Le peintre de la vie moderne).

Nach Baudelaire muss man also die geheimnisvolle Schönheit des zeit­genossischen Lebens aus dem Flüchtigen, Vergänglichen herausdestillieren, damit die moderne Schönheit würdig sei, wiederum Antike zu werden[77]. Zur Kenntnis von Baudelaires Salon kommt Nietzsche z.T. durch Zitaten, die sich im Buch von Dargenty Delacroix par lui-même (Paris, 1885) befin­den[78]:

La poésie moderne tient à la fois de la peinture, de la musique, de la statuaire, de l’art arabesque, de la philosophie railleuse […] Aucuns y pourraient voir peut-être des symptômes de dépravation.

Dieselbe Vermischung von Antike und Moderne, so wie auch die Ver­wischung der Grenzen zwischen verschiedenen Ausdrucksweisen kenn­zeichnet nach Baudelaire auch die Musik Wagners:

J’ai trouvé dans Tannhäuser, Lohengrin et le Vaisseau fantôme, une méthode de construction excellente, un esprit d’ordre et de division qui rappelle l’architecture des tragédies antiques.

Si, par le choix de ses sujets et sa méthode dramatique, Wagner se rapproche de l’antiquité, par l’énergie passionnée de son expression il est actuellement le représentant le plus vrai de la nature moderne (L’art romantique).

Bohrers Lektüre von Baudelaire betont die Zeitlichkeit als fundamenta­len Aspekt der Moderne. Auch seine Melancholie ist keine Stimmung, wie später bei Verlaine der Fall ist, sondern ein Bewusstseinszustand, das vom Vergehen der Zeit und vom Schwund und vom Wiederauftauchen des schon Dagewesenen schwer zu trennen ist[79]. Nicht zufällig hob Baudelaire Delacroix’ Kunst als Mnemotechnik des Schönen hervor. In seiner Malerei fand er sich ein philosophisches Problem unter die Augen geführt, und zwar das Problem der künstlerischen Darstellung der Unendlichkeit. Delacroix ist die Gestaltung des «infini dans le fini» durch die Kraft der Imagination gelungen. Im Unterschied zu den «philosophischen Malern» der deutschen Romantik, die häufig zu abstrakt wirken, gilt Delacroix in Baudelaires Au­gen als Paradigma des romantischen Künstlers, der die Formensprache und die expressiven Farben des Barock aufnimmt. Die Anwesenheit verschie­dener Komponente, die auf den «Barockstil» zurückzuführen sind, hat Groddeck anhand von Nietzsches Zitate in den Dithyramben hervorgeho­ben[80].

Nietzsches Gedicht Feuerzeichen weist zahlreiche allegorische Aspekte auf, die auf eine Radikalisierung von Baudelaires Anregungen zurückgeführt werden könnten. Was bei Baudelaire noch symbolische Prägnanz behielt, erweist jedoch bei Nietzsche zeichenhaften Charakter. In dem Vorwort zu Bourgets Essais de psychologie contemporaine, denen Nietzsche wichtige Anre­gungen für die eigene Auffassung der modernen großstädtischen Phäno­men der Dekadenz verdankte, ist in einem eigentümlichen Zusammenhang von «Zeichen» die Rede: «Les procédés de l’art n’y sont analysés qu’autant qu’ils sont des signes […] Je n’ai voulu ni discuter des talents, ne peindre des caractères».

Das Zeichenmotiv und das Wort «Zeichen» tritt bei Nietzsche beson­ders häufig auch in den Fragmenten aus den Jahren 1887/88 auf und be­sonders dort, wo es darum geht, das Wesen des Nihilismus zu umreißen:

Nihilism als Zeichen der gesteigerten Macht des Geistes: als activer Nihilism.

Er kann ein Zeichen der Stärke sein (KGW VIII 2, 14).

 

Die Beschwörung Delacroix’ in der ersten Auflage von Charles Baudelaire,
Les Fleurs du mal, Alençon, Poulet-Malassis et de Broise, 1857, S. 24
(Les Phares, S. 23-25).



[1] W. Groddeck: Friedrich Nietzsche. «Dionysos-Dithyramben». Berlin 1994, Band II: Die Dionysos-Dithyramben – Bedeutung und Entstehung von Nietzsches letztem Werk, S. 429. Abschnitt «Ein Baudelaire-Intertext?».

[2] P. Bourget: Essais de psychologie contemporaine [1881], dann Paris 1901. Nietzsche hat aber den Text in der Auflage von 1883 gelesen. K. Pestalozzi: Nietzsches Baudelaire-Rezeption. In: Nietzsche-Studien 7 (1978), S. 158-178. Vgl. J. Le Rider: Nietzsche et Baudelaire. In: Littéra­ture 86 (1992), S. 85-101.

[3] Eine ähnliche produktive Rezeption fremder Anregungen hat Pestalozzi für die frü­hen lyrischen Versuche Nietzsches feststellen können, die auf die Schuljahre in Pforta zu­rückgehen. Schon damals kam Nietzsche darauf an, «sich als Autor erleben zu können» und schon diese frühen Gedichte versuchte er zu Sammlungen zusammenzustellen (K. Pestalozzi: Nietzsches Gedicht «Noch einmal eh ich weiter ziehe …» auf dem Hintergrund seiner Ju­gendlyrik. In: Nietzsche-Studien 13 [1984], S. 102).

[4] Groddeck, zit., II, S. 228. Groddeck spricht u.a. von «dithyrambischer Einsamkeit, als dem Zustand, wo Tauschen nicht möglich ist und aus dem das Schenken entspringt».

[5] Auf Les Phares im Zusammenhang mit Delacroix weist ausdrücklich Pestalozzi im obengenannten Aufsatz hin.

[6] Fünf unter diesen Gedichten gehören zur ersten Sektion der Fleurs, deren markantes­ter Zug der hohe, erhabene Ton ist. Zu dieser Sektion gehört auch Les Phares, die eine mit den Correspondances konkurrierende ars poetica enthält. Nietzsche las die Fleurs in der Auflage von 1882. Besonders intensiv hat er das berühmte Vorwort von Théophile Gautier ange­strichen (Ch. Baudelaire: Les Fleurs du mal. Précédées d’une notice par Th. Gautier. Paris 1882).

[7] W. Benjamin: Das Passagen-Werk. Hrsg. von R. Tiedemann, Frankfurt/M. 1989, Band I, S. 399. In Folgendem als PW abgekürzt.

[8] PW I, S. 417: «Der destruktive Impuls Baudelaires ist niemals an der Abschaffung dessen interessiert, was ihm verfällt. Das kommt in der Allegorie zum Ausdruck, und das macht die regressive Tendenz in ihr aus. Auf der anderen Seite aber hat die Allegorie es, eben in ihrem destruktiven Furor, mit der Austreibung des Scheins zu tun […] Und das ist die progressive Tendenz der Allegorie».

[9] So liest man etwa im Antichrist, einem Werk, das wie die Dithyramben zu Nietzsches später Produktion gehört: «Der “Fortschritt” ist bloß eine moderne Idee. Der Europäer von heute bleibt in seinem Werte tief unter dem Europäer der Renaissance; Fortentwick­lung ist schlechterdings nicht mit irgendwelcher Notwendigkeit Erhöhung, Steigerung, Ver­stärkung» (KGW IX/6).

[10] K. H. Bohrer: Der Abschied. Theorie der Trauer: Baudelaire, Goethe, Nietzsche, Benjamin. Frankfurt/M. 1997, S. 77-107. Bohrer, der zunächst an den Einwand Adornos gegen die Anwendung der sozialhistorischen Methode in Benjamins Essay Das Paris des Second Empire bei Baudelaire knüpft, schreibt, es sei ein noch zu erklärendes Paradox, dass gerade Benja­min, der als erster und vor allen die «kontemplative Struktur von Baudelaire Lyrik, ein­schließlich der Reflexionsfigur des Abschieds» erkannte, dann eine sozialhistorische Lek­türe der Fleurs unternahm, die «der poetischen Eigenart von Baudelaires Dichtung» über­haupt nicht gerecht wird (S. 78).

[11] Ebd., S. 210.

[12] PW I, S. 416: «Die Allegorie sieht das Dasein im Zeichen der Zerbrochenheit und der Trümmer stehen wie die Kunst. Das l’art pour l’art errichtet das Reich der Kunst au­ßerhalb des profanen Dasein. Beiden ist der Verzicht auf die Idee der harmonischen To­talität gemeinsam, in der Kunst und profanes Dasein einander nach der Lehre sowohl des deutschen Idealismus wie des französischen Eklektizismus durchdringen».

[13] Zum Mythologeme des Lumpensammlers siehe H. Stenzel: Baudelaire und Blanqui als antiromantische Vordenker Benjamins. In: Walter Benjamin und die romantische Moderne. Hrsg. von H. Brüggemann und G. Oesterle. Würzburg 2009, S. 308.

[14] K. H. Bohrer, Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins. Frankfurt/M. 1981, S. 147: «Das Fehlen der großen, als entfremdendes Grauen erlebten Metropole ist ebenso kennzeichnend für den einen [Nietzsche], wie ihr Erleiden konstitutiv für den andern [Bau­delaire] war».

[15] Groddeck, zit., II, S. 377, der den Ausdruck «Robinson-Insularität» zitiert aus dem Brief an Köselitz vom 10. Oktober 1886.

[16] Ebd., S. 135: «Der Vorgang der Zusammenfügung der im Text evozierten “Vorstel­lungen” vergegenwärtigt im poetischen Verfahren des Textes die ursprüngliche, technische Bedeutung des Begriffes “Symbol”. Das Symbol als das “Erkenntniszeichen” stellt sich daher nicht wie die Metapher als ein Verfahren der Ersetzung dar, sondern als eines der Zusammensetzung».

[17] Ebd.

[18] Ebd., S. 236.

[19] Bohrer, zit., S. 494: «Hier [Erläuterung der Bizetschen Musik] kann kein Zweifel daran aufkommen, daß Bewußtsein von Glückserfahrung und Abschied davon in eins fallen».

[20] «Diese Musik ist heiter; aber nicht von einer französischen oder deutschen Heiter­keit. Ihre Heiterkeit ist afrikanisch, sie hat das Verhängnis über sich, ihr Glück ist kurz, plötzlich, ohne Pardon» (Der Fall Wagner, KGW VI, S. 15).

[21] V. Vivarelli: L’immagine rovesciata. Le letture di Nietzsche. Genova 1992, S. 21-28. Beson­ders dieses Bild, das zugleich auf den Opfertod des Subjekts und auf die Verschwendung seiner ausstrahlenden Wärme hinweist, dient Nietzsche als Mulde, die er jeweils in den verschiedenen Stufen seines Gedankengangs anders erfüllt hat. Zu Nietzsche Verhältnis zu Emerson siehe A. Mittasch: Friedrich Nietzsche als Naturphilosoph. Stuttgart 1952, S. 38.

[22] Das Gedicht Baudelaires wird von Bohrer mit Bezug auf die Kategorie des Schmer­zes zitiert. Nach Bohrer wäre aber falsch, «Nietzsche und Baudelaire vergleichen zu wol­len». Um diese Unmöglichkeit zu begründen, zieht er fast ausschließlich biographische Ar­gumente heran. «Deshalb also enthält die Metapher Schmerz keine psychologisch-empiri­sche Erfahrung, die beiden gemeinsam wäre» (Bohrer, Plötzlichkeit, zit., S. 147).

[23] Man sehe etwa die Aphorismen aus den Jahren 1882-1883: «Das Ich erst in der Heerde. Gegensatz dazu: im Übermenschen ist das Du vieler Ichs von Jahrtausenden zu Eins geworden (also die Individuen sind jetzt zu Eins geworden»: Und der unmittelbar darauffolgende: «Das Ich enthält auch eine Mehrzahl von Wesen (wie in der Heerde) kein Widerspruch. Ebenso als Mehrheit von Kräften» (KGW VII, 1, S. 167).

[24] Benjamin gibt in seinem Baudelaire-Aufsatz die Ansicht Leconte de Lisle’s wieder, «Baudelaire habe seine Gedichte aus einer prosaischen Fassung in den Vers übertragen» (PW I, S. 227).

[25] Groddeck zitiert Clemens Heselhaus, dessen Exegese von Die Sonne sinkt «für ein nach wie vor gültiges Vorurteil» repräsentativ ist: das philosophische Verlangen nach Deutlich­keit erscheint Heselhaus störend und fremd der lyrischen Gattung. Erst die «naturhafte Me­taphorik» der letzten Zeile würde zur Rettung des Gedichts gelingen (Groddeck, II, S. 172).

[26] Der junge Nietzsche hatte die «wohlklingende Bewegung» der Hyperion-Prosa mit dem «Wellenschlag des erregten Meeres» verglichen. (Darüber R. Görner, Nietzsches Kunst. Frankfurt/M. 2000, S. 39-40).

[27] KGW V/2, S. 203.

[28] KGW IV/3, S. 619.

[29] Cornelia Klettke: Baudelaires «Les Phares» – eine Blume des Bösen. In: Text – Interpretation – Vergleich. Festschrift für Manfred Lentzen zum fünfundsechzigsten Geburtstag. Hrsg. v. J. und E. Leeker. Berlin 2005, S. 45-57. Darin stellt Klettkes Interpretation diejenige von Cellier in Frage; nach dem französischen Kritiker sollte sich die Opposition lediglich auf die Polarisierung von zwei Künstlergruppen gründen.

[30] Klettke, S. 49.

[31] Klettke, S. 50.

[32] PW I, S. 414: «Die erstarrte Unruhe wird in Blanquis Weltansicht zum status des Kosmos selbst. Der Weltlauf erscheint hiernach eigentlich als eine einzige große Allegorie. Erstarrte Unruhe ist übrigens die Formel für Baudelaires Lebensbild, das keine Entwick­lung kennt».

[33] Groddeck, zit., II, S. 135: «Die bedeutungszentrierende Logik der symbolischen Bild­lichkeit findet ihre Entsprechung im konzentrischen Bau des Textes […] und in der kon­zentrischen Stellung des Gedichtes selber im Zyklus der Dithyramben».

[34] Friedrich Nietzsche, Jugendschriften in fünf Bänden. Hrsg. v. H-J. Mettke und K. Schlechta, München 1994, Band II, S. 57.

[35] Eine ähnliche Verdopplung, die das Ich von sich selbst trennt und objektiviert, durch­zieht die Dithyramben. Hier setzt Nietzsche eine Tendenz fort, die schon Ecce Homo kenn­zeichnet: «das Eine bin ich, das andere sind meine Schriften», liest man im Vorwort. (Warum ich so gute Bücher schreibe). Ähnliches gilt nach Sommer auch für den ungefähr in demselben Zeitraum entstandenen Antichrist (A. U. Sommer, Friedrich Nietzsches Der Antichrist. Ein phi­losophisch-historischer Kommentar. Basel 2000, S. 51-52).

[36] Groddeck, zit., II, 174: «Der symbolisch verdichtete Text von «Das Feuerzeichen» ist kein lyrisches Gedicht, er bestimmt sich vielmehr als ein dem «vollkommenen Gedicht» transzendenter Ort, als das Zentrum der Zeichen».

[37] Man sehe ein Fragment aus dem Herbst 1887 (KWG VIII 2, 205): «Entweder ist unsere Welt das Werk und der Ausdruck (der modus) Gottes […]».

[38] Groddeck, zit., II, S. XVI.

[39] Ebd., S. 237: «Mit dem Wort «Zeichen» korrespondiert der achte Dithyrambus mit dem fünften.

[40] Ebd.: «In das Feuerzeichen ist das Fragezeichen eine Setzung Zarathustras und zu­gleich eine Feststellung des dithyrambischen «ich» […] Während am Ende des fünften Dithyrambus das Zeichen zum Universum gewendet wird, kehrt hier, in Ruhm und Ewig­keit, ein Zeichen aus dem Universum zurück».

[41] Ebd.: «Die siebente Einsamkeit […] wirkt in Ruhm und Ewigkeit als kompositionel­les Prinzip, indem die Siebenzahl und die Differenz von sechs zu sieben den Text nume­risch strukturiert».

[42] Ebd.

[43] Ch. Baudelaire: Œuvres. Texte établi, présenté et annoté par C. Pichois. Paris 1961, vol. II, S. 627-626.

[44] KGW VII, 1, 285, 7 [103]. So geht die Aufzeichnung weiter «Je mehr dies aber der Fall ist, um so mehr geht das Fremde uns wider den Geschmack: der Haß und Ekel am Fremden ist gleich groß wie die Lust an sich».

[45] Darüber B. Küster: Heines Bedeutung für Baudelaires Beurteilung von Kunst. In: Heine-Jahr­buch 48 (2009), S. 116-140. Der wichtigste Vermittler und Übersetzer von Heine in Frank­reich war gewiss Gerard de Nerval. Beide Dichter waren durch eine tiefe und sympatheti­sche Freundschaft verbunden. Von Heine übersetzte Nerval die meisten Intermezzo- und Nordsee-Gedichte, außerdem die zwei Traumbilder. Über Nerval und Gautier als Vermittler zwischen Heine und Baudelaire siehe auch G. Hoffmeister: Heine in der Romania. Berlin 2002, S. 39-61.

[46] KGW II/4, S. 71.

[47] KGW VII/2, S. 321.

[48] Groddeck, zit., II, S. 251.

[49] Groddeck, zit., II, S. 395-396 (Textgenese des sechsten Dithyrambus).

[50] Bohrer, zit., S. 450: «Wenn Kunst ihren schönsten Ausdruck als verschwindende zeigt, dann ist ihr Abschied gleichbedeutend mit ihrem Präsens: so wie die schöne Unbe­kannte in A une Passante nur unter der Bedingung ihres Verschwindens zur Epiphanie wird, ebenso wird die Kunst zur Erscheinung gerade deshalb, weil sie verschwindet».

[51] Eine ähnliche Ambivalenz von Untergang und Aufgang durchzeichnet Baudelaires Gedicht aus den Tabelaux Parisiens Le Crépuscule du Matin.

[52] Eine ähnliche Umdrehung von unten und oben bemerkt Pestalozzi hinsichtlich Nietzsches Gedicht Noch einmal eh ich weiter ziehe, in Schulpforta entstanden. Pestalozzi hat dieses Gedicht mit seiner Vorlage verglichen, einem Kirchenlied von Balthasar Münter und hat sehr interessante Betrachtungen angestellt: während das Vorbild etwa Gott oben stellt und ihn der sündigen Seele entgegensetzt, verlegt Nietzsche die Gottheit in die Tiefe und meint damit «daß Gott auch von unten und innen wirkt», während die Gottferne oberhalb lokalisiert wird.

[53] Das Zitat stammt aus einer langen Aufzeichnung, die den Titel Zur Philosophie der Wiederkunft trägt und im Sommer 1882 geschrieben wurde (KGW VI, 1, S. 24).

[54] M. Haar : La critique nietzschéenne de la Subjectivité. In Nietzsche-Studien (1983), S. 95.

[55] Groddeck, zit., II, S. 236.

[56] Ich sehe sein Auge auf ein weites, weißliches Meer blicken, übern Uferfelsen hin, auf denen die Sonne liegt […].

[57] DHA I/1, S. 372.

[58] In seiner Einführung betont Nerval trotz der Beschwörung des homerischen Mythus die Desillusionierung, die ihm zurecht als Modus einer Befreiung von allen konventionel­len Beschränkungen erscheint.

[59] S. George: Die Blumen des Bösen. Umdichtungen. Berlin 1930, S. 28: «Der wellen die des himmels bilder wiegeln / Musik in mystisch feierlicher art / Sich mächtig tönend mit den farben paart / Wie sie beim sonnenuntergange spiegeln».

[60] Ebd., S. 22.

[61] PW I, S. 414-415: «Das von der allegorischen Intention Betroffene wird aus den Zusammenhängen des Lebens ausgesondert: es wird zerschlagen und konserviert zugleich. Die Allegorie hält an den Trümmern fest. Der destruktive Impuls Baudelaires ist nirgends an der Abschaffung dessen interessiert, was ihm verfällt».

[62] Ebd., S. 419: «Worin die Moderne der Antike zuletzt am innigsten sich verwandt erweist, das ist ihre Vergänglichkeit […] Was bei Baudelaire mitschwingt, wo er in seinen Versen Paris beschwört, das ist die Hinfälligkeit und Gebrechlichkeit einer großen Stadt […] Dieser Aspekt ist mehr oder minder sämtlichen tableaux parisiens gemeinsam: er kommt in de Transparenz der Stadt wie le soleil sie heraufzaubert ebenso zum Ausdruck wie in der allegorischen Beschwörung des Louvre in le Cygne».

[63] Bohrer, Der Abschied, zit., S. 186.

[64] Ebd.: «Das Gedicht thematisiert also das Verschwinden von etwas selbst, nicht so sehr die Inhalte des Verschwundenen».

[65] Die Melancholie gilt Bohrer sogar als «Reflexionsmedium», in dem die Symbolfigu­ren der Andromache und des Schwans auftauchen (Ebd., S. 188).

[66] Ebd., S. 191: «Das Gedicht erklärt nur die Melancholie des Sprechers aus dessen Bewußtsein, Abschied genommen zu haben von allem, was ihm lieb war».

[67] Benjamin sei dafür verantwortlich, wenn Andromache und der Schwan ungerecht als Allegorien ausgedeutet worden sind (Bohrer, S. 193).

[68] Von diesem Gedicht hatte Nietzsche in seinem Exemplar die äußerst wichtige Stro­phe über die «ennui» angestrichen (Groddeck, Anm. 38, S. 60).

[69] Groddeck, zit., I: Textgenetische Edition der Vorstufen und Reinschriften, S. 104.

[70] PW I, S. 429: «Der Gedanke der ewigen Wiederkunft macht das historische Gesche­hen selbst zum Massenartikel. Diese Konzeption trägt aber auch noch in anderer Hinsicht – man könnte sagen: auf ihrer Rückseite – die Spur der ökonomischen Umstände, denen sie ihre plötzliche Aktualität verdankt […] Die alltäglichen Konstellationen begannen ganz allmählich ein wenig seltner und es konnte damit die dumpfe Ahnung regen, man werde sich mit kosmischen Konstellationen begnügen müssen».

[71] Zu den Ähnlichkeiten, die Baudelaires Spleen zu der romantischen Elegie seiner Vor­fahren Vigny und Hugo bindet siehe vor allem Bohrer, zit., S. 66-77.

[72] PW I/1, S. 101. Zur Konstellation Benjamin-Frühromantik-Baudelaire siehe G. O­esterle, Die Idee der Poesie ist die Prosa. In: Walter Benjamin und die romantische Moderne, hrsg. von. G. Oesterle, S. 161-173.

[73] Ebd., S. 166.

[74] Ebd., S. 168.

[75] Ecce Homo, S. 289.

[76] Zu Nietzsche Auseinandersetzung mit Delacroix siehe D. Schubert, Nietzsches Blick auf Delacroix als Künstlertypus. In Nietzscheforschungen 4 (1988), S. 235-242.

[77] PW I, S. 312.

[78] Delacroix par lui-même. Paris 1885 (D. Schubert, Nietzsches Blick auf Delacroix, zit., S. 235). Schubert besteht auf dem Umstand, dass Nietzsches Kenntnis von Delacroix zweiter Hand, d. h. durch die Literatur vermittelt war. Man weiß nicht, ob und welche Bilder von Delacroix er tatsächlich im Original kannte. Eine andere wichtige Quelle für Nietzsches Kenntnis des Malers war der Künstlerroman Manette Salomon von Jules de Goncourt (1867).

[79] Die Abwechslung von Herannähen und Wiederverschwinden (Harmonie du Soir) glie­dert anderswo die dialektische Polarität von Spleen und Ideal.

[80] Groddeck, zit., II, S. 43.